Karl Gutzkow
Hohenschwangau
Karl Gutzkow

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XV.

Ottheinrich hatte seinem Prinzipal am gestrigen Abend erst die wichtigsten Ergebnisse seiner Reise mitteilen können. Die ausführlichere Berichterstattung mußte für den folgenden Morgen bleiben.

Die baldige Ankunft des Schwangauer Ritterpaares war dem Rat bereits bekannt, verdrießlich nahm er die Begegnung mit seinem Sohn in Kaufbeuren auf, die Ottheinrich nicht verschwiegen hatte. Der Vater wollte daraus die Nachlässigkeit ersehen, mit der sein Sohn den ihm erteilten und ungern übernommenen Auftrag ausführte, Regina fern zu halten und Anna von Stadion mitzubringen. Über Ottheinrichs Erklärung, daß sich jedenfalls die erstere Aufgabe als unausführbar erweisen würde, zogen sich die dunklen Augenbrauen des Rats nicht wenig zusammen. Vorwürfe jedoch für Ottheinrich entschlüpften seinen Lippen nicht, im Gegenteil pries er alles, was der treue Diener getan hatte, vollends, was dieser in den vorzugsweise geheimen Aufträgen, die ihm erteilt waren, zustande gebracht. Lediglich die Möglichkeit, daß der dem Kloster entsprungene rätselhafte Knabe doch wieder abhanden kommen konnte, nannte er die Folge einer Unvorsichtigkeit.

Die Begrüßung Ottheinrichs durch Mutter Felicitas war den Umständen nach freundlich. Die Ahne verhinderte jedoch sofort ein weiteres Zusammensein mit Gundula, die auch ihrerseits, um Vorwürfen zu entgehen, lieber sich in ihr Schlafgemach begab.

Es war schon spät, als Ottheinrich endlich seine eigene Herberge aufsuchen konnte. Die brennenden Tonnen auf dem Weinmarkt verbreiteten schon lange mehr Qualm als Licht. Zur »Traube« sah er hinauf, wohin er die Italiener empfohlen hatte. Noch ging es in dem stattlichen Wirtshause, das im Schatten des Tanzhauses lag, eines winkelreichen und mit nach außen angebrachten Treppen und Umgängen versehenen großen Gebäudes, ziemlich lebhaft zu. Ein paumgartnerscher Knecht, der sein Taxissches Roß einstweilen im Stall des kaiserlichen Rats untergebracht hatte, begleitete ihn und trug auf kräftigen Schultern sein Gepäck.

Meister Haysermann wohnte in der Nähe der jetzigen Jakobspfründe, die damals das leerstehende Kloster entwichener Barfüßermönche war.

Daß in des fleißigen jungen Meisters Werkstatt noch bis in die Nacht gearbeitet wurde, konnte Ottheinrich nicht überraschen.

Überraschen mußte ihn aber, daß auch Martina und ihre Mutter Praxede noch nicht zu Bett gegangen waren. An den lichten Fenstern sah er hinter weißen Vorhängen die Schatten beider Frauen auf- und niederschweben.

Einige heftige Schläge an die Pforte brachten das Haus in Bewegung.

Doch nur eines Blickes aus einem geöffneten Fenster bedurfte es und alles wußte: Ottheinrich Stauff ist heimgekommen –!

Seltsam jedoch – hatte Ottheinrich sonst im Auftrag des Geschäfts kleinere Ausflüge nach Friedberg, Donauwörth, Lauingen gemacht, so war der Empfang des Heimkehrenden jubelnder als heute gewesen. Die Begrüßung entsprach dem gedrückten Gewissen, mit dem er selbst heimkehrte. Denn von Gundulas kühner Tat und ihrem Wiedersehen war allerdings noch sein ganzes Gemüt erfüllt.

Alle zwar umarmten ihn. Auch Martina entzog ihm ihre Wange nicht. Doch fehlte der frühere Jubel. Die Erinnerung an den so innigen Abschied beim Ziegelstadel war wie verklungen.

