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Ich stieg auf die kahle Bergeshöh
und laß meine Augen schweifen.
Das Pünktchen, das ich dort unten seh,
ist mein Vaterhaus, und dieser Streifen
der Weg, der mich zu ihm brächte.
Ich hör eine Stimme. Sie ist voll Leid.
»Mein Sohn steht im Gefechte.
Jetzt liegt er vielleicht im Feld auf der Wacht,
hat keine Ruh bei Tag und bei Nacht;
doch, wenn er treu ist, weiß er: Es lohnt
sich kindliche Liebe. Er zögert nicht lang
und findet dahin, wo sein Vater wohnt.
Kindchen, ist dir nicht bang?«
Ich stieg auf die grüne Bergeshöh
und schick meine Augen zu Tale.
Das Bildchen, das ich dort unten seh,
die blanke silberne Schale,
ist der Teich in unserem Garten.
Meine Mutter gießt die Beete und spricht:
»Wie lang noch sollen wir warten?
Ist dieser schlimme Krieg nicht bald aus?
Herzblättchen, kommst du noch nicht nach Haus?
Tags keine Ruhe, nachts keinen Schlaf!
Schleich dich davon! Der Kaiser hat mehr
Männer als einen. Du warst doch sonst brav.
Kindchen, sehnt's dich nicht her?«
Ich stieg auf den steilen Felsengrat.
Was glänzt dort unten wie Seide?
Das gelbe Fleckchen ist meine Saat.
Wer bringt unter Dach das Getreide?
Überreif strotzt es von Fäulen.
Mein älterer Bruder brummt in den Bart,
verärgert neben den Gäulen.
Sie nicken zu dem, was er murmelnd spricht.
Er sagt: »Mein Bruder vergißt seine Pflicht.
Die Eltern sind alt. Wir haben kein Brot.
Was säumst du, dem unsere Sorge galt?
Treibt dich dein Herz nicht, so ruf dich die Not!
Brüderchen, kommst du nicht bald?«