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4. Aus Glücksheims schmerzlicher Vergangenheit.

Eine praktische Erziehungsmethode. – Vergrämte Jugend. – Das letzte heilige Opfer. – Das Ewige Licht stirbt! – Traurige Oede an heiligem Orte. – Bange Nächte im schaurigen Waldesdickicht. – Umherirrend in Höhlen und Klüften. – Sonnenschein und Mutterliebe.


Nachdem wir dem Einfluß der Waisenhäuser auf die Christianisierung in seinen fernen Auswirkungen nachgegangen sind, kehren wir wieder zu unsern Kindern ins Alltagsleben zurück.

Wir finden hier eine Erziehungsmethode, die sehr beachtenswert und dem in der patriarchalischen Familie wurzelnden Volkscharakter angepaßt ist.

Jedes größere Mädchen hat 3-5 kleinere zu betreuen und zu überwachen beim Ankleiden, Waschen, im Speisesaal, in der Kapelle und überhaupt in der Befolgung der Hausordnung.

Das Ganze ist gleichsam in eine Anzahl kleiner Familien gegliedert, wodurch Disziplin, Ordnung und Gemütlichkeit harmonisch vereinigt sind, besser als in der bei uns üblichen Kollektiv- oder Massenerziehung.

Die Gruppenführerinnen verlieren ihre Schützlinge nie aus dem Auge, leiten sie langsam an zur Arbeit und Selbständigkeit, und das so liebevoll und unauffällig, daß die Kleinen gerne alles annehmen und befolgen.

So leben sich die größeren Mädchen gleichzeitig von selbst hinein in den Pflichtenkreis ihres späteren Berufes.

Wir werden daher nicht so unbedacht das erprobte System ändern, sondern ruhig beobachten und nötigenfalls verbessern und vervollkommnen.

Für das geistige Wohl der Anstalt ist trefflich gesorgt. Der Missionär ist ein wahrer Vater, dem die Kinder mit Ehrfurcht und Vertrauen entgegenkommen. Alle gehen täglich zur hl. Messe und Kommunion, und das ohne jeden Zwang. Wahrlich eine herrliche Oase christlichen Lebens mitten im Heidenland.

siehe Bildunterschrifr

Joseph, der brave Gärtner von Hwangshihkang

siehe Bildunterschrifr

Reis-Ernte

Vergrämte Jugend.

«Glücksheim!» – War dein Name immer wahr?

Leider nicht. Denn bitterschwere Schicksalsschläge haben dich noch jüngst getroffen und tiefe Wunden dir gelassen, nicht allein am Hause, sondern noch mehr an seinen Bewohnern.

Die anfängliche scheue Zurückhaltung war zwar mählich einem kindlichen Zutrauen gewichen. Die Mädchen sahen und fühlten täglich mehr, daß wir nur für sie da waren.

Eines aber fiel uns auf: ein tiefer, weit über ihr Alter hinausgehender Ernst zeigte sich in ihrem ganzen Benehmen, ein Zug von Trauer lag, wie düstrer Wolkenschatten, auf ihren jungen Seelen. Nur die Kleinsten trollten froh umher und lachten sorglos in die Welt, zu unserer größten Freude.

Lange forschten wir nach dem Grunde dieses auffallenden Gegensatzes, denn quälend ist's für Mutterherzen, schuldlose Jugend früh vergrämt, gebeugt, geknickt zu sehen.

Endlich erfuhren wir vom Pater die traurige Geschichte von herben Leidenstagen und schrecklicheren Nächten. Es war vor fast drei Jahren, als unsre ersten Schwestern noch in Shanghai wie Verbannte bangten, vergebens sich nach Hunan sehnend. Hunan, das verschlossene, war ganz vom Krieg zertreten, vom wilden Kriege roter Banden. Der Bolschewismus schwang das Szepter, allenthalben Raub und Blut.

Die Glaubensboten mußten fliehen; selbst Fukiatsung, das waldverborgene, bot keine Freistatt mehr. Die roten Rotten zogen näher. Die Anstalt mußte aufgelöst, die Kinder auf die Familien der Nachbarschaft verteilt werden.

So hatte der Missionsobere, Msgr. Großrubatscher, beschließen müssen. Ihm selber brach das Herz: er ruht jetzt aus im Waldesfrieden, drüben an der Bergeshalde.

Das letzte heilige Opfer.

Es kam der erste Mai 1927. Kindlich fromme Hände hatten reiche Blumenspenden in Feld und Hain gepflückt, die Maienkönigin zu ehren.

Ihr Altar war zur Hälfte fertig; zur Hälfte nur, und doch zu weit! Es drängten andere Sorgen.

Denn wie vor einem Steppenbrand, so hatten sich von fern und nah die Schäflein aus dem ganzen Land um ihren Hirten bang geschart – – zum letztenmal.

Das Gotteshaus war angefüllt wie nie zuvor.

Jedoch erscholl kein einziges Marienlied.

Alles tritt zum Tisch des Herrn, empfängt das Brot der Starken. Tränen perlen auf den Wangen. Die Danksagung ist stumm und stille, verhaltenes Schluchzen nur und schmerzlich schweres Seufzen.