Bald kam auch heraus, welch schwerer Druck auf dem Hause lastete. Die wichtigste Person der Familie, die Schwester des verstorbenen Meisters Schenck, in dessen Verlassenschaft Meister Haysermann eingeheiratet hatte, war bereits zweimal heute im Hause gewesen und hatte über Martinas, ihrer Nichte, künftiges Schicksal eine Erklärung abgegeben, die, so verhängnisvoll diese war, einen unbedingten Gehorsam voraussetzte. Jungfer Magdalena Schenckin war jene Laienschwester des Sankt Katharinenstifts, in deren kunstvollem, selbst für Fürstentafeln maßgebenden Kochwesen in jüngeren Jahren Apollonia Katzmayrin gedient und kochen gelernt hatte. In gewissen Fragen stand Base Madgalena im Katharinenstift gleich hinter der Äbtissin, sagte diese letztere: Ei, die Königin von Ungarn, des Kaisers erlauchtes Geschwister, begehrt ein fromm, sittig, des Nähen wohlkundiges, jedenfalls auch, wie Hofsitte verlangt, schönes Mädchen von unserer seinen Stadt Augsburg mit sich an ihren Hof nach Brüssel zu nehmen, wisset ihr nicht eine solche, mit deren Empfehlung man Ehre einlegt? und hatte da Schwester Madgalena wie mit Inspiration erwidert: Jesus! eine solche kenne ich wohl, ehrwürdige Mutter –! So war nach Auffassung der Muhme an einen Widerspruch gegen die sofortige Verfügung über die Freiheit ihrer Nichte und ohnehin gegen ein Los, das ja geradezu einem Geschenk des Himmels gleichkam, einem Glückslos, wie auf der Dult aus dem Rad gezogen, unter keinerlei Umständen zu denken. Und das letztere wurde auch hier »hinter den Barfüßern« vollständig eingeräumt. Alle waren gebunden, die Mutter, Martina und Haysermann. Seitdem Frau Praxede Schenckin sich zum zweitenmal verheiratet hatte, mußte sie die Schwägerin schon um des Andenkens an ihren seligen willen in allem zu versöhnen suchen. Denn Haysermann war ein Jüngling gegenüber dem verstorbenen – war dessen ehemaliger Gesell gewesen – das war schon allein in den Augen der im Andenken an ihren Bruder empfindlichen Stiftsköchin ein Makel, zumal wenn man bedachte, daß alles, was Frau Praxede dem jungen Meister zugebracht hatte, durch den seligen Meister Schenck schon in seinem ledigen stand erworben war. Martina gehörte seitdem der Schwester des verklärten Schenck. Das war selbstverständlich; denn die Muhme galt für außerordentlich reich und Martina war ihre alleinige Erbin. Der Muhme in irgendetwas widersprechen, hieß die Fülle von Mißmut gegen Mutter Praxede, hieß die Vorstellung, daß sie durch ihre zweite Verheiratung ihren Ersten im Grabe gekränkt hätte, zum vollen Ausbruch bringen und außerdem noch die Hunderte von Goldgulden, die Muhme Lene nicht etwa tot in ihrer Truhe liegen, sondern bei Kaufleuten zinstragend ausstehen hatte, dem Stift der heiligen Katharine vermachen. Alles das war Ottheinrich bekannt, wurde jetzt mit schweren Seufzern wiederholt und nur das Eine, das ihm vom Familienleid verschwiegen blieb, war, außer einem Tiefgeheimen, welches im Lauf des Sommers der Mutter schon manche Träne gekostet hatte – Martina hatte Aussicht, Geschwister zu bekommen – der nebenbei befolgte Zweck, Martina vom Luthertum abzubringen und von dem Einwohner des Hauses, dem jungen Stauff, ihrem Seelenverderber, zu entfernen.

Eine wahre Angst des Herzens befiel Ottheinrich. Ratlos sah er sich im Kreise der ihn Begrüßenden um. Es war ein Unnennbares, ein Seelenleid, das alle drückte, Seine Kraft war dahin, wehmütig betrachtete er Martina. Ihre Erscheinung hätte ihn blenden sollen, sie hatte sich während seiner Abwesenheit noch anziehender entwickelt und stand mit dem vollen Eindruck vor ihm, der sie gestern noch in Kaufbeuren sogar für eine so verwöhnte Phantasie, wie die des Doktors Johannes Paumgartner, zum begehrenswerten Preise gemacht hatte. Und dies reine, unverdorbene Mädchen sollte in die Gefahren der großen Welt geraten –»! Sollte an einem Hofe unter sittenlosen Dienern verkümmern –! War es auch der Hof der Königin Maria, an dem Martina dienen sollte, so lag doch für diesen Fall darin keine Beruhigung. Da ergriff ihn denn wohl mit Bangigkeit die Vorstellung, ob ihm nicht Gott auf die Art nahe legen wollte, daß er durch sein eigenes Dazwischentreten, durch die mutvolle, entschlossene Erklärung seiner Liebe diese Seele rettete. – Aber wie konnte er einen solchen schritt wagen bei seiner Jugend, seiner Mittellosigkeit, seiner noch so abhängigen Stellung in der Welt –! Oder sollte er sich dem Rat entdecken, diesen um seinen Beistand, um eine besser bezahlte Tätigkeit bitten –? Da – ertappte er sich auf einem Bruch in seinem Gemüt. Gundula trat Martina gegenüber –! Und hinter Gundula stand der Versucher. Diesen sah er vollkommen vor sich, ganz in der Gestalt, wie ihn Luther zu sehen pflegte – mit Hörnern und Kuhschweif. Nicht sein Abendgebet beruhigte ihn heute, sondern erst die Ermüdung und der Schlummer, der sich glücklicherweise bald einstellte.

