Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil V
Henry Fielding

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Achtes Kapitel.

Pläne der Lady Bellaston zum Verderben unseres Helden.

Die Liebe hatte in dem Herzen des Lords Fellamor zu tiefe Wurzeln geschlagen, als daß sie durch die plumpe Hand des alten Western hätte herausgerissen werden können. Im ersten Aerger hatte er allerdings dem Capitain Eglane einen Auftrag gegeben, den dieser aber weit überschritt; auch würde er den Auftrag zurückgenommen haben, hätte 162 er den Capitain finden können, nachdem er Lady Bellaston gesehen, nämlich am Nachmittag, nachdem er früh die Beleidigung erfahren.

Am Nachmittage nach jenem Tage, an welchem der schändliche Plan gegen Sophien hatte ausgeführt werden sollen, besuchte also der Lord die Lady Bellaston, die den Squire so schilderte, daß der Lord die Thorheit erkannte, die Worte desselben übel genommen zu haben, besonders da er redliche Absichten auf die Tochter desselben hatte. Er sprach sich über seine heftige Liebe gegen die Lady aus, welche bereitwillig in die Sache einging und ihm mit einer gewissen Sicherheit eine günstige Aufnahme bei der ganzen Familie so wie bei dem Vater selbst versprach, sobald derselbe nüchtern sein würde. Das einzige Hinderniß, sagte sie, sei der Mensch, den sie schon früher erwähnt habe, der, obgleich ein Bettler und Landstreicher, doch, auf welche Weise wisse sie nicht, sich anständige Kleidung verschafft habe und für einen anständigen Mann gelte. »Da ich meiner Cousine wegen mich eifrig nach ihm erkundiget, so habe ich denn auch glücklich seine Wohnung ausgekundschaftet,« die sie dann dem Lord anzeigte. »Ich denke nun darüber nach (denn zu einer Züchtigung durch Sie selbst ist der Mensch zu gemein), ob es Ihnen nicht möglich sein sollte, ihn auf irgend eine Weise pressen und auf ein Schiff bringen zu lassen. Weder das Gesetz noch das Gewissen verbieten dies, denn der Mensch ist, obgleich anständig gekleidet, ein Vagabund und darf so gut als irgend einer auf der Straße gepreßt werden. Ueberdies ist die Rettung einer jungen Dame vor solchem Unglücke gewiß eine verdienstliche Handlung, ja für den Menschen selbst dürfte es das Mittel sein, ihn vor dem Galgen zu bewahren.«

Lord Fellamor dankte der Dame herzlich für den Antheil, den sie an seiner Angelegenheit nahm, von deren 163 Gelingen sein ganzes zukünftiges Glück abhänge. Er sehe, sagte er, nichts, was dem Pressen entgegenstehen könnte, und würde über die Ausführung des Planes nachdenken. Dann ersuchte er die Lady im vollem Ernst, die Familie mit seiner Bewerbung bekannt zu machen, ergoß sich in verzückte Reden über Sophien, nahm Abschied und ging mit dem festen Vorsatze, keine Zeit zu verlieren, um sich der Person seines Nebenbuhlers Jones zu versichern, damit es demselben unmöglich gemacht werde, die junge Dame in Gefahr zu bringen.

Sobald Fräulein Western ihre Wohnung bezogen hatte, schickte sie der Lady Bellaston eine Karte, und die Lady eilte in der Sehnsucht der Liebe zu ihrer Cousine, höchst erfreut über die günstige Gelegenheit, die sich ihr so unverhofft darbot, denn sie wollte den Antrag lieber einer verständigen Dame machen, welche die Welt kannte, als einem Manne, den sie mit dem Titel eines Hottentotten beehrte, ob sie gleich keine abschlägige Antwort von ihm fürchtete.

Die beiden Damen kamen nach einer kurzen Einleitung zur Hauptsache, die denn auch fast eben so schnell abgemacht, als angefangen war, denn Fräulein Western hatte kaum den Namen des Lords Fellamor gehört, als ihre Wangen von Wonne erglühten und sie ihre Zustimmung in den bestimmtesten Worten aussprach.

