Friedrich de la Motte Fouqué
Die Saga von dem Gunlaugur genannt Drachenzunge und Rafn dem Skalden
Friedrich de la Motte Fouqué

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Achtes Kapitel.

Thorstein kam nach Hause. Jofridur berichtete ihm, sie habe ein Mägdlein geboren; und nach seinem Willen sey es ausgesetzt. Schön sey es gewesen, wie ein Engel, und sanft wie ein Frühlingsmorgen nach dem Sturme – aber treu dem hausväterlichen Gebothe habe man die holde Blüthe verstoßen in irgend ein entferntes Thal. Dann sagte Jofridur noch: »Ich muß jetzt immer in meinen tiefsten Gedanken singen:« »fahr wohl, mein süßes Kind!« – Oder etwa, wenn es mir in Träumen erscheint: »bleib bey mir, bis es Morgen wird, du süßes, süßes Kind!«

Darüber verstummte Thorstein. Er preßte seine beyden Hände auf die feuchtblitzenden Augen, und redete von dieser Angelegenheit durch viele Tage lang nicht mehr.

Endlich fragte er dennoch einmahl seine Hausfrau, und sahe dazu aus, wie in einen schmerzlichen Traum versunken: »Durch wen doch ward das arme liebe Kindchen ausgesetzt?« –

63 Sie aber antwortete ihm strenge: »Bist Du ein so gar nachläßiger Hausvater geworden, daß Du Keinen mehr vermissest, der so lange schon von Deinem Herd und von Deinem Gebieth entfernt ist? – Thorstein, wo ist der Thorwardur? – Siehe, Du staunest und weißt keine Antwort. Hinausgeritten ist er mit Deinem armen Töchterlein auf Dein Geboth, und mein silbergraues Rößelein gab ich ihm mit auf den schmerzlichen Weg, um das zarte Kindlein sanfter zu tragen.

»Nicht Roß kam wieder zurück
Den Reiter nicht schaute mein Blick!
Und der Thorwardur war treu!« –

Da sagte Thorstein, sein Antlitz wiederum in die Hand bergend:

»Sie sind denn wohl alle Dreye zugleich untergegangen in Meeresfluth oder vor einem Klippensturz.« –

Und Frau Jofridur dachte wehmüthig zürnend in sich selbst:

»Hab' es denn, wie Du es haben wolltest, Du abergläubisch opfernder Hausvater!«

Aber sie behielt ihn dessen unerachtet sehr lieb, und sein tiefer Schmerz jammerte sie sehr. 64

 


 


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