Am Morgen brachte ihm nicht Martina, nicht Praxede die erste Labung. Die Lehrburschen bedienten ihn. Er erfuhr, daß schon in aller Frühe Mutter und Tochter ins Katharinenkloster zur Äbtissin gegangen waren.

Das fast Unglaubliche war also entschieden.

Um einigermaßen die peinliche Stimmung, die ihm das Wort im Munde stocken ließ, zu mildern, holte er die Geschenke hervor, die er für die Hausgenossen mitgebracht hatte und breitete sie in seinem Zimmer über Bett und Tisch aus, legte auf jeden einzelnen Gegenstand einen Zettel mit dem Namen dessen, der die Gabe empfangen sollte, und schickte sich zum Ausgehen an.

Auf der oberen Stiege begegnete ihm der Altgesell, der in die Bügelstube gehen wollte, um den Kleidern des Jungen Rats die letzte Politur zu geben. Er flüsterte Ottheinrich ein Wort zu, das diesen in die größte Aufregung versetzte.

»Stopft doch eurem Freunde Beichling den Mund!« sagte der Altgesell. »Er hat uns hier wieder heimgesucht! Er erzählte, daß ihr begehrtet, des kaiserlichen Rates Eidam zu werden –!«

Nun begriff Ottheinrich die Art, wie ihn gestern die Hausgenossen empfangen hatten –

Sollte er dem Zorn, der ihn ergriff, Luft machen –?

Ehe er ins Kontor ging, um den Führer der Prokura, einen Herrn Rudolf, die ersten Buchhalter und seine Mit-Diener zu begrüßen, drängte es ihn bei den Italienern vorzusprechen. Er zitterte vor dem Gedanken, auf dem Kontor Laux Beichling zu begegnen. Dieser konnte im Geschäft ebenso wie bei seinen Wirtsleuten gegen ihn gesprochen haben. Früher hatte der Neidische selbst sein Wohnzimmer bei Haysermanns innegehabt, das ihm von Frau Praxede unter einem Vorwand gekündigt wurde. Der wahre Grund, warum man seine Entfernung aus dem Hause wünschte, war seine Zudringlichkeit gegen Martina. Als dann Ottheinrich dieselbe Wohnung bezog, legte der Ausgewiesene es offenbar darauf an, sich an der Familie zu rächen. Immer zwar noch ließ er in ihrer Werkstatt arbeiten. Anfangs erschien ihm der Stauffer für seine Stellung in der Annengasse zu unbedeutend, als daß er seine Rache auch gegen diesen hätte richten sollen. Als sich aber »der Bamberger« immer mehr zu einer für ihn gefährlichen Mitbewerberschaft um die Gunst des Prinzipals erhob, fing er an, nach Anlässen zu suchen, auch dem neuen Einwohner des Haysermannschen Hauses Schaden zuzufügen, während der Abwesenheit Ottheinrichs in Italien besuchte er die Haysermannsche Familie und träufelte in Martinas Ohr das Gift der Verleumdung.

Die Italiener kamen Ottheinrich schon in der Einfahrt des Wirtshauses, in das er sie verwiesen hatte, mit Ausbrüchen des größten Unmuts entgegen. Der Brief des göttlichen Tiziano hatte auf der Schreibstube der Fugger, in die sie zunächst verwiesen wurden, lange nicht die Wirkung hervorgebracht, die sie voraussetzten, weder waren Anton Fugger noch seine Neffen außer sich vor Freude gestürzt gekommen und hatten sie sämtlich zur Tafel geladen – auch nicht ein einziger Kontorsessel schien um ihretwillen verrückt worden zu sein!

Als Ottheinrich nach Vittoria fragte, erfuhr er, daß sie von den jungen Männern, die gestern gekommen waren, um sich nach ihm zu erkundigen, nicht wenig belästigt wurde. Heute sogar schon in erster Frühe hätte man sie zu sprechen begehrt. Der Keckste darunter schien Oswald von Eck, der Sohn des Münchener Kanzlers, zu sein, dem, wie Ottheinrich wußte, eine verschwenderische Prachtliebe und eine seine Mittel übersteigende Begünstigung der schönen Künste nachgesagt wurde.

Einige der Italiener hatten sich mit dem Sohn des Münchener Kanzlers besser zurechtgefunden. Er hatte ihnen Wein vorsetzen lassen und die reichste Beschäftigung in München versprochen.

Vittoria kam Ottheinrich mit einer Freude entgegen, die ersichtlich auch den Kummer ausdrückte, der auf ihrem Herzen lag. Den treuen Begleiter wiederzusehen, das war ihr wie eine Erlösung von allem Leid, das heranzudrängen drohte. Nach der Unbefangenheit damaliger Sitte drückte sie ihre Lippen auf seine Stirn, streichelte ihm sein Angesicht mit den Händen.

