Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Viertes Kapitel.

An der Stromesmündung Gutfarth funkelte in den hellen Morgenlichtern das Schiff der Fremden recht blank und freudig dem Thorstein entgegen, wie er so strandnieder trabte. Am Steuer des Fahrzeuges, und sichtlich das Ganze befehligend, stand ein großer stattlicher Mann von beynahe greisendem Ansehen, ein pelzverbrämtes, schönes Kleid um seine Glieder, ein mächtiges Schwerdt, wie man es in der Regel nur zweyhändig zu schwingen pflegt, mit Gold und Silberbeschlägen ausgeschmückt, an seiner Hüfte klirrend. Seine großen, blauen Augen blitzten wie zwey Sterne, die auch nach Sonnenaufgang noch ihre Gewalt behaupten wollen.

Da rief Thorstein zu ihm empor: »Du seyest ein Ostmann, sagen sie ja, und zwar ein Kaufherr von dortenher. Mir aber kommst Du vor wie ein Nordmann. Wie hängt das zusammen?«

28 »So, daß Ihr Alle Recht behaltet!« entgegnete der Fremde. »Ein Kaufherr bin ich, ein Ostmann dazu für Euch, und ein Nordmann für beynahe alle Menschen. Denn Jeder zählt und benennt von der Bank aus, auf welcher er sitzt. Deßwegen gelt' ich auch manchen Leuten für einen Abendmann; wenn ich nähmlich gegen Sonnenaufgang schiffe. Aber eigentlich ist meine Heimath Norweg, und ich heiße Bardur.« –

»Gegrüßt, lieber Normann Bardur!« sagte Thorstein. »Von Euern Küsten her ist mein Stamm entsprossen. Kwelldulfur hieß mein Großvater und Skallagrimur hieß mein Vater. – Mag seyn, Ihr habt schon sonst von den Zweyen reden gehört!« setzte er mit einem behaglichen Lächeln hinzu, und strich sich keck den Bart. Da neigte sich Bardur freundlich, und sagte: »Ja wohl! Die Geschichten sind bekannt genug im Norderland, und auch weiter noch sonst umher. Euer Großvater Kwelldulfur ist ja der Erste, welcher dieses wundersame Eiland wieder in Besitz nahm und es anbauete. Durch sehr viel mehr als zehntausend Nächte vorher soll es wüst gelegen haben. Da schaltete der Harald Schönhaar in Norweg allzuwild, und erschlug auch den Kwelldulfurssohn, den schönen Thorolf, 29 und war allen Menschen übermächtig mit Schaaren und Schiffen, so daß der Kwelldulfur keine Todesrache an ihm nehmen konnte, wie gern er auch gewollt hätte. Darum schiffte der alte Held mit seinem jüngsten Sohn Skallagrimur nach Island hinüber, ein neues Reich zu gründen, voll edler Keckheit und Liedesweissagung. Und Kwelldulfur starb unterweges, und geboth vorher, daß man ihn in eine glänzende Kiste lege, mit reichen Schätzen angefüllt, und ihn so hinablasse in das Meer. Sie thaten's. Und als die Schiffe auf Island vor Anker gingen, da war der Kwelldulfur in seiner Kiste schon da. Und Skallagrimur, Euer Großvater, beerdigte ihn, und setzte ihm schöne hohe Bautasteine zum Denkmahl, und das brachte der Ansiedelung reichen Segen. Ihr seht wohl, Meister Thorstein, ich weiß guten Bescheid um Alles.« –

»Wahrhaftig,« sagte Thorstein, »Bescheid, wie er nur aus einer treuen und wohlvertraueten Brust so frisch herauflodern kann. Ihr seyd zwiefach willkommen an jedem Islands-Herd, und dreyfach willkommen an meinem Thorsteins-Herd. Aber Ihr müßt nun auch gleich mit Eurer ganzen Gesellschaft hinkommen. Denn es sind schon unterschiedliche Nächte jung und alt 30 darüber geworden, daß meine Hausfrau vergeblich angerichtet hat für Euch. Schön, daß Ihr nun endlich gekommen seyd, und daß Ihr bequem in meinem großen Hause überwintern sollt allezumahl. Denn hinaus auf die See lassen Euch nun doch vor Frühlingsanfang die Stürme nicht wieder.«

