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Yü-Chiao-Li: Welkende Schönheit

Golden auf die Wege
fällt das Sonnenlicht.
Blumen im Gehege
heben ihr Gesicht.

Mädchen ziehn in Scharen
über freies Feld,
Blüten in den Haaren.
O du schöne Welt!

Blühen und Vergehen
ist der Welt Geschick.
Keiner sieht mein Flehen.
Traurig lischt mein Blick.

Feingeschwungne Brauen
blieben unbelohnt,
waren anzuschauen
wie der Sichelmond.

Meines Nackens Neige,
meiner Haare Wehn
spottete der Zweige,
die in Blüte stehn.

Daß mich Herbst umwehe,
kränkte erst so sehr.
Daß ich Frühling sehe,
ist mir jetzt so schwer.

Mit verfärbten Wangen
ahn ich goldne Frucht
in den Zweigen hangen
nach der Blüten Flucht.

Unter Frohen steh ich
ganz in Einsamkeit.
In den Spiegel seh ich
oft in meinem Leid,

denke jener Stunden,
da auch ich bekränzt,
frühlingslaubumwunden
wie der Tag geglänzt.

Sieh! Das Mädchen drüben
legt ums Haar den Ring,
schaut zu mir herüber,
lispelt: Armes Ding!

lächelt dann vergessen
und vergaß auch mich,
die so unermessen
tiefes Leid beschlich.


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