Als er gehen wollte, kam Vittoria noch einmal auf den Tod der Walpurga Gaismayrin zurück, zeigte ihm den deutschen Psalter, der auf dem Tische lag und sprach:

»Gestern, in der letzten Stadt, wo wir einkehrten, habt ihr vergessen, mir die goldene Nestel zurückzugeben, die ich euch gereicht hatte!«

Ottheinrich errötete über den Vorwurf, dessen Berechtigung er sogleich zugestehen mußte, wie über die Gewißheit, daß er die Nadel mit der schönen Gemme nicht mehr besaß.

»Behielt ich diese – als ich sie dem alten Bergmann gezeigt hatte –?« fragte er sich selbst erstaunt und suchte nach dem Schmuck in seinen Kleidern.

»Was tut es!« antwortete Vittoria. »Nehmt auch noch das Buch da, lieber Freund! Denn ist die Frau tot, der ich diese Andenken überbringen soll – und es scheint doch, als ob die Erkundigungen, die ihr eingezogen habt, verlässig sind – so kann ich das Gelübde ohnehin nicht mehr vollziehen helfen. Übernehmt vielmehr ihr es selbst! Ihr könnt es mehr als wir alle, wenn ihr wirklich glaubt, daß die unglückliche und in ihrem Schmerz so verwilderte Frau die Pflegemutter unseres Findlings gewesen ist! Lebt noch der Knabe mit Gottes und der Heiligen Hilfe, so werdet ihr ihn früher wiedersehen als wir und ihn zum Erben aller dieser Dinge machen können!«

Ottheinrichs Gedanken schweiften auf und ab, wo er die fehlende Nadel gelassen haben könnte. Es fiel ihm der Augenblick ein, wo er sich gestern in dem Kleiderzimmer des kaiserlichen Rats, des Kleinodienwamses wegen entkleidet hatte. Daß er bei dieser Gelegenheit einen Gegenstand hatte fallen hören, den er im Dunkel des Zimmers nicht weiter beachtete, wurde ihm erinnerlich. Er hatte nicht danach gesucht, weil er nichts beim raschen Anziehen vermißte.

»Ja, ja, nehmt auch noch den Psalter da mit!« riefen alle und Luzio di Spari fügte hinzu: »Ich bin der Vater der Familie, welche wir bilden, und muß in jedem Betracht für deren Wohl besorgt sein! Schon seit lange will mir erscheinen, daß alles, was an diesem Knaben und die Reliquien erinnert, voll bösen Zaubers ist!«

»Incantato!« wiederholten alle einstimmig.

Wenn auch Ottheinrich am wenigsten geneigt war, ersichtliche Werke des Satans in Verbindung mit dem unheimlichen Knaben in Abrede zu stellen, so nahm er doch das Buch, das den Italienern einen ketzerischen Geruch zu verbreiten schien an sich.

Nachdem Ottheinrich den Italienern den Weg zum Gögginger Tor gezeigt hatte, wo in diesem Augenblick am lebhaftesten unter Leitung des vom Landgrafen von Hessen geschickten Ingenieurs Hans von Buttstädt gearbeitet wurde, schlug er den Weg zur nahen Wohnung seines Prinzipals ein, der Verleumdung Beichlings und – der Begegnung mit Gundula gedenkend.

Der kaiserliche Rat erwartete ihn. Für jetzt, hieß es, hätte er Besuch. Die Großmutter war nicht zugegen, auch Gundula war ausgegangen – wie er hörte, aufs Kontor, wo sie ihn ohne Zweifel anwesend glaubte.

Von je ungehindert in seinen Bewegungen innerhalb der Räume des Hauses, kam er auf den Gedanken, ob er sich nicht selbst nach dem verlorenen Kleinod umsehen sollte. Hinter dem Arbeitszimmer des Rates lief ein dunkler Gang, an dessen äußerstem Ende sich ein Zimmer befand, wo Beichling zu arbeiten pflegte, vorher führten Türen in die Bücher- und Kleiderkammern des Rats. In einer der letzteren, dicht am Arbeitszimmer des Rats, hatte er sich gestern des Kleinodienwamses entledigt.

Gerüstet auf eine Begegnung mit Beichling, vor Zorn die Faust ballend, als müßte es, wenn er den Verleumder zu Gesicht bekäme, zum Kampfe kommen, betrat er den dunklen Gang im zweiten Stock, öffnete eine unverschlossene Tür, trat in die unter sich zusammenhängenden Bücher- und Garderobenzimmer und fing nach der verlorenen Spange zu suchen an.

Nicht wenig erschrak er, als er nebenan den lebhaftesten Wortwechsel vernahm. Der kaiserliche Rat schien sich mit seinem Besuch überworfen zu haben. Er hörte Zornausbrüche, wie sie ihm aus dem Munde des zwar leidenschaftlichen, in der Regel sich aber beherrschenden Mannes noch nicht vorgekommen waren. Nun bereute er, unten nicht gefragt zu haben, wer beim Rat zum Besuch zugegen war. Besonnene Überlegung hätte ihm sagen sollen, daß er besser tun würde, sich nicht allzulange zum Zeugen eines so aufgeregten Gesprächs zu machen.

