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2. In der chinesischen Dreistadt.

Ein würdiges Denkmal für einen selbstlosen Bekenner. – Hankow, ein Meereshafen, tausend Kilometer vom Meere entfernt. – Allerlei Chinesisches über das Geld. – Die Erfinder der Banknoten.


Schnurstracks ging's ins Allgemeine Spital der Weißen Franziskanerinnen, wo unser Reisebegleiter P. Basil in der niedlichen Hauskapelle im Oberstock die hl. Messe las.

Beim Frühstück teilte uns die gute Mutter Oberin, eine geborene Elsässerin, manch nützliche Erfahrungen aus ihrem langen Missionsleben mit. Sie hatte auch die jüngsten bolschewistischen Wirren und deren nicht minder blutige Niederwerfung durch die nationalen Streitkräfte miterlebt. Was irgendwie kommunistisch oder «russisch» war oder aussah, – und Gott weiß, was die chinesischen Krieger und ihre Mitläufer unter «Russisch» alles verstanden –, das wurde kurz und radikal erledigt.

Die europäischen, besonders englischen Geschäftsleute waren von den fremden Kriegsschiffen zeitig weggebracht, die britische Konzession gewaltsam besetzt worden.

Die katholischen Missionare und Schwestern jedoch hielten ihre Posten, mußten aber ihre Anstalten nach «Russen» durchsuchen lassen. Jeder Einwohner wurde, mit der Pistole auf der Brust, nach seiner Nationalität gefragt.

Ein würdiges Denkmal für einen selbstlosen Bekenner.

Im Spital Melotto, das ganz unter chinesischen Nonnen steht, lag zufällig eine europäische Schwester typhuskrank darnieder. Nur mit Mühe und mit Hilfe des Ordenskleides konnten ihre Pflegerinnen die Russenfänger überzeugen, daß es keine Revolutionärin vom Leninschen Geist, sondern eine nützliche Kommunistin katholischer Karitas sei.

P. Angelico Melotto hätte wohl nie in seinem Leben gedacht, daß einst ein so geräumiges, modern eingerichtetes Spital seinen Namen tragen würde. Er war ein schlichter Sohn des hl. Franziskus, der jahrzehntelang als Missionär gewirkt und wegen seines sanften, frommen Wesens nicht nur die Liebe seiner Christen wie kein zweiter besaß, sondern auch bei den Heiden in höchster Achtung stand, ja sogar die Herzen der meisten seiner Räuber gewonnen hatte.

Kommunistische Banditen entführten den armen Missionär, um ein Lösegeld zu erpressen, das jedoch die Mission nicht aufbringen konnte, und von dem der Pater selbst nichts wissen wollte. Er sei doch schon alt und könne für seine Schäflein nicht mehr viel arbeiten, sondern nur noch leiden und sein Blut aufopfern. Fast drei Monate wurde der 62jährige Greis in den Bergen umhergeschleppt. Schon waren reguläre Truppen den Räubern auf der Spur, da ließen diese die Bahre mit dem kranken Opfer stehen und flohen davon. Doch der rohe rote Häuptling, erbost darüber, daß ihm der erhoffte Mammon entgangen, feuerte sein Gewehr ab und verwundete den Pater tödlich. Sein Wunsch war erfüllt, sein Opfer war angenommen: zwei Tage darauf starb er den Tod eines Heiligen, am 4. September 1923.

Als Sühne für die scheußliche Tat baute die chinesische Regierung das genannte Missionshospital, ein sinniges, segenspendendes Denkmal, das ausschließlich den eigenen Landeskindern zugute kommt. So ist das Bekennerblut nicht umsonst geflossen. Ja, in der Folge bekehrten sich sogar mehrere Räuber zu der Religion der Liebe, die sie in ihrem Gefangenen kennen und bewundern gelernt hatten.

Wir hatten leider keine Zeit, die Schulen und Waisenhäuser zu besuchen, obwohl in letztern Kinder aus Hwangshihkang untergebracht sind, welche die Kanossianerschwestern vor Jahren beim Umzug mitgenommen hatten.

