Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Tschang-Kein: Nacht in den Bergen

Hoch vom Berge sah ich lange
einer kleinen Barke zu.
Thränen netzten meine Wange.
Sinnend sprach ich: Das bist du.

Wie ein Menschenleben schwimmt sie
weiter, weiter. Jetzt verlor
sie am Horizont sich. Nimmt sie
ihren Weg durchs Himmelstor?

Alle Welt versank im Zwielicht.
Berge glühten noch gezackt.
So auch hatte mich im Frühlicht
diese Einsamkeit gepackt.

Auf die Wasserfläche legte
düstrer nun die Nacht sich schon.
Nur ein Rosenwölkchen fegte
eilend hin und war entflohn.

Auf den Wellen, sprach ich, wiegen
Wolken sich. Wie alles ruht!
doch als dunkle Stellen stiegen
schon die Inseln aus der Flut.

Die Gestalt der Wälder wirrte
sich vor dem betörten Aug.
Eine irre Schwinge schwirrte
angstgehetzt um dürren Strauch.

Nacht bricht ein in deine Lande,
dacht ich. Rauh posaunt der Nord.
Enten ducken sich am Strande,
suchen sich geschützten Ort.

Bis aus jäh erhellten Weiten
Mondlicht in die Landschaft fiel.
Lächelnd griff ich in die Saiten,
lauschte meinem eignen Spiel.

Leise hob sich eine Weise.
Wie ein Vogel flog das Lied
an die Sternenwölbung. Leise
kam es wieder, strich ums Ried,

trug auf seinen blanken Schwingen
aller Himmel Glanzgezück.
Lusterglüht von meinem Singen,
schluchzend schlug ich hin vor Glück.

Meine Schläfen fühlt ich klopfen.
Tau berührte wie ein Kuß
meine Stirn in leichten Tropfen. –
Mitternacht umfing den Fluß.


 << zurück weiter >>