Aber die Nestel lag ihm am Herzen. Er suchte wiederholt danach. Darüber glaubte er die Stimme des einen der Sprecher zu erkennen; es war die des alten Hans Honold. Bald auch erinnerte er sich, die dritte der streitenden stimmen schon auf dem Kontor gehört zu haben. Er hätte für gewiß annehmen mögen, daß Jakob Hörbrot, der reiche Kürschnermeister, zugegen war. Nur noch eines kurzen Aufhorchens bedurfte es, um seine Vermutungen bestätigt zu erhalten. Aus dem Streit kam heraus, daß Honold wegen seiner Tochter Regina erschienen war. Hörbrot war vor Jahren beim Verlöbnis mit Anton Paumgartner von seiten der Braut ein Verspruchszeuge gewesen. In dieser Eigenschaft hatte er Reginas Vater begleitet.

Sollte etwa Hans Pfister die Flucht Reginas verbreitet, sie ihrem Vater erzählt haben –? von Ottheinrichs Lippen war gegen niemand eine Andeutung dieser mißlichen Dinge gekommen. Dann aber besann er sich, daß von Venedig selbst aus schon Mitteilungen über Reginas verschwinden eingetroffen sein konnten. Diese mochten den alten Honold bestimmt haben, am Wertachbrucker Tor auf dem Postamt Erkundigungen einzuziehen, die ihm dann von dem Taxisschen Personal mochten bestätigt worden sein. Hans Pfister selbst war schon wieder nach Italien zurückgereist.

Ottheinrich sah im Geist die nebenan spielende Szene vor sich, sah Hans Honold, den langen, hagern Mann mit den ernsten Gesichtszügen, Jakob Hörbrot, den behenden, immer lächelnden, in den gewandtesten Umgangsformen heimischen Rivalen der alten Geschlechter. Plötzlich vernahm er, daß er selbst genannt wurde, daß Honold und Hörbrot seinem Meister Haysermann soeben in der Zunftstube begegnet wären und diesen nach seinem Mieter, dem jungen Begleiter Reginas, befragt hätten, den sie geradezu beschuldigen wollten, der Flucht Reginas Vorschub geleistet zu haben.

Darüber mußte sich wohl der Reiz mehren, daß der Horcher sich nicht entfernte. Ls wurde ihm aber die Genugtuung zuteil, zu vernehmen, daß ihn sein Prinzipal von dem gegen ihn erhobenen Verdacht eines Einverständnisses mit Regina freisprach. Der kaiserliche Rat stellte überhaupt eine heimliche Entfernung seiner Schwiegertochter aus Venedig, eine Flucht in Abrede. Er erklärte, daß in wenig Tagen auch sein Sohn Antoni in Augsburg eintreffen würde, vielleicht käme sogar das Ehepaar zu gleicher Zeit an.

»Denkt ihr, daß ich euren Worten Glauben schenke?« rief Hans Honold. »Meint ihr, daß ich nicht wüßte, wie ihr, der Ehrbarkeit wegen, imstande sein könntet, sie beide unter ein Joch zu zwingen, wie Rind und Maultier? Mein Kind hat mich gekränkt, weil es auf die Wege der Finsternis und des Aberglaubens umgekehrt ist, die es zu wandeln bei mir verlernte. Aber wehe jedem, der ihm nur ein Härchen krümmt! Euer Sohn ist ein Bube, wie solches ganz Venedig weiß –«

»Mäßigt euch! Mäßigt euch!« lauteten die eingeworfenen Worte Hörbrots.

Der Rat antwortete nicht. Ottheinrich hörte nur am Knarren der Schuhe, wie sein Prinzipal, aufs leidenschaftlichste erregt, auf- und niederging. Endlich brach der Rat in die Worte aus:

»Ich sehe, ich kann unter euch nicht mehr leben –!«

»Herr Hans! Herr Hans! Sprechet doch nicht also!« fiel Hörbrot ein. »Seit ihr den Steuereid versagt habt und deshalb zu dem großherzigen Opfer gedrungen wurdet, zahlen zu wollen in die Steuer, was die Fugger zahlen, ist die Gemeinde euch mehr zugetan denn je zuvor! Mein kaiserlicher Herr Rat! Was sollte daraus werden, wenn Männer eures Namens die Stadt verlassen wollten, offene Sache mit unsern Widerwärtigern machten, uns unsere Drangsale allein zu überwinden überließen! Nimmermehr! Ich sage euch vielmehr offen, den gemeinen Mann ängstigt es, die Herren weichen zu sehen, die so viele Jahre hindurch in Glanz und Würde ihm Vorangeleuchtet haben! Glaubt es mir doch, so sehr auch die Verleumdung mein ehrlich Bekenntnis Lügen strafen wollte, ich sage euch, wahrlich es ist nicht gut getan, wenn man uns zwingt, die Ämter der Stadt an den gemeinen Mann zu bringen. Ich hasse die Rottierer, die es euch verübeln, daß ihr euch in der Gunst der Fürsten sonnt, euer Haus dem Adel und den Höflingen öffnet. Unsere Stadt lebt nur vom Verkehr der großen Welt. Und, daß ich es euch nochmals versichere, der dumme Haufe wird zaghaft, steckt die Besseren mit seiner Furcht an, wenn vom Abzug eurer Reichtümer, vom Verstummen eurer Weisheit und hohen Geltung vor Kaiser und Reich zu gunsten Augsburgs gesprochen wird. Da heißt's dann: Seht, daran sind nur die schuld, so sich unsere Freunde zu nennen so eifrig waren – als zu wissen Unsereins! Werden uns nun auf sotane Art die Leute zaghaft, so bleiben wir in allem stecken! Ich lege euch, wie ihr hört, ganz offne Rechnung, Hans Paumgartner! Haltet aus, ich beschwöre euch, und auch ihr, Honold, vertragt euch mit eurem Schwieger –!«