Die Mission Hankow wird von italienischen Franziskanern betreut, unter dem Apostolischen Vikar Msgr Massi, einem Römer. Er hatte schon früher dringend um Schwestern gebeten, doch mußten wir ihn einstweilen auf später vertrösten.

Hankow, ein Meereshafen, tausend Kilometer vom Meere entfernt!

Hankow (oder Hankau), d. h. «Mündung des Han» ist zwar neuern Datums, aber im Ausland besser bekannt als seine beiden älteren Schwesterstädte. Es trägt ganz englisch-amerikanisches Gepräge mit großen Geschäftshäusern, Banken, Hotels, herrlichen Gärten und Anlagen, breiten Straßen mit elektrischen Trambahnen und Kraftwagen.

Vormals hatten alle größeren Staaten hier eigene Siedelungen wie in Shanghai, aber unter der nationalistischen Hochflut wurden sie weggefegt, die deutsche und russische schon während des Weltkrieges, die größte englische im Jahre 1927, sodaß z. Zt. nur noch die französische und japanische vorhanden sind, aber großenteils auch leerstehen.

Sein Emporblühen und seine Bedeutung verdankt Hankow seiner einzig günstigen Lage. Meilenweit ziehen sich die Werften und Warenschuppen an den Flußufern hin.

Es ist ein Flußhafen und Meereshafen zugleich und dank seiner Lage im Binnenlande ein Stapelplatz aller einheimischen und ausländischen Erzeugnisse. Sein Teemarkt ist der erste der Welt, trotz der riesigen Konkurrenz des dunklen Ceylontees. Der bekannte russische (gepreßte) Ziegeltee wächst in Zentral-China und wird in Hankow verhandelt. Ehedem wanderte er auf endlosen Kamelkarawanen durch Innerasien und Turkestan nach Rußland. Seit der Eröffnung der transsibirischen Bahn und dem vermehrten Dampferverkehr wird er großenteils auf neuen Wegen in die teetrinkenden Länder geleitet.

Wir hatten eben unser Tagesprogramm entworfen, als Msgr Espelage uns melden ließ, der Expreßzug fahre Punkt 4 Uhr von Wuchang ab. Eine Menge Geschäfte war noch zu erledigen, weshalb wir uns in zwei Gruppen teilten mit dem Treffpunkt in Wuchang.

Die einen hatten mit dem Missionsprokurator das nötige Reise- und Installationsgeld zu regeln.

Das ist nun noch lange nicht so einfach, wie man es in der Heimat gewohnt ist, wo man entweder mit einem Scheckbuch oder einer wohlgespickten, gut verwahrten Brieftasche sich auf die Reise begibt und mit den roten Füchsen oder bunten Scheinen wie mit Zauberkraft alle Hindernisse überwinden kann.

Allerlei Chinesisches über das Geld.

Im Reiche der Mitte braucht man natürlich auch Geld; ja China darf sich rühmen, schon Jahrtausende vor den Europäern Geld gehabt und auch die Banknoten erfunden zu haben, die anfänglich aus Bambusbrettchen bestanden. Doch wir wollen hier keine Geschichte schreiben, sondern nur die gegenwärtige Geldlage, wie sie jeder Reisende kennen muß, kurz darlegen.

In den letzten 30 Jahren hat sie eine ungeheure Wandlung durchgemacht, nicht zum Bessern, wie die alten Missionäre behaupten. Goldmünzen waren nie im Gebrauch, sondern nur Silber, und dies lange Zeit auch nur für den Auslandsverkehr.

Noch bis 1912 bestand für den einheimischen Geschäftsverkehr eine Bronzemünze, Sapeke oder von den Engländern Cash genannt, mit einem viereckigen Loch in der Mitte; der Wert betrug etwa ⅕ Pfennig. Tausend Sapeken an eine Schnur aufgereiht machten einen Diau (Ligature, Gebinde), etwa 2 Goldfranken aus.

Daneben kam dann eine Kupfermünze Tungdze oder Tungtzien auf, etwas größer als ein Soustück, die zu je 100 in ein Papier gerollt 1 Diau ausmachten.

Die Sapeke ist seit dem Weltkrieg, wenigstens im Norden des Reiches, fast verschwunden; die Kupfermünze sowohl mit dem alten Kaiserdrachen als mit den neuen republikanischen Emblemen besteht weiter.

