Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil V
Henry Fielding

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172 Zehntes Kapitel.

Die Folgen des vorigen Besuchs.

Herr Fitzpatrick, der den vorher erwähnten Brief von Fräulein Western erhalten und dadurch den Aufenthaltsort seiner Frau erfahren hatte, kehrte direct nach Bath zurück und brach von dort am nächsten Tage nach London auf.

Wir haben dem Leser oft das eifersüchtige Temperament dieses Mannes geschildert. Auch möge er sich des Argwohnes erinnern, den er in Upton gegen Jones gefaßt hatte, als er ihn mit Mad. Waters in dem Zimmer traf. Obwohl nun hinreichende Gründe ihm diesen Verdacht hätten benehmen können, so brachte ihn doch die Schilderung, welche seine Frau von Jones entworfen hatte, wieder auf den Gedanken, daß sie zugleich mit ihm in dem Gasthause gewesen und weckte das Ungethüm der Eifersucht von neuem in ihm.

Als er in der Straße nach dem Hause suchte, in welchem seine Frau wohnen sollte, sah er unglücklicher Weise Jones aus demselben herauskommen. Zwar erkannte er ihn nicht sogleich, als er aber einen wohlgekleideten jungen Mann aus dem Hause treten sah, schritt er sogleich auf ihn zu und fragte ihn, was er in dem Hause zu schaffen habe. »Sie müssen darin gewesen sein,« setzte er hinzu, »da ich Sie herauskommen sah.« Jones antwortete ruhig, er habe eine Dame in dem Hause besucht und Fitzpatrick entgegnete: »was haben Sie mit der Dame vor?« Jones, der sich des Mannes jetzt vollkommen erinnerte, erwiederte: »ach, lieber Freund, geben Sie mir die Hand! Ich hoffe, es ist kein Groll wegen des kleinen Irrthums zwischen uns zurückgeblieben.«

173 »Ich kenne weder Ihren Namen noch Ihr Gesicht,« sprach Fitzpatrick.

»Ich habe auch nicht das Vergnügen, Ihren Namen zu kennen,« antwortete Jones, »Ihr Gesicht aber habe ich schon früher in Upton gesehen, wo wir einen seltsamen Streit mit einander hatten, den wir, wenn er noch nicht vergessen ist, in einer Flasche ersäufen wollen.«

»In Upton!« rief der Andere. »Bei meiner Seele, ich glaube, Sie heißen Jones!«

»So ist es allerdings.«

»So sind Sie gerade der Rechte, den ich suche. Ich werde eine Flasche mit Ihnen leeren, aber erst muß ich Ihnen einen tüchtigen Schlag auf den Schädel geben. Da, Sie Schurke! Wenn Sie mir nicht Genugthuung geben, erhalten Sie einen zweiten Hieb.«

Dann zog er seinen Degen und legte sich aus, denn das war die einzige Kunst, die er verstand.

Jones wankte etwas unter dem Schlage, der ihn so unerwartet traf, erholte sich aber sogleich wieder, zog ebenfalls und drang, ob er gleich vom Fechten nichts verstand, so ungestüm auf Fitzpatrick ein, daß er ihm die Parade durch schlug und den Degen in den Leib rannte. Fitzpatrick wankte ein Paar Schritte zurück, ließ den Degen sinken, stützte sich darauf und sprach: »ich habe genug; ich bin ein Kind des Todes.«

»Das hoffe ich nicht,« sprach Jones, »was aber auch geschehen mag, Sie müssen zugeben, daß Sie es sich selbst zugezogen haben.« In diesem Augenblicke kamen mehrere andere Personen herbei und ergriffen Jones, der ihnen sagte, er würde keinen Widerstand leisten und sie bat, für den Verwundeten zu sorgen.

»Ach,« sprach Einer, »für den Verwundeten ist gesorgt, 174 denn er wird nicht lange mehr zu leben haben. Sie aber mögen sich auch zum Absegeln bereit halten.«

Die Leute waren Soldaten, vom Lord Fellamor geholt, der Jones in das Haus der Mad. Fitzpatrick nachgegangen und ihm da aufgelauert hatte.

Der Offizier, welcher die Leute commandirte, war der richtigen Ansicht, daß er den Gefangenen den Gerichten zu übergeben habe, was denn auch geschah.

Gleich darauf wurde ein Bote nach dem Verwundeten geschickt, der sich in einem Wirthshause unter den Händen eines Wundarztes befand. Der Bericht lautete, die Wunde sei unbedingt tödtlich.

Jones wurde vor den Richter geführt, wo auch der Wundarzt erschien, der Fitzpatrick verbunden hatte und aussagte, er halte die Wunde für tödtlich. Der Gefangene wurde in das Gefängniß gebracht, schickte aber, da es schon spät in der Nacht war, erst am andern Morgen zu Partridge, der über die Nachricht nicht wenig erschrak, mit zitternden Knieen und klopfendem Herzen in das Gefängniß ging, dort in lauten Jammer ausbrach und sich ängstlich umsah, denn da man hörte, Fitzpatrick sei verschieden, so erwartete Partridge jeden Augenblick, den Geist desselben erscheinen zu sehen. Endlich übergab er Jones einen Brief, den er beinahe vergessen hätte, der von Sophien war und den der schwarze Georg ihm überbracht hatte.

Jones schickte sogleich alle aus dem Zimmer, erbrach den Brief und las:

»Sie hören eines Vorfalles wegen, der mich allerdings sehr überrascht, nochmals von mir. Meine Tante hat mir eben einen Brief von Ihnen an Lady Bellaston gezeigt, der einen Heirathsantrag enthält. Ich bin überzeugt, daß er von Ihnen geschrieben ist, mehr aber noch überrascht es mich, daß er in der Zeit geschrieben wurde, als Sie mich 175 überreden wollten, daß Sie meinetwegen so betrübt und traurig wären. Ich will keine Betrachtungen darüber anstellen und wünsche nichts weiter, als daß Ihr Name nicht mehr erwähnt werde vor

S. W.«

Von der Stimmung des armen Jones und den Leiden, die ihn jetzt quälten, können wir dem Leser keine treffendere Vorstellung geben, als wenn wir sagen, daß selbst Thwackum Mitleid mit ihm fühlte. Aber so schlimm es ihm auch erging, so müssen wir ihn doch jetzt verlassen und wir schließen das sechszehnte Buch unserer Geschichte.


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