Ottheinrich hörte die kluge, gewandte, glatte Rede, in der Hörbrot Meister war. Im Honoldschen Wappen stand das Bild des Luchses. Weit eher hätte der Luchs für Hörbrot gepaßt und nicht bloß in Rücksicht auf seine Kürschnerei – den Kürschnermeister vergaß man ohnehin über seine Bildung; wie einst in Athen der Demagog Kleon die ergiebige Quelle seines Reichtums, den goldenen Boden seines Handwerks, eine Gerberei, von seinen Vätern ererbt hatte und im übrigen ein Mann von Bildung war, so auch Hörbrot, dessen Pelzhandel so tief unter ihm stand, wie unter den Fuggern deren Webstühle.

Aber Ottheinrichs Prinzipal lachte wild auf und rief:

»Zeigt ihr da einmal euer wahres Angesicht? den herben Grund eurer zuckersüßen Liebe? Die gemeine Furcht eures wankelmütigen Pöbels?«

»Was wir durch euren und euresgleichen Abzug an zeitlichen Gütern verlieren würden, das werden wir an ewigen wiedergewinnen, sage ich –!« fiel Honold ein.

Ottheinrich würde sich jedenfalls, wenn nicht die eigentümliche Aufbewahrung der Kleider an langen Ständern, die in dem engen Raum kleine Gassen bildeten, ihn gezwungen hätte, sein Suchen weitläufiger auszudehnen, jetzt entfernt haben. Aber beim Suchen mußte er die mehreren Reihen der Kleiderständer durchwandern und hörte demzufolge wider Willen.

Paumgartner schien um das Austragen seines auf Hohenschwangau gerichteten Geheimnisses besorgt zu sein. Nur mit gedämpfter Stimme fuhr er fort:

»Die Stadt zu verlassen ist nicht mein Wille! Was aber meine Kinder anbelangt, so muß ich sie nehmen, wie sie mir Gott gegeben hat –!«

Der Widerspruch der Wahrheit mit dem Brief des Erasmus, der soeben der Königin vorgelesen worden war und die ihm bereits von Haller von Hallerstein gemeldeten Entscheidungen wegen des Scheinankaufs und der Scheinbelehnung zur Folge gehabt hatte, war so auffallend grell, daß er auch ihm aufs Herz fallen und seine Stimme erzittern lassen mußte.

Hörbrot gewann die Oberhand.

Er fuhr fort:

»Man weiß es, die Königin Maria ist zunächst hier um des leidigen Mammons willen! Sie wird aber auch die Gelegenheit benutzen, soviel sie kann, unsere Teilnahme vom Schmalkaldener Bunde abzuziehen. Paumgartner! Wandelt nicht mit den Fuggern! Verwirrt uns die Welser, die Langenmantel, die Imhof nicht – nicht die Besserer und Furtenbach in Ulm! Haltet, wenn nicht am Evangelium, doch an der Freiheit deutscher Nation, die diesen Spaniern ein Dorn im Auge ist! Die Habsburger haben in Burgund und Spanien ihre deutsche Natur ausgezogen. Deutsch sind sie nach Brüssel gegangen, spanisch sind ihre Kinder von dort wiedergekehrt. Und noch eins! wenn sich König Heinz von England zu unserm Bunde schlagen will, warum wehret ihr ihm? Ihr, ihr, Hans Paumgartner, ihr tut solches! Durch Peutingers Sohn – er brachte es von Frankfurt heim – wissen wir, daß ihr durch eure Faktorei in Antwerpen um eine englische Schuld des Königs, der nicht einmal ein langsamer Zahler ist, sämtliches Londoner Gut in Beschlag legen lassen wollt und dadurch auf den gestrengen Herrn zu Windsor einen Druck ausübt, der dahin führen muß, daß ihn sein eigen Land bitten wird, ja von uns abzufallen –«

»Der blutige König schuldet mir zehntausend Kronen–« fuhr der Rat auf und verriet seinen Grimm über die Bekanntschaft Hörbrots mit einer Tatsache, die nur im stillen von ihm vorbereitet war und noch nicht einmal die Unterstützung der Königin gefunden hatte.