Zu allen Zeiten benutzte man für größere Zahlungen ungeprägtes Silber in Kahn- oder Schuhform gegossen, dessen Gewicht in Unzen aufgeaicht war. Im Welthandel wird sie Taël genannt, von einem malaischen Maß und nicht von «Thaler», obwohl ihr Wert durchschnittlich sich mit dieser alten Münze deckte (3 Mk.). Diese Silberklumpen, gewöhnlich etwa 50 Taëls, sind noch heute im Gebrauch.

Mit dem steigenden Handelsverkehr kamen auch geprägte Silberdollars in Umlauf. Zuerst wurden sie einfach von Mexiko übernommen (Mex. Dol.) und genau nachgeprägt, später wurden auch eigene Prägungen vorgenommen, mit chinesischer und englischer Inschrift und dem Kaiserdrachen oder dem Bilde des republikanischen Präsidenten u. a.; daneben zirkulierten gleichberechtigt noch die von Hongkong ausgegebenen Silberdollars, die Britannia mit dem Dreizack tragend.

Post, Telegraph, Zollverwaltung, Bahn- und Schiffsgesellschaften, rechnen heute ausschließlich mit dem Silberdollar, dessen Wert natürlich sehr schwankt. In normalen Zeiten beträgt er die Hälfte eines amerikanischen Dollars, ist aber infolge der Silberentwertung sehr gesunken.

Wenn der chinesische Bauer auf den Markt geht, so nimmt er natürlich auch seinen Geldbeutel mit, den er aber wohlweislich nicht in die Tasche steckt. Die gewöhnliche chinesische Geldbörse ist nämlich ein richtiger Sack aus starkem Zwilch, mit mehreren Fächern, der über der Schulter hängend getragen wird und neben den Kupfermünzen oder Silberklumpen auch Mundvorräte und andere Sachen enthält, wie ein altmodischer Bettelsack oder der Zwerchsack eines Sämanns.

Die Erfinder der Banknoten.

Weil das Metall so schwer und unhandlich ist, kam der Chinese schon früh auf den Gedanken, Geldscheine einzuführen. Jedes Geschäftshaus, jede Handelskammer kann ihre Banknoten ausgeben, die aber nur solange und soweit Kurs haben, als der Kredit der betreffenden Firma reicht, d. h. nur am Orte selbst, wo die Inhaber Tag für Tag ihre Interessen kontrollieren können. So kommt es, daß jeder Marktflecken, größere Städte sogar mehrere Privatbanken mit eigenen Noten haben.

In den ausländischen Konzessionen der großen Handelszentren bestehen auch europäisch organisierte Banken, die sich meist an die heimischen Nationalbanken anlehnen und daher durchweg solider sind.

Ihre Noten, auf Silberdollars lautend, tragen englische und chinesische Inschrift und haben gewöhnlich Sichtkurs in der betreffenden Stadt und deren weiterer Umgebung, ja können gegen mäßigen Diskont in den verschiedenen Handelsplätzen Ostasiens verhandelt werden.

Auch die chinesische Regierung versuchte wiederholt, sog. Staatsbanken mit überall gültigen Noten einzuführen, aber sie fanden noch weniger Kredit als die Privatinstitute und krachten bald zusammen.

So gibt es kein Papiergeld, das im ganzen Lande Kurs hätte, weshalb man sich für längere Reisen mit Silberdollars versehen muß. Anfangs schien das den beiden Schwestern, die sich mit der Geldbörse abzugeben hatten, eine weiter nicht zu beachtende Kleinigkeit. Sie machten aber eine ganz andere Miene, als sie den Haufen Silbermünzen zu je 18 gr. unterbringen sollten. Das machte jeder doch etliche Kilogramm aus, sodaß sie schwerbepackt und unter größter Vorsicht, – da jedermann ihnen die teure Last ansehen mußte, – sich auf den Weg nach Wuchang machten.

Zum Glück hatte sich mittlerweile P. Ulrich zu uns gesellt, derselbe der, wie seine Mitbrüder ihn neckten, 23 Tage ein Banditenleben geführt, und half uns unsere letzten Geschäfte erledigen.


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