Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Zwey und zwanzigstes Kapitel.

Nun erlernte auch Gunlaugur durch manche Stunde lang um so fröhlicher und tüchtiger die Rechtswissenschaft von Thorstein, so daß dieser seine Freude darüber kaum noch bergen konnte, was er doch öfters nach Kräften that, um das junge, ohnehin sehr kecke Herz nicht übermüthig zu machen.

Gunlaugur aber, welcher einen sehr klugen Geist in sich hatte, merkte dennoch, wie er dem Hausvater von Tage zu Tage lieber ward. Und so nahm er sich es denn zuletzt heraus, seinen liebsten, lange verschwiegenen Herzenswunsch durch einen raschen Streich zur Erfüllung zu bringen; so scheinbar halb im Spaß, und wirklich ganz im Ernst.

Dazu sah er einstmahl die Gelegenheit ab, als einige recht fröhliche Gäste bey Thorsteins 152 Herde zusammen saßen, und der Becher munter herum ging. Der Hausherr war in ausnehmend heiterer Laune, und so fing nun Gunlaugur seinen Spruch auf folgende Weise an:

»Vieles hast Du mich gelehrt in der edlen Kunst der Rechte, Du edler Meister Thorstein. Aber Eines davon ließest Du zurück, und gern noch heute zu Abend möcht' ich es erlernen.«

Thorstein entgegnete lachend: Du sprichst ein bischen dreist auf Du und Du mit Deinem Meister, mein lieber Gesell. Aber ein fröhlicher Abend just braucht nichts zu wissen vom allzustrengen Recht der hergebrachten Satzung. So künde mir denn auf Du und Du Dein Verlangen.«

»O, ich kann auch Ihr zu Euch sprechen, wenn Euch das vielen Spaß macht!« erwiederte Gunlaugur. »Doch lehrt mich das Eine, mein hochweiser Meister Ihr: »Wie muß ein Jüngling sich verloben mit einer edlen Braut?«

»Das ist ein leichtes Ding!« sagte Thorstein. »Man erfaßt die Hand des Mägdleins, tritt mit ihr vor den Hausvater hin, und spricht: »Siehe, so verlob' ich mich dieser Jungfrau, als der von mir geliebtesten auf aller Welt. Und gib sie mir zur Hausfrau, o Vater! und laß' ich je von 153 meiner Liebe zu ihr ab, so soll nicht Jung, nicht Alt, nicht alle Welt, mir je in Liebe trauen! Nicht Haus nicht Vater eines Hauses, nicht Frau, nicht Mägdlein, soll je in Liebe fürderhin mich grüßen. Und so, Hausvater gut, verlob' ich und vermähl' ich mich mit Deinem Kind.«

Gunlaugur aber sagte: »Erlaubt mir, daß ich's nachspreche, und dazu – um es recht natürlich zu machen – Eurer Tochter Helga Hand fasse, und mit dem holdseligen Mägdlein vor Euch hintrete.« »Wozu soll das Spiel?« sagte Thorstein halb lachend, halb verdrießlich. Gunlaugur aber hatte bereits der Jungfrau zarte Hand erfaßt, und sprach freundlich: »I so erlaube mir's doch nur!« »Meinethalb!« entgegnete der Hauswirth. »Doch sollen alle Anwesenden hiermit wissen, das gilt wie ungesprochen, und Du sollst Dir nichts Wunderliches darüber in den Kopf setzen.«

Gunlaugur dachte, »kommt mehr Zeit, kommt auch mehr Rath!« und hub an, die ganze Spruchweise dem Lehrer nachzusprechen, nachdem er Schön-Helga's Hand sehr zierlich erfaßt hatte, sie aus dem Hochsitz in der Halle, wo sie neben der Mutter saß, vor den Vater hinführend, der 154 jetzt, gar wunderlich bewegt, in seiner Gäste Mitten auf dem Hausflur stand.

Frau Jofridur blieb oben auf dem Hochsitze der Halle still. Ihr kam dieß alles vom Anfange her allzu ernsthaft vor für ein Spiel, und allzu leichtsinnig für Ernst. Und während Gunlaugur seinen Spruch anhub, ward ihr, als regten sich mit leisem Zusammenklirren – fast wie im heimlichen Geflüster – alle Waffen in der Halle, die uralten sowohl, als auch die noch funkelnagelneuen, erst für zukünftige Thaten geschmiedet und geschliffen. Dazu ging eine wunderliche Liedesweise durch der Hausfrau Sinn, die sie einmahl von ihrer Großmutter gehöret hatte. Man gab die alte finstere Frau für eine Zauberinn aus, und nun war es der Frau Jofridur, als höre sie Jene mit zitternder Stimme durch eine Bodenlucke aus den nächtigen Wolkenzügen hereinsingen:

»Sprich nicht, o sprich nicht so dreist du Mensch!
    Sprühregen, auch er befruchtet das Feld.
    Du siehst ihn nicht, er säuselt kaum,
    Und Saat weckt dennoch er sacht und reich.
    Mehr viel vermag noch ein Menschenwort,
    Vorquillend aus mächtigem Geistesmeer.
    Sprich nicht so dreist! Was du sprichst geschieht!
    Sprühregen zieht öfters auch Nesseln auf.« –

155 Und das mußte Jofridur immerfort unhörbar mitsingen, während Gunlaugur keck und deutlich seine Verlobungsworte zu Ende brachte. Zwar als er damit fertig war, sprach der Hauswirth noch einmahl sehr laut: »Für eitlen Scherz und nichtig ungesproch'nes Wort erklär' ich vor allen Zeugen, was hier verhandelt ward.«

Aber Schön-Helga, obzwar sie aus Gunlaugur's Hand gleich nach des Vaters Spruch die ihre zurück zog, und nach dem Hochsitze zurückging zu der Mutter, sahe noch einmahl mit süß-wehmüthigem Blicke nach dem Jünglinge zurück. Und dieser dachte in sich:

»Gescheh'n bleibt gescheh'n. Mein also muß sie bleiben, in Güte oder mit Gewalt. Und würde auch allenfalls die Islands-Erde und Bach und See und Meeresstrand vom Blute der Erschlagenen darüber etwas roth – das mag mein Schwiegervater verantworten. Ich behalte meine verlobte Braut.«

Und sobald er diesen Entschluß recht fest in sich erfaßt hatte, ward er auch ganz fröhlich und angenehm. Ja, er sang mitunter so zierliche Lieder zur Laute, daß Schön-Helga fast unwillkührlich das lockige Haupt nach ihm hinwenden mußte. Darüber ward er immer noch viel 156 vergnügter, und noch viel freundlicher gegen alle Welt, so daß endlich zwey sehr alte und wohlerfahrne Männer zu Thorstein sagten: »Es ist doch in der That erstaunlich, wie gar wundersam es Euch gelungen ist, diesen wilden Knaben zu bändigen. Nun legten wir wohl unsere Hände dafür in's Feuer, wenn es allenfalls nöthig wäre: dieser höfliche Gunlaugur beginnt keine wilde That fortan.« »Möge das so in Erfüllung gehen,« sagte Thorstein sehr nachdenklich. 157

 


 


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