»Das glaub' ich wohl selbst;« sagte der Bardur. »Und mir auch soll es schon ganz Recht seyn: so einmahl ein Winter auf Island! Aber mit Eurer gastlichen Einladung für Alle hier auf dem Schiffe, – da seyd Ihr ein bischen zu spät gekommen, wack'rer Skallagrimurs-Enkel. Schon in der ersten Frühedämmerung waren viel Eurer Landesedlen hier, und Jeder lud sich welche von dem Schiffsvolke, daß sie bey ihm überwintern möchten. D'rum ist nun schon Alles versagt.« –

»Das taugt nicht von den Nachbarn,« sprach Thorstein verdrießlich, »daß sie Einem so das Gute vor dem Munde wegfischen. Ich ritt doch nun gleich Augenblicks hierher, so bald ich nur von der Kunde hörte, damit ich Euch Alle im Voraus für mich behalten wollte. Und da sind mir die nähern Strandwirthe doch zuvorgekommen. Nein, das Wegfischen ist eine recht häßliche Sitte – vorzüglich für Den, welcher dabey zu 31 kurz kommt. Ich also kann denn so ganz einsam wieder nach Hause reiten! Gastlos, und beynahe mir selber zum Hohn!«

»Ey, Gott bewahre!« sagte Bardur. »Niemahlen bringt guter Ritt häßlichen Kranz. Wenn Euch an mir genügt, und Ihr noch ein Pferd zur Hand habt – ich reite gleich mit Euch, und werde Euch ein Wintergast.«

»Das gilt!« rief Thorstein fröhlich. »Kommt nur an's Land. Hier ganz nahe bey liegt mir ein Meyergut, wo Ihr aus tüchtigen Rossen die Wahl haben mögt.« –

Es geschah so. Einen sehr wilden aber sehr trefflichen Gaul hatte sich Bardur ausgesucht, und wie sie mitsammen nach dem Hofe Borg hinaufritten, und der greisende Fremde das Pferd sehr kraftvoll und eben so kunsterfahren tummelte, und dazu sehr edel anzusehen war in seiner köstlichen Tracht – da sprangen die Worte dem Thorstein unversehens über die Lippe:

»Sagt mir doch, wie das zugeht, daß alle Andern Eures Schiffes eingeladen sind von Wirthen des Landes, und Ihr, gewiß der Allerherrlichste aus der Genossenschaft, warten mußtet, bis ich kam! Es ist mir das gar ein großes Glück, aber ich kann es noch nicht begreifen.«

32 Der Fremde erwiederte lächelnd: »Ey, wär' es in der That ein großes Glück, so wär' es auch ein unbegreifliches. Das hält so Schritt und Tritt miteinander. Und das kommt daher, weil kein Mensch auf Erden begreiflichen Anspruch hat auf ein großes Glück. Regnet's Gold, so regnet's Gold. Weiter ist nichts bey Dergleichem zu sagen, oder zu erklären. Ich aber bin für Euch kein großes Glück, und am Ende wohl gar kein Glück. Also will ich Euch nur sagen: die Sache hängt ganz begreiflich zusammen. Aus Träumen sah ich es, daß Ihr kommen müßtet, mein Wirth zu werden. Eure Gestalt sah ich voraus im Traum, hörte im Traum den Klang und Sinn Eurer Anrede – mußte ich denn da nicht warten, bis Ihr kamet?« –

Thorstein schwieg einen Augenblick. Dann sagte er freundlich: »Wohl gut! Ich will es den Träumen zu Gute schreiben, daß sie mir einen so edlen Gast aufbewahrt haben. Aber sonst – seit einiger Zeit –«

»Nichts Übles von den Träumen!« sagte Bardur sehr ernsthaft, und Thorstein erwiederte: »Ihr seyd mein Gast, und habt in allen ehrbaren Dingen über mich, mein Hausgesinde und mein gesammtes Haus zu befehligen!« Da neigte sich Bardur und schwieg.

33 Sie kamen in der Hofstätte Thorsteins an.

Frau Jofridur, sobald die ersten sittigen Begrüßungen landüblich vollbracht waren, blickte vergeblich spähend nach dem Gefolge des Gastes umher. Dann wieder blickte sie lächelnd auf die für Fünfzig angerichtete Tafel in der Halle. Thorstein winkte ihr freundlich warnend, und flüsterte ihr in's Ohr: »Die Träume sind Lügner und Windbeutel geworden! Das seh' ich wohl selber ein. Aber der Gast nun glaubt einmahl daran, und es ärgert ihn, wenn man andere Gedanken hegt!« – Da sagte Jofridur fröhlich: »Wohlan! Ich darf ihn nicht kränken. Aber für wenigstens fünfzig Menschen muß er essen und trinken. Sonst glaub' ich weder an seine Träume, noch an Deine künftig mehr.« 34

 


 


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