Im weiteren Verlaufe des Gesprächs kamen sie auch auf Jones und sie beklagten beide sehr pathetisch die unglückliche Liebe, die, wie sie nicht läugnen konnten, Sophie für den jungen Mann hegte. Fräulein Western schrieb die Schuld davon gänzlich ihres Bruders verkehrter Erziehung zu, erklärte jedoch zuletzt, daß sie das Beste von dem Verstande ihrer Nichte erwarte, die, wenn sie auch um Blifils willen ihrer Liebe nicht entsagen wollte, »ohne Zweifel,« 164 setzte sie hinzu, »leicht wird vermocht werden können, eine bloße Neigung der Bewerbung eines jungen Mannes zu opfern, der ihr einen Titel und ein großes Vermögen zubringt; denn ich muß Sophien die Gerechtigkeit widerfahren lassen und gestehen, daß Blifil ein häßlicher Mensch ist, wie alle Landedelleute bekanntlich, und außer seinem Vermögen nichts empfehlenswerthes hat.«

»So wundere ich mich über meine Cousine nicht mehr,« entgegnete Lady Bellaston, »Jones ist allerdings ein sehr angenehmer junger Mann und besitzt eine Eigenschaft, die, wie die Männer sagen, bei uns als große Empfehlung gilt. Was meinen Sie, Fräulein Western? Sie werden gewiß lachen, ich kann es selbst kaum ohne Lachen sagen. Glauben Sie, daß der Mensch die Keckheit gehabt hat, mir den Hof zu machen? Wenn Sie mir nicht glauben wollen, so ist dieser Brief da von ihm gewiß ein vollgültiger Beweis.« Sie überreichte darauf ihrer Cousine den Brief, in welchem Jones der Lady seine Hand angetragen hatte und den der Leser im funfzehnten Buche dieser Geschichte finden wird.

»Wahrhaftig, ich bin ganz erstaunt,« sprach Fräulein Western, »das ist ein Meisterstück von Keckheit. Der Brief kann mir, mit Ihrer Erlaubniß, wohl von Nutzen sein.«

»Sie können und dürfen ihn zu jedem Zwecke benützen,« entgegnete Lady Bellaston. »Indeß wünsche ich, daß Sie ihn nur Sophien und auch dieser nur im Nothfalle zeigen.«

»Sehr wohl, und wie fertigten Sie den kecken Menschen ab?« fragte Fräulein Western.

»Das können Sie sich denken. Ich habe die Freuden der Ehe bereits einmal genossen und glaube, einmal ist für eine verständige Frau vollkommen genug.«

Dieser Brief, meinte Lady Bellaston, sollte in Sophiens Herzen von großer Bedeutung gegen Jones sein, und sie gab ihn aus der Hand theils in der Hoffnung, daß Jones 165 sehr bald völlig aus dem Wege gebracht werden würde, theils weil sie sich das Schweigen der Honour gesichert hatte, die, wie sie wußte, alles bezeugen würde, was sie nur immer von ihr verlangte.

Vielleicht wundert sich der Leser, warum Lady Bellaston, die im Herzen Sophien doch haßte, so sehr sich bestrebte, eine Heirath zu Stande zu bringen, welche so sehr zum Vortheile des Mädchens sein sollte. Ich bitte den Leser, im Buche des menschlichen Herzens nachzusehen, beinahe die letzte Seite, dort wird er in kaum lesbarer Schrift finden, daß Frauen, trotz der Beeiferung der Mütter, Tanten &c. in Heirathssachen, in der Wirklichkeit die Vernichtung ihrer eigentlichen Neigung für ein großes Unglück halten, wie man es kaum dem ärgsten Feinde wünschen darf; ferner wird er an derselben Stelle finden, daß ein Weib, die einmal mit Vergnügen einen Mann den ihrigen nannte, dem Teufel auf den halben Wege entgegen geht, um nur zu verhindern, daß eine andere ihn besitzt.

Begnügt sich der Leser mit diesen Gründen nicht, so gestehe ich offen, daß ich keinen anderen Beweggrund zu den Handlungen der Lady sehe, er müßte denn annehmen wollen, sie sei durch Lord Fellamor bestochen worden, was ich nicht glauben kann.

Dies war es, was Fräulein Western nach einer Einleitung über die Thorheit der Liebe &c. Sophien beibringen wollte, als ihr Bruder mit Blifil so unerwartet erschien. Daraus folgte denn auch die Kälte in ihrem Benehmen gegen Blifil, deren wirkliche Ursache derselbe halb und halb errieth.


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