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Tai-Cho-Lun: Neujahrsnacht in einer Herberge

Kein Herz, das Anteil an mir nähm
in diesem fremden Haus.
Kein Mensch, der freundlich zu mir käm.
Ich spräch so gern mich aus.

Ein trübes Lämpchen ist allein
mein Gast in dieser Nacht.
Bald sieht das neue Jahr herein.
Wie bin ich so verwacht!

Straßab und auf trug ich die Schuh,
blieb doch der Heimat fern,
fand keine Einkehr, keine Ruh.
Ein Unstern ist mein Stern.

Ist es nicht lächerlich und weh,
wie dieser Körper bebt?
Mein Aug ist trüb, die Schläfe Schnee.
Mein Leben ist verlebt.

Und morgen springt ein neues Jahr
wie eine Knospe auf.
Ich kränzte allzugern mein Haar,
das gramvoll ich zerrauf.

Viel Jahre sah ich so vergehn
und keines machte froh.
Wes mag ich mich von dem versehn
auf diesem Herbergstroh?

Zwar mancher, den ich einst gekannt,
fand da und dort sein Glück;
doch mancher, der mir nahe stand,
kommt nimmer mir zurück.

Drum, bis auch meine Lampe lischt,
will ich gelassen sein.
So geh erquickt ich und erfrischt
in hohes Alter ein,

trink Jahr für Jahr des Frühlings Licht,
das gnädig mich umfließt,
und tausche mit dem Kaiser nicht,
der es wie ich genießt.


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