Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Zwanzigstes Kapitel.

Auf Skaney, in des Wallbrand-Sohnes schöner Wehrfeste, haben sie mitsammen beym Hochzeitmahle gesessen, obenan, auf einer Seite der Tafel, Illugi und seine Söhne; ihnen gegenüber Thorstein und sein Schwiegersohn Rafn, der Skalde.

Die Sitte und die hausväterlichen Verhältnisse auf Island bestimmten Alles sehr genau bey solchen Gelegenheiten, und hatte da der Hochzeitwirth nichts abzuändern Macht.

Man kann wohl denken, wie Illugi und seine Söhne von der Einen, und Thorstein und Rafn von der andern Seite sich wechselseitig nicht allzufreundlich ansahen.

Das jedoch galt nicht für Gunlaugur mit. Der blickte nur immer, alles Andre auf der Welt vergessend, nach dem Hochsitze empor, wo 145 Schön-Helga neben der Braut zwischen den andern edlen Frauen saß.

Immerfort funkelten Gunlaugurs Blicke da hinauf, und bisweilen ward es ihm zu Sinne, als ob Schön-Helga's Augen ihm wehmuthvoll aber unaussprechlich lieblich entgegenfunkelten, so daß er an einen Skaldenspruch denken mußte, der heißt:

»Wenn durch Wolken Sonne bricht,
Meinst du, Wiese merk' es nicht?«

Gunlaugur hatte sich so köstlich geschmückt, daß auch wohl noch andere Frauenblicke, als Schön-Helga's Augen, sich nach dem weitberühmten, obgleich nicht eben schönheitglänzenden Kämpfer hinwenden mochten. In dem köstlichen Scharlachmantel, den ihm vormahlen König Sigtryggur verehrt hatte, war er erschienen, und dabey leuchteten seine Waffen von reicher Pracht, und er selbst erwies sich in seiner tiefen und starken Seelentrauer gar edelstolz und still.

Durch keinen wilden Ausbruch verstörte er die Freude des Festes, und sprach kein Wort zu Schön-Helga während all der Feyertage, wie er denn überhaupt nicht mehr dabey sprach, als er mußte.

146 Aber am Morgen, wo die Festgesellschaft auseinander gehen sollte, und die Frauen sich trennten, um Jedwede ihr Gepäck für die Heimfahrt zu ordnen, geschah es, daß Gunlaugur – nicht durch seinen, nicht durch der Geliebten Willen, sondern wie durch ein räthselhaftes Geschick eingefangen – plötzlich an einer entlegnen Stelle des Baues der schönen Gattinn seines Feindes allein gegenüber stand.

Da haben sie lange und weichmüthig zueinander gesprochen, alle die Wonnen und alle den Jammer einer auf Erden geschiedenen und für die Ewigkeit unverlierbar fortblühenden Liebe süßschmerzlich empfindend.

Endlich, schon dem Scheiden nahe, sang Gunlaugur:

»Ach du, des Sängers Freude
    Im reinen Liedesgeist,
    Was will das Dorngestäude,
    Das schmerzlich dich umkreis't?
    Könnt es ein Schwert durchhauen,
    Da gält' es freud'gen Krieg!
    Doch heil'ge Wolken thauen,
    Und hemmen Schlacht und Sieg.«

147 Er verstummte einige Augenblicke hindurch, bald nach dem Himmel und bald nach dem Boden schauend. Helga weinte still, und winkte ihm mit der wunderschönen Hand, daß er von hinnen gehen solle. Und er wollte auch gehen, wie sich das auf einen solchen Wink von selbst versteht.

Aber da kamen die Gunlaugursknechte mit seinem Gepäck aus der Halle, um die Saumrosse damit für die Heimfahrt zu beladen, und obenauf schimmerte das leuchtende Goldkleid, ihm ehemahl durch den lieben greisen König Ethelred von Britannia verehrt.

Das nahm er von dem Gepäck, breitete es zu Schön-Helga's Füßen aus, und sang, nachdem er die Knechte von hinnen gewinkt hatte, selbst vor der Herrinn niederknieend, folgendes Lied:

»Ich hatte dich erkoren,
    Du wunderholdes Bild!
    Ich habe dich verloren
    Durch Stürme wirr und wild.
    Doch wie auch Stürme walten,
    Hüll' du am Herdeslicht
    Dich still in diese Falten,
    Und – Lieb! vergiß mein nicht!«

148 Sie nahm das Kleid, und warf es mit anmuthiger Gewandtheit über ihre Schultern, so daß es um die schöne Gestalt herfloß, als sey es gar eigen und kunstreich für sie gefertigt.

Dann nickte sie noch Einmahl wehmüthig dankend dem Gunlaugur zu, und verließ die Halle. 149

 


 


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