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Thu-Fu: Die Feldkolonne

Räder knirschen. Pferde schnaufen.
Soldaten marschieren singend ins Feld,
begleitet von Leuten, die mit ihnen laufen,
vom Schreien und Kreischen der Weiber umgellt,
von Staub umwirbelt, gemartert vom Weinen.
Bräute und Frauen und Mütter gehn mit.
Dem hängt ein Kind an mit trippelnden Beinen.
Mit dem hält ein Weißbart mühsam Schritt.
Greller gellt das Geschrei an der Brücke.
Weiter darf keiner mit. – »Halt!« – »Alles: Halt!«
Am Weg hockt ein Einfuß, schultert die Krücke,
kläglich in einen Knäuel geballt.
Aufkreischen die Weiber. Die Kinder heulen
wie Tiere. – »Vorwärts!« – »Weiber zurück!«
Man drängt sich noch zwischen Soldaten und Gäulen
»Mein Liebstes!« »Mein Alles!« »Mein einziges Glück!«
»Vaterle!«, »Bruder!« Sie könnens nicht fassen
Fern schon und ferner sind Wagen und Roß.
Auf Straße und Feldrain knien sie in Massen.
Weiter wälzt sich dröhnend der Troß.

Wandrer begegnen dem Zuge und stieren.
Dann grüßen sie, winken und fragen viel.
Die Antwort ist immer: »Marschieren, marschieren!
Marschieren, marschieren! Wir kennen kein Ziel.
Es sei denn, das Ziel ist: In blühenden Jahren
verfaulen für nichts, ersticken in Schweiß.
Mancher, der mitging mit pechschwarzen Haaren,
heute ein Knabe, ist morgen schneeweiß.
Bartlos, mit fröhlichen Liedern zogen
wir aus. Bald ist jeder ein winselnder Schelm.
Wir wissen nur Eines. Man hat uns belogen.
Wie schwer ist der Panzer! Wie drückt uns der Helm!
Man sagte: es geht um das Dorf, um die Kleinen,
um unsere Weiber, um Haus, Hof und Brot.
Man sagte: Die Sonne wird wieder scheinen!
Man sagte uns nicht: Der Tod ist der Tod.
Man redete nicht von zerschmetterten Rümpfen,
von erloschenem Aug, von verquollenem Blut,
von gespaltenen Schädeln, von zuckenden Stümpfen.
Man kränzte die leuchtende Stirn und den Hut.
Was lockte, was lockte man uns mit der Lüge,
daß dieses Morden ein heiliger Krieg?
Laßt uns nach Haus! Den Fraun sind die Pflüge
schwer schon. Wucherndes Unkraut stieg
über die Zäune und Gitter und Raine.
Gestrüpp frißt den Acker. Die Hütte verfällt.
Der Krieg rast, ein hungriger Wolf, durch die Haine
und bleckt seine Zähne und bellt und bellt.
Nicht einen winzigen Deut gilt die Seele.
Ein Huhn, ein Hund, ein Hase, ein Hecht
soviel wie ein Mann? Mir schnürt es die Kehle!
Marschiere, marschiere, verspieltes Geschlecht!«

So redet die Marschkolonne. So reden
die Reiter, so redet das Fußvolk auch.
Der Aufruhr erstickt; denn sie hängen jeden;
die Leichen baumeln um Ast und Strauch.
Doch immer wieder frißt sich die Welle
der grellen Empörung durch schlotternde Angst.
Schon sagen sie: Gleich ist es, ob auf der Stelle
du tot bist, ob du erst morgen hangst
oder, verstümmelt vom Feind, auf die Reise
gehst in das Land, dem noch keiner entrann.
Oft nahn dem ringelnden Heerwurm Greise.
» Greise?« Was schiert es verlorenen Mann?
Wohl ist es Pflicht, sein Wort zu verhalten,
wenn uns ein Alter begegnet und klug,
alles zu meiden, was einen Alten
stören könnte; doch dieser Betrug,
Väterchen, glaub mir, ist nicht zu ertragen!
Nicht einmal Winters ruhen wir aus.
Wir müssen jagen, auf Menschen jagen
und drüben treibt man die Unsern vom Haus.
Ärmste, dies Kind an der Brust, ist's ein Knabe? –
»Ein Sohn!« – O du arme, betrogene Frau!
Zieh ihn nur auf und labe dich, labe,
lab dich an ihm! Einst – wie eine Sau
sticht man dein Kind ab! Ihm ist es beschieden,
Unkraut zu sein in dem Menschengefild!
Kaiser, was säumst du? Kaiser, mach Frieden,
daß man dich Totengräber nicht schilt!
Komm an das Meer! Es funkelt in Bläue,
doch an der Küste bleicht unser Gebein,
das keine Kindeshand sammelt in Treue,
ihm die gebührenden Opfer zu weihn.
Komm an das Meer! Am blauen Gestade
wimmern Verstümmelte. Komm! Ihr Geächz
prasselt wie Regen. Komm, Kaiser, und bade
in unserem Blut dich! Hör das Gekrächz
der Raben, die in den Lüften schon lauern,
gierig zu haun in entblößtes Gehirn!
Schau und geh heim! Laß sterben die Bauern!
Küß deines Knaben traumgoldene Stirn!


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