»Diese Schuld kündigt ihr nur, seit sich König Heinrich mit Luther ausgesöhnt hat und es den Unserigen, mit dem Evangelium, mit der wahrhaften Krone eurer Vaterstadt halten will!« fiel Honold ein.

»So aufsässig seid ihr dem Kaiser!« rief der Rat mit Hohnlachen. »Ihr, Herr Jakob Hörbrot, der ihr doch, wie ich vernommen, in euern berühmten Gärten, so mir leider noch immer zu besuchen versagt war, einen Tempel errichtet habt, an dessen Wänden die Bildnisse sämtlicher Kaiser abkonterfeit sein sollen? Ehrt ihr so die toten Majestäten in deutschen Landen, so schließet auch mit den lebenden Frieden –! Es könnte sonst die Stunde kommen –«

»Drohet nicht!« unterbrach Honold heftig.

»Wir sind auf jede Stunde gerüstet –!« warf Hörbrot dem Rat entgegen, der seinerseits vorzog, zu schweigen.

»Und das,« nahm Honold die strittige Frage noch einmal wieder auf, »das vernehmt in Gegenwart des weiland Verspruchzeugen meiner Tochter! Kommt Regina zu mir und ist sie willens, den Lügenwerken des Satans nicht ergebener zu sein als dem Geist Gottes und der heiligen Wahrheit seiner Apostel, so werde ich dafür sorgen, daß ihr die Erlösung zukomme, sich von einem Manne, den sie verachten muß, vor aller Welt und für immer zu scheiden –! Unser neu Ehegericht liefert in solchen Fällen jetzt kurze Arbeit –!«

Der Rat brach in eine Flut von Verwünschungen gegen die Neuerung der Ehelösungen, gegen das städtische Ehegericht und in Drohungen gegen Regina aus. Ottheinrich konnte nicht allem folgen, was er sagte, denn in diesem Augenblicke hatte er die verlorene Spange entdeckt. Unwillkürlich würde er seine Freude mit einem lauten Ausruf zu erkennen gegeben haben – der immer heftiger werdende Wortwechsel im Nebenzimmer hätte ein solches Selbstgespräch gefahrlos gestattet – wenn er nicht, von der Erde sich erhebend, wo die Spange, dicht am Türpfosten, gelegen hatte, bemerkt hätte, daß sich eben die Tür, die auf den dunkeln Gang führte, leise bewegte.

Schnell drückte er sich an die Kleiderreihen, die bergend über ihn hinwegfielen.

Immer mehr öffnete sich die Tür und Laux Beichling schlich herein. Auf den Zehen leise vorwärts schreitend, den Kopf mit seinem dünnen, rotblonden, gelockten Haar vorbeugend, über und über, vielleicht vom schnellen Laufen, erhitzt, ab und zu sich die Stirn trocknend und seine kirschroten, grell abstehenden Ohren an die Tür haltend, die das Zimmer vom Kabinett des kaiserlichen Rats trennte, schien er über seine Sicherheit in völliger Sorglosigkeit zu sein.

Drinnen hatte der Streit der Männer die Höhe der Erbitterung erreicht.

Beichlings Gebärden drückten das Behagen aus, jetzt vielleicht hinter die Geheimnisse zu kommen, deren Mitwisser ihm der so bevorzugte Ottheinrich Stauff geworden zu sein schien.

Der Rat lachte wieder hell auf. Sein Unmut über das Bekanntwerden der regellosen Führung seines zweiten Sohnes, sein Widerspruch gegen jede Maßnahme, die der Welt hätte ein Aufsehen geben müssen, lag ihm allein am Herzen. Aufs Neue setzte er die Notwendigkeit auseinander, daß sich Regina und Antoni um jeden Preis versöhnen müßten.

Als er nun Pläne andeutete, die er gezwungen wäre, auf die Einigkeit seines Hauses zu begründen, da war für Ottheinrich die Gefahr, in welche die Geheimnisse des Hauses durch den Lauscher gerieten, so erwiesen, daß er nicht einen Augenblick länger ungewiß blieb, was er hier zu tun hatte. Leise schritt er vor, rief mit unterdrückter Stimme: »Spitzbube, horchst und verleumdest du?« schüttelte den zum Tode Erschrockenen ein paarmal kräftig und warf ihn, ohne daß das Geschehene nebenan hörbar werden konnte, auf den dunkeln Gang hinaus, an dessen äußerstem Ende des Schreibers Zimmer lag.

Er selbst aber begab sich, die Spange in seiner Brusttasche über dem stürmisch klopfenden Kerzen bergend, in die unteren Geschosse des Hauses.

Noch seiner Sinne nicht mächtig, hörte er ein Lachen hinter sich her, das ihn aufhielt. Er wandte sich um.

