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Pe-Khiü-Y: Die Unglückshäuser

Die Altstadt birgt manch altes Haus.
Dort geht das Unheil ein und aus.

Vom Giebel bis zum Kellergang
jahrhundertlang, jahrtausendlang

gähnt Öde, grinst geborstner Stein,
schwelt faules Holz in grünem Schein.

Das Käuzchen späht vom Zimmetast.
Naht sich ein Mensch, verbirgt in Hast

der Fuchs sein Fell. Ein Goldgeschling
von Ranken wiegt sich, wo er ging.

Der Bau verwittert unter Staub.
Auf Treppen modert welkes Laub.

Das lebt nur, wenn ein Wind es hebt,
und ist doch tot, so hoch es schwebt.

Einst hauste hier ein wilder Stamm.
Sein Unheilsmeer behielt kein Damm.

Soviel Verruchtes hier geschah,
wie es der Erdkreis nimmer sah.

Dann zog herein in Pracht und Prunk
ein Kaiser. Dieser morsche Strunk

war einst ein Baum. Hier ward geschlemmt.
Die Zeit hat alles weggeschwemmt.

Hier ward gelärmet und gezecht.
Die Zeit fraß ihn und sein Geschlecht.

Die Namen selber fraß die Zeit.
Der Fluch nur trägt sein altes Kleid.

Manch ein Jahrhundert zog ins Land,
seit hier der letzte Herd gebrannt.

In diesen Unglückshäusern mag
kein Mensch mehr siedeln, keinen Tag.

Der Regen rauscht in Zimmer klein
und groß. Er schlug die Fenster ein.

Nur Schlangen, Mäuse hausen lang
in allen Räumen. Kein Gesang,

kein Spiel, kein Kuß, kein Kindeswort
belebt mehr diesen Unglücksort.

Kein Zimmermann schlägt Nägel ein.
Das Holz vermorscht wie Totenbein.

Die Mauern bröckeln, rieseln. Sand
und grauer Schutt nimmt überhand.

O Volk, hast du noch nicht genug?
Erkennst du nicht, was dich so schlug?

Weißt nicht, daß nur dein dumpfes Blut
dir Frohsinn nahm und Lust und Mut?

Wen Aberglaube hat behext,
ahnt nicht, woraus sein Unglück wächst.

Wach auf! Die Luft geht herb und frisch.
Kehr aus! Kehr heim! Mach reinen Tisch!

Wer immerdar nur stieg und stieg,
verstieg sich wohl, wie hoch er stieg.

Denn Klein und Groß und Haus und Reich
sind sich in diesem Einen gleich:

Sie sind durch sich nur klein und groß,
ihr Glück und Unglück liegt im Schoß

des eignen Wesens immerdar.
Es bleibt ein jeder, der er war,

als er, von seines Schicksals Griff
geformt, bestieg das Lebensschiff.

Wir sahen Häuser, alt und arg.
Das eine ward des andern Sarg.

Dies starb in einem Prunkpalast.
Achthundert Jahre gingen fast,

seit jenes auf den Beinen steht,
indes die Zeit vorüberweht.

Die alten Häuser fallen ein.
Du aber bist und wirst noch sein,

wenn nichts im ungeheuren Kreis
von diesem Unglücksorte weiß.


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