Das hl. Opfer geht zu Ende, das letzte ...

Die Kerzen werden ausgelöscht, der graue Qualm verfliegt. –

Der Priester faltet die Gewänder, verstaut die heiligen Gefäße – in einen Reisekoffer! ...

Aller Augen sind auf ihn geheftet.

Jetzt wankt er langsam hin zur Kirchenampel.

Das ewige Licht stirbt!

Das rote Lichtlein flackert, zittert, fleht um Gnade ...

Atemlose Stille! – – –

Ein leiser Hauch: es brennt nicht mehr! – – –

Doch jetzo bricht der Bann: ein allgemeines lautes Weinen, Wimmern, Weheklagen, herzerweichend! – –

Ach! sie verstanden nur zu gut, die armen, lieben Kleinen, was dieses Licht bedeutete!

Leer ist jetzt der Tabernakel, das Heiligtum verödet, sonnenlose Finsternis, ein langer düsterer Karfreitag! –

Nun fühlen sie sich ganz verwaist, ohne Jesus im Sakrament, und bald auch ohne Priester, ohne Vater ...

Dem Missionär, der tränenlos den Weltkrieg miterlebt, rollten Tropfen, dicke Tropfen in den Bart. Er weinte, weinte Mannestränen!

Es war die schwerste Stunde seines Lebens. –

Der Hirte mußte fliehen. Ob er je wiederkäme? –

Die armen, armen Waisen! – –

Entmenschte Banden kamen, stahlen, plünderten, zerstörten Hab und Gut der Armen: zum Glück jedoch kein Leben. –

Traurige Oede an heiligem Orte.

Tot, vereinsamt lag die Stätte, ein « Unglücksheim

Nach Monden endlich konnten die Missionäre zurück auf ihre Posten, die Waldfamilie wieder sammeln.

Es kamen zwar noch dreimal verwilderte Soldaten, gemeines Raubgesindel, und schleppten fort, was sie nur schleppen konnten; doch es kam nicht mehr zum Aeußersten.

Besonders bitter wurde der Verlust der drei Büffel empfunden, die noch nicht ersetzt werden konnten.

Bange Nächte im schaurigen Waldesdickicht.

Vor den Rohlingen mußten die armen Kinder oftmals in den Wald sich flüchten, im Dickicht sich verborgen halten, dem gehetzten Rehe gleich, in langen, finstern Nächten, unter strömendem Regen, zitternd vor Angst und Schrecken, gequält von Hunger und Kälte.

Umherirrend in Höhlen und Klüften.

Der Pater selbst, auf den die Räuber besonders fahndeten, schlief wochenlang in Felsenhöhlen und zerfallenen Ruinen, bis seine Nervenkraft gebrochen war Es war P. Karl Bilgermeier, der, nach glücklicher Genesung in der Heimat, demnächst wieder auf sein Arbeitsfeld zurückkehrt.. –

Nach diesen Ereignissen, die sich in den letzten 2-3 Jahren abgespielt, verstehen wir des Hauses bittere Not und noch mehr die Leidensfurchen auf dem Antlitz unserer Kinder.

Arme Kinder! noch so jung und schon so schmerzensreich, wer sollte nicht das tiefste Mitleid mit euch fühlen? –

Unsere Sorgen, unsere Mühen werden nicht vergebens sein. Denn, wie der Pater uns versichert – wir sahen es bald selbst – so finden wir ein günstiges Erdreich vor, empfängliche Gemüter für alles Große, Schöne, Edle, die von der bösen Welt noch nichts gesehen als Berge, Bäume, Blumen und leider auch Banditen.

Nach wenigen Wochen ward es schon besser, der ausgestreute Same keimte, blühte.

Der Waisenvater selbst stellte es mit Freuden fest, daß die Gesichter sich erheiterten, die Herzen sich erweiterten und Hoffnung, Frohsinn, Lebensfreude die kleine Schar beseelte: das Auferstehen zerknickter Blümlein, nach Hagelschlag und Wetternacht.

«Wir taten für die Kinder, was wir konnten,» schloß der Pater, «betreuten, hegten, pflegten sie; nur zwei Dinge konnten wir ihnen nicht geben, zwei Dinge, die erst ihr Schwestern mitgebracht:

Sonnenschein und Mutterliebe! ...»

Mutterliebe und Sonnenschein! –

O, welch himmlisch schönes Amt der Missionärin, mit dem Sonnenschein der Mutterliebe das düstere Dasein armer Kinder aufzuhellen! Herrlicher Beruf, der tausendfältig jedes Opfer lohnt! –

Möge der geheimnisvolle Strahl des Sonnenherzens Jesu in vielen hochgesinnten Jungfrauen diese heilige Mutterliebe zu seinen Lieblingen entzünden und entflammen zu ihrer und anderer Seligkeit, in Zeit und Ewigkeit.

Mutterliebe und Sonnenschein – sie schaffen hienieden und droben ein «Glücksheim»! ...


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