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VI.
Heimfahrt.

1. Wieder in der Waldfamilie.

Die «Doktorin» und ihre «Krankenkasse». – Hochzeit vierter Klasse. – Waldspaziergang. – Botanischer und kulinarischer Unterricht. – In den Basalthöhlen.


Die «Doktorin» und ihre «Krankenkasse».

Als wir von unserm Besuch «ad limina» aus «Ewigenstadt» in unser trautes Waldnazareth zurückkehrten, fanden wir dort alles im vollen Alltagsbetrieb.

Zwei Frauen kamen eben aus dem Busch, einen großen Korb voll Föhrenzapfen an einer Stange tragend, die ihnen mit einigen Kupferstücken entlohnt wurden. Es macht für sie einen hübschen Nebenverdienst und versorgt uns mit Brennmaterial.

Die Krankenschwester empfing uns mit triumphierender Miene. Ihr Geschäft blühte: mehr als 40 Patienten im Tage, und das alles ohne Reklame, in so kurzer Zeit, und immer noch im Steigen!

«Schwester, Sie haben sich wohl verzählt,» meinte lächelnd meine Begleiterin, «denn woher sollen diese vielen Leute kommen?» –

Aber sie wies stolz auf ihre «Krankenkasse», ein Kistchen mit Kupfermünzen, über 600, macht also 120 «zahlende» Patienten, ohne die Armen, die sie, wie jeder edeldenkende Doktor, kostenlos behandelt.

Die Missionsleitung hat nämlich, den hiesigen Verhältnissen Rechnung tragend, verordnet, daß jeder Kranke für Behandlung und Medizin eine Mindesttaxe von 5 Tungtzien bezahle. Der Hauptgrund ist ein erzieherischer, denn was in China nichts kostet, wird auch nicht geschätzt.

Die Leute zahlen gern und befolgen dann auch umso gewissenhafter die ärztlichen Verordnungen, kehren auch wieder zurück zur eventuellen Weiterbehandlung, denn sie haben ja bezahlt und besitzen ein Recht darauf, das sie nicht leichtfertig preisgeben.

So wird der Kontakt mit der Mission ein nachhaltigerer. –

Uebrigens wird das eingezogene Kupfergeld von den Schwestern hernach in Silber «aufgewertet» zur Nachfüllung der Arzneibestände. –

Hochzeit vierter Klasse.

Vor dem Tore hielt, auf Waldpfaden herkommend, ein anderer Zug. Es waren ein paar Männer mit einem farbenbunten Ehrenschirm, roten Wimpeln und Fahnen, Posaunen und Zimbeln – zwei taktschlagende Kupferdeckel. – Sie brachten auf zwei umgekehrten rotgestrichenen Tischen Brautgeschenke.

Auf denselben improvisierten Tragbahren nahmen sie nachher die Brautausstattung mit fort.

Es war eine Hochzeit «vierter» Klasse.

Eines unserer Waisenmädchen, das tagszuvor in der Kirche getraut worden, nachdem es aus der Schar seiner Gefährtinnen, unter denen es sich versteckt, herausgeholt und von den Brautjungfern auf den Betstuhl neben ihn, einen vor acht Tagen getauften Burschen, geschoben worden war, sollte heute heimgeführt werden.

Das Tor war verschlossen.

Der Zeremonienmeister pochte und bat um Einlaß. Umsonst!

Endlich öffnete die Pförtnerin ein wenig: es flogen Nüsse und Orangen herein. Ein weiteres Pochen, und dann öffneten 200 Sapeken das Tor vollends!

Das Sprichwort vom goldbeladenen Esel, der Mauern übersteigt, hatte sich wieder einmal bestätigt, wenn auch nur in Kupferwährung.

Von droben aber schrie die Braut, die schon drei Tage vorschriftsmäßig geweint, ein paar energische Worte herunter: sie gehe nicht mit! und heulte weiter, dieweil sie trotzdem ihre Toilette fertig machte ...

Die Ehrendamen brachten sie «mit Gewalt» herab.

«Jetzt sind die Siudau (Schwestern) gekommen, und ich geh fort! ich Undankbare!» das war der beständige Refrain.

Im Vorbeigehen nahm sie nochmals Abschied vom Pater und von uns, ließ sich unter heftigem Sträuben in die rote Sänfte drücken, und nun ging's los mit lustiger Musik und neuem Weinen: «Ich muß fort ... ich muß fort!» ...

Die andern Mädchen standen umher, und manche mag sich gefragt haben, wann sie an die Reihe käme ...

Auch wir dachten an unsere baldige Abreise, die in zwei Wochen erfolgen sollte, mit aufrichtigem Schmerze, der immer größer wurde, je inniger wir unsere Kinder sich an uns schmiegen sahen.

In den Basalthöhlen.

Zweimal machten wir mit ihnen in der näheren Umgebung einen kleinen Spaziergang. Sie waren ganz zutraulich und zeigten uns mit stolzer Freude die Schönheiten ihrer Heimat, die fremden Blumen, die eßbaren Kräuter, Knollen und Wurzeln des Waldes.

Dann führten sie uns zu einer wilden Bergschlucht voll schwarzgrauer Basaltfelsen, mit vielen Klüften und Höhlen. Scherzend suchten wir uns sichere Verstecke, wenn einmal ein Räuberüberfall oder eine Verfolgung kommen sollte ...

Wer hätte damals gedacht, daß es einst noch ernst werden könnte! – Aber wir wollen den Geschehnissen nicht vorgreifen, und nun unsern Abschied und unsere Rückreise beschreiben.

Da wir auf schon bekannten Wegen zogen, so werden wir uns kurz fassen und nur einige neue Erlebnisse hervorheben.


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