Aus den Zimmern des ersten Stockwerks trat ihm Mutter Felicitas entgegen und sprach, als er eben die Stiege hinuntergehen wollte, in einem Ton, der ihm durchs Herz schnitt:

»Ei, ei, Staufferle! Lieb Staufferle! Was muß ich denn von euch hören –?!«

Atemlos noch und beinahe unvermögend, zusammenhängend zu sprechen, sah er die Matrone verwundert an.

»Tretet doch näher,« sagte die Großmutter, »daß euch auch Kunigunde Glück wünsche –!«

Mit gemachter Höflichkeit, immer knixend, lud sie ihn ein, den Saal zu betreten. Aus diesem glänzendsten der Prunkgemächer des Hauses war sie soeben gekommen. Hier, in der Fülle des Reichtums, unter Gold, Silber, Kristall, Seide und Samt, über dem schwersten persischen Teppich, in dessen Muster die Jagd der Diana eingewirkt war, stand er selbst wie Aktäon verwandelt. Denn Gundula, in köstlichen Gewändern, wie um Kopfeslänge gewachsen, stand vor ihm, sah ihn von oben bis unten mit dem Ausdruck unaussprechlicher Verachtung an und ließ auf ihm die dunkeln Augen zornflammend ruhen. Hierauf ging sie, spöttisch die Nase rümpfend und aufs neue in krampfhaftes Lachen ausbrechend, an ihm vorüber. Die Tür des Nebenzimmers, wo sie verschwand, schlug sie ebenso heftig hinter sich zu, wie vorhin, als sie in den Saal gekommen war.

»Ja, aber um Jesu willen,« fragte Ottheinrich, »was hat es denn wegen meiner?« Jetzt vernahm man von draußen, daß sich der Besuch, der beim Rat gewesen, verabschiedete und die Stiegen hinunterschritt.

Rasch legte Frau Felicitas die zum Vorplatz führende Saaltür an und gab Ottheinrich, der wie vom Donner gerührt stand, in kurzen abgerissenen Sätzen die Erklärung:

»Ei, das muß wahr sein! schon die lieben Küchlein, die soeben aus dem Ei gekrochen, gackern in so geschwinden Zeiten schon von Liebe! Wird denn auch die Hochzeit auf Kaufmannsstuben oder Zunftstuben – ich meine der Schneider – ausgerichtet werden?«

»Aber wie sprecht ihr, ehrwürdige Frau?« fragte Ottheinrich mit bebenden Lippen, nunmehr schon ahnend, worauf die Anschuldigung gehen sollte –

»Alles Heil wünsche ich euch!« fuhr die Ahne fort. »Hier aber segn' ich denn doch den Einfall der weiland Königin von Ungarn, daß sie mir die Mahnung um eine Kammerzofe auftrug, die ihr die Äbtissin von Sankt-Katharinen eine zu stellen versprochen hatte! Haha! Ja, ja! Die Mägdlein gehen jetzund lieber in die Kirchen als in die Küchen, sitzen lieber am Tischwinkel hinterm Hochzeitsreis mit Weinbeerl'n und Zimmet drauf als am Waschtrog!«

Während Ottheinrich noch wie träumend stand, klopfte der alte Schneehuhn an die Tür, blickte herein und meldete, daß der Stauffer vom kaiserlichen Rat zu sprechen begehrt würde.

»Gehet, gehet!« sagte die Matrone bitter lachend. »Lasset euch von meinem Sohn sein Einstandsrecht heimzahlen, daß er euch ganz freigebe, euch auch nicht wieder auf Reisen verschicke mit zween unschuldigen Knäblein, während ihr, schon ein gemacht Männchen, obwohl auch erst mit zween Flaumfedern ob der Lippen, bereits an die Aufbringung der Hochzeitssteuer denket –!« Sie nickte dem horchenden Schneehuhn zu, in dessen Beisein sich Ottheinrich über den Jammer dieser ungerechten Anschuldigung nicht auszusprechen wagte, und entfernte sich.

Ach, mit wie anderen Empfindungen stieg Ottheinrich jetzt die Stiege hinauf zur Zwiesprache mit seinem Herrn und Meister, als vor drei Monden, da ihm Gundula so liebevoll ihre Teilnahme verraten, Beichlings Neid ihn noch nicht so bis auf den Tod verwundet hatte –! Bewußtlos war er auch damals gewesen. Aber jetzt hob sich ihm die Brust nicht vor Wonne, sondern vor bitterstem Schmerz.

Auf des nach Selbstbeherrschung ringenden Rates sich zur Freundlichkeit zwingende Frage, er sähe bleich aus, ob er sich in der gestrigen Abendluft erkältet hätte, hauchte er, den zum Sitzen dargebotenen Sessel festhaltend und sich langsam niederlassend, nur ein leises: »Es wird vorübergehen!« und versuchte hierauf die vollständigere Berichterstattung über die Ergebnisse seiner Reise, als solche gestern zu geben möglich gewesen.


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