Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Dreyzehntes Kapitel.

Der Gunlaugur verlebte von da an sehr schöne Tage in der Lundunaburg, und blieb auch während des ganzen nächsten Winters dort, weil es daselbst allerley Rühmliches zu schaffen gab, theils auf kühnen Waidmannsfahrten, theils gegen Seeräuber, die bisweilen an den Küsten zu landen wagten, theils auch gegen manchen überkecken Menschen auf dem Eilande selbst.

Dabey lernte der edelkühne Jüngling immer mehr an seiner Sitte, und vielleicht wär' es möglich geworden, daß die zarte Liebe ihn aus Jungfrauenaugen gegrüßt hätte, welche früher hinter den Fenstervorhängen Zeugen seines Siegerkampfes über den wilden Thorgrimur wurden.

Daß jedoch die züchtig ernste Frauenweise des Nordlandes dergleichen nie vernehmlich werden läßt, bevor ein edler Rittersmann darnach 92 werbe mit Wort und Gesang und That – wem braucht es erst verkündet zu werden, dem jene edelstolze Sitte auch nur Einmahl erschien! – Aber zuweilen gestalteten wohl sich Träume zu leisen Hoffnungen in Gunlaugurs glühender Skalden- und Jünglingsseele. Wenn dann indessen Schön-Helgas Bild vor ihm emporstieg, wie sie, in ihre schneeigen Schleyer gehüllt, auf der schneeigen Heimathinsel stand, und über die Meereswogen hinsahe, mit den sanftstrahlenden Augen, wie fragend:

»O Wellen, o Wogen, was sahet Ihr fern?
Wie wallt durch die Welt hin mein dienender Stern?«

Da pflegte er im Gesange zu erwiedern:

»Die Wellen und Wogen im wechselnden Schein,
Sie winken: Er wechselt nicht! Er ist Dein!«

Und dann stieg oftmahlen so eine freudige Liedesbegeisterung in seiner Brust empor, daß er wünschte, nun möge der vielgerühmte Skalde Rafn vor ihn hintreten, und sich mit ihm in den allerkunstreichsten und kühnsten Flügen des Gesanges versuchen. Ihm seye – so kam es ihm vor – ein herrlicher Sieg alsdann gewiß.

Aber Skalde Rafn erschien nicht während des 93 ganzen Winters in der Lundunaburg, und als nun der Frühling über die Lande hereinleuchtete, und die Schiffe hin und wieder segelten im lustigen Wechselverkehr, von Osten gen Westen, von Mittag gen Norden, da konnte Gunlaugurs rascher Seefahrergeist nicht länger rasten, und der Jüngling trat eines schönen Tages vor König Ethelreds Thron, folgende Worte zum Harfenklange singend:

»Die Schwäne fliegen, die Schwalben kommen,
    Die ganze Welt ist in Freud entglommen!
        Der Skalde muß reisen!

Die Lieder erwachen vom Winterschlaf,
    Wie der eisige Bach, den ein Sonnenpfeil traf.
        Der Skalde muß reisen!

Die Waffen in den Kammern, die klirren auch.
    Es ist, als spürten sie Frühlingshauch!
        Der Skalde muß reisen!

Die Skaldenharfe, sie bebt vor Lust;
    Mehr noch die Harf' in der Skaldenbrust.
        Der Skalde muß reisen!

Und bliebe der Skald am Englandsport,
    Da riß ihn die Sehnsucht gen Himmel fort!
        Der Skalde muß reisen!«

94 »Freylich, freylich!« sagte König Ethelred lächelnd. »Zudem so bist Du ein freyer Mann, und Niemand hat Recht Dich zurückzuhalten, wenn Du selbst nichts findest, was Dich hier hält. Aber hält Dich denn wirklich so gar nichts an unserm Inselufer? Und wo willst Du eigentlich hin?«

Der Jüngling rührte abermahl seine Harfensaiten, und sang:

»Es blühen wohl Blumen in Lenzeslicht
    Am Englandsport! Für den Skalden nicht!
        Der Skalde muß reisen!

Wohin er will? Wer's ihm zu sagen weiß,
    Dem setzt er Waffen und Harfe zum Preis!
        Der Skalde muß reisen!

Es gibt der Fürsten und Grafen viel!
    An manchem Strande manch Waffenspiel!
        Der Skalde muß reisen!

Er hat sich verlobet zu mancher That,
    Nur noch geahnt in des Herzens Rath.
        Der Skalde muß reisen!

Einst blüht in der Heimath ihm stilleres Glück.
    Jetzt singt er nur immer das lustige Stück;
        Der Skalde muß reisen!«

95 »Da hat der Skalde Recht!« sagte der Englandsherrscher freundlich. »Absonderlich, wenn er noch so jung ist, wie Du, Freund Gunlaugur. So fahre denn frisch hinaus, mein fröhlicher Lenzesvogel, aber kehre mir auch dereinst wieder zurück, mich zu grüssen in meiner Halle. Willst Du das thun?« – »Dafern ich lebe, und nicht irgend ein heiliges Gelöbniß mich abwärts reißt«, sagte Gunlaugur, »so komm' ich von Herzen gern wieder, mein Herr König!«

Der König besann sich einige Augenblicke lang. Dann sprach er:

»Der grosse Julius Cäsar, von dem geschrieben steht, daß er einstmahlen Lust hatte, diese schöne Insel Britannia zu erobern, und wenn ihm das auch nicht sonderlich wohl bekam, so hat er doch sonst manch schönes Land auf Gottes Erdboden wirklich erobert; der liebte die Falken sehr, und wollte von dem edlen Geflügel gern den kühnsten Lüftebothen als sein recht liebes Eigenthum auszeichnen. Da ließ er seinen besten Falken mit einem goldnen Halsbande schmücken, und den Nahmen Julius Cäsar drauf eingraben. Weil nun die Falken sehr lange leben, weit länger als ein Mensch, ward auch spät, sehr spät nach seines Heldenmeisters Tode – denn nach 96 dem Tode ihres Herrn erachten sich diese Thiere allemahl für frey – der Juliusfalke wieder eingefangen. Die spätgebornen Menschen aber hatten Ehrfurcht vor des grossen Julius Nahmen auf dem Halsbande, und ließen den Falken wieder fliegen. Er mag wohl noch umherschweben bis auf diese Stunde, als ein Bothe an die Welt aus jener Heldenzeit! Du lieber Gunlaugur, mein Nahme ist nun freylich bey weitem so groß nicht und so fern verbreitet, als jener Kaisernahme. Aber gönne mir dennoch, daß ich Dich als meinen tapfern Liebling bezeichne durch ein goldnes Armband, und damit die Versicherung von Dir nehme, Du werdest mir auf Deiner Abentheurerfahrt wieder kommen, ehe Du nach der Heimathinsel zurücksegelst! Du kühner Fechter, und munterer Jäger, und edler Sänger, an allerhand fröhlichen Spielen so reich!« Da nahm der Gunlaugur das goldne Band von Herzen gern an seinen tapfern rechten Arm, und segelte bald darauf mit einem nordischen Kaufmannschiff, zu neuen Ereignissen und Thaten in das Meer hinaus, sein getreuer Thorkill ihm zur Seite. 97

 


 


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