Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Sechs und zwanzigstes Kapitel.

Als Gunlaugur vor seinem edlen Meister Thorstein erschien, waren Beyde viel freundlicher gegeneinander gesinnt, als um einige Stunden früher. Eine ähnlich mildernde Ausgleichung pflegt wohl überhaupt manchmahl ganz unversehens unter uns Menschen statt zu finden. Ja, erfahrne Leute haben schon behaupten wollen, es wäre ohnedem gar nicht auszuhalten auf der Welt.

So viel ist gewiß: Thorstein und Gunlaugur gingen seit jenem Tage lange vergnüglich nebeneinander durch's Leben, ohne daß von der Hauptangelegenheit, welche zwischen Beyden zu verhandeln war, etwas Deutliches zur Sprache gelangen konnte.

Da fragte unter Anderem einmahl Thorstein seinen jungen Gast:

189 »Willst Du mit mir ausreiten, meine Stutereyen in Langawas-Thal zu beseh'n?«

»Recht gern!« sprach Gunlaugur. Und sie ritten mitsammen dahin.

Sie fanden sehr schöne Pferde, und das beste Roß aus ihnen both Thorstein seinem jungen Gast zum Geschenk an.

Da entgegnete aber Gunlaugur wehmüthig – denn er dachte nun daran, daß er bald auf sehr lange Zeit aus Schön-Helga's Nähe scheiden sollte, und ohne ihr verlobt zu seyn:

»Behaltet Euer schönes Roß. Was soll damit ein Mensch, der bald das hölzerne Seeroß besteigen wird, um damit nach den fernsten Gegenden hinauszuschiffen, auf Nimmerwiederkommen vielleicht! Behaltet Euer schönes Roß,«

»Ey,« sagte Thorstein ganz verwundert, »so ist es denn wirklich Ernst mit der Gunlaugur'sfahrt? Schon manchen kühnen Menschen, Greis oder Mann oder Jüngling, sah ich von uns'rem Eiland in die fremde Welt hinaussegeln. Und dann waren solche Leute Mondenlang vorher geschäftig, ihr Schiff zu bereiten, ihre Waaren einzukaufen und einzuladen, und ihre guten Waffen zu schleifen. Ihr dagegen findet Tagelang Zeit, mit meiner Tochter Helga Schachtafel zu 190 spielen, oder ihr Lieder vorzusingen, und was es der ehrbarlichen Zeitvertreibe in meiner Halle sonst noch gibt. Legt's mir für keine Unhöflichkeit aus, daß ich als Hofbesitzer Euch daran erinnere. Ihr wißt, Ihr seyd willkommen an meinem Herd, und gern geseh'n zu jeder Stunde. Nur was Eure Meerfahrt betrifft, da muß ich Euch bekennen: Ich hätte mir den raschen Illugi'ssohn dabey munt'rer und thätiger gedacht.« –

Gunlaugur sagte mit verfinsterter Stirne:

»Denkt über mich, wie Ihr könnt und wollt. Lieber wäre mir's: günstig. Ob es aber auch ungünstig sey, ich muß es mir gefallen lassen und mich d'rein finden. Was jedoch meine Vorbereitung zur Fahrt betreffen will, so erwäget: Mein Vater hat das Schiff zur Hälfte für mich erkauft und belastet. Oedun, der Eigner, übernimmt den Bau und die Einschiffung zu vollenden. Thorkill, den ich damahls wegen der Erbschaftsache vertrat, will mich begleiten und für Alles sorgen, was noch etwan rückständig wäre. Da wär' ich doch also wohl ein rechter Thor, wenn ich mir die letzten freudigen Stunden auf der lieben Vaterlandsinsel mit unnützen Sorgen 191 verkümmerte. Nicht wahr, mein edler Meister, Ihr seyd der Meinung auch?«

»Wir wollen's künftig näher in Erwägung ziehen!« antwortete Thorstein. »Für jetzt aber wollen wir noch Eins meiner and'ren Gestüte mitsammen beseh'n.«

Sie ritten hin. 192

 


 


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