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Yü-Chiao-Li: Die blühende Birne

Blühende Birne, zartes Duftgebilde,
in stiller, sternübersäeter Nacht
von Mondlicht gezeugt,
sanft überflutete dich seine Liebe.
Frühling hat dich verzaubert,
deine Kelche korallen geädert.
Schneeiges Linnen durchzucken Blitze.
Laß mich dich singen, wie ich dich sah –:
Zweig an Zweig in Flammen:
Herzen liebender Menschen.

Einziges Bild!
Wer fände deinesgleichen?
Das frosterrötende Blatt
im Wald ist anders;
erinnerst doch kaum
jenes herbstwelken Blättchens,
darein die Liebe
heimlich ihr Zeichen
stach, du Geliebtes!
»Rosig umhauchter Schnee!«
sagt einer wohl, doch kennt er dich?
Kennt er dich,
blütenumrieselte Laube,
daraus mein Mädchen
gerne späht, wenn der Frühling
in rosenfarbenem Seidentalar
hinschwebt im opalenen Licht?
»Bild des Rosengewölks um die Abendsonne!«
ruft ein Verzückter,
doch was weiß er von dir?
Du bist meiner Lieblichen Wange,
Rose im Schnee!
Nur an die zarte Blattspitze
mahnst du, die rosigweiß
in die Welt lugt,
wenn eine Knospe der Azalee
schüchtern sich auftut.

Was spinnest du dich ein,
bewölkte Seele,
verschleiertes Antlitz,
ungekannt, unangesehen?
Schläfst du?
Ein Hauch nur –
und rosiger Regen
rieselte über Schnee!
Blühende Birne,
sahest du neidvoll
die Wiesenblumen?
Nicht die Biene,
das törige Kind,
nicht der Schmetterling,
gedankenlos, ein Gaukler,
sollt sie umflirren
und naschen?
Keiner beachtet sie doch,
wenn du blühst!

Rosige Ader im blühenden Blatt,
Herzader des Frühlings,
wie zart deutest du
reife, vollerblühte Schönheit an!
O Entzücken!
Im Dämmerlicht
unter schneeüberschütteten Zweigen
rastet die Sänfte meines Mädchens.
Wie blüht aus goldenem Schuh
die Lilie des kleinen Fußes
und schmiegt sich an gestickte Polster!
Perlenglänzig umweht ein Schleier
ihr Antlitz, doch dein Rosenschlänglein,
Birnenblüte, huschte durch die Maschen,
daß die pfirsichschöne flaumige Wange
rosenlieblich erglüht.
O dürft ich wie jener Knabe
in dem alten Lied von der Liebe
mit entzündeter Kerze im silbernen Leuchter
– Die Nacht ist verschwiegen. –
heimlich sie suchen!
Sie schläft.
Schläft in lächelndem Liebreiz!
Mein Herz vergeht.
Erbarme dich mein!
O Glück! Ihr Herz aus der Brust
nimmt sie und – Seligkeit! – reicht es mir.
Sie liebt mich!
Mir schenkt sie ihr Herz, mir!
Rosenumleuchtet schreiten wir beide
auf blühenden Wegen weit in das Obstland.
Strahlt mein Gesicht wie deines, Mädchen,
oder ließen uns wirklich nur
Blütenflämmlein erglühn?
Du, warum fürchten sich Menschen
und sorgen sich, sorgen sich immer?
Ist nicht alles gut wie dieser Windhauch
voll würziger Düfte?
Schatten huschen vorbei.
Sind das Äste oder Arme?
Die Sichel dort ist der Mond!
Siehst du mein Antlitz noch, Liebste?
»Siehst du mein Gesicht?«
Gib mir die Hand!
Es ist schon ganz dunkel.

Augen des Frühlings,
euer schneeiges Lid ist vom Weinen rot!
Gaukeln die Sylphen nicht mehr,
euere Spielkameraden,
die in den kühlen
Morgen- und Abendstunden
kamen und küßten,
in der Mittagschwüle
sich schlummernd anzuschmiegen?
Warum, ihr lieben schönen Kinder,
löst ihr euch aus der Knospe
und sinkt der Erde ans Herz?
Ist schon die Zeit da,
heimzukehren?
Träumen die Erdsäfte,
die euch riefen,
von Wiedergeburt?
Opfert ihr euch
wie sich Bräute darbringen? –
Winzig im Wipfel
schimmert die Frucht durchs Gezweig.

Du Herz, einziges, süßes Herz,
weine nicht!
All dein Geschmeide
gäbst du doch gerne,
immerdar mein zu sein.
Die Menschen haben es anders bestimmt.
Weine nicht!
Hege, du Reiche, mich Armen
in deinen Träumen
und laß auch mich, ein Weilchen nur,
in meinem Traumhaus wohnen!
Schon liegt Erdenstaub wieder
auf den verwehten Blüten.

Sie salbt ihr Haar und schmückt es.
Fände der Liebste sie so,
wie glühte er!
Doch nicht einmal der Spiegel
freut sich ihrer Schöne.
Keiner kniet vor ihrem Blütenantlitz.
Einsam ist sie in dem kleinen Raum.
Aus ihrem Herzen, dessen die Welt vergaß,
steigt ein Lied:
»Golden auf die Wege fällt das Sonnenlicht!«

Schlief ich?
Wie ein Schleier
fielen Bilder
von meinen Lidern,
oder sind es diese taumelnden Blätter gewesen,
die im Wind aus weißen Wipfeln fliehen?
Dies ist mein Tisch doch
und dieser Wein
funkelt und duftet
wie ehe.
Melodie! Melodie!
Blühende Birne,
nie will ich vergessen,
was ich dir danke!
Süße Geliebte!
Süßes verwehendes Lied!


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