Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil V
Henry Fielding

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Zehntes Kapitel.

Ein kurzes Kapitel, welches das Buch beschließt.

Die lange Abwesenheit des Oheims und des Neffen hatte bei allen, die in dem Zimmer geblieben waren, eine gewisse ängstliche Besorgniß erregt, zumal da bei dem Gespräche, das beide mit einander geführt, der Oheim mehr als einmal so laut gesprochen hatte, daß man ihn unten hatte hören können, was, wenn man auch seine Worte 57 nicht verstand, in Anna und deren Mutter, ja selbst in Jones, eine schlimme Ahnung weckte.

Als die Gesellschaft wieder vollzählich war, zeigte sich deshalb eine sichtbare Veränderung auf jedem Gesichte, und die heitere Stimmung, welche vorher geherrscht hatte, war so ziemlich ganz verschwunden. Es war eine Veränderung, wie sie bei dem Wetter in diesem Klima häufig genug vorkommt, vom Sonnenschein zu Wolken, vom Juni zum December.

Die Veränderung wurde indeß durch Niemand unter den Anwesenden sehr bemerkt, denn da Alle sich bemüheten, ihre Gedanken zu verbergen und eine Rolle zu spielen, so waren Alle zu sehr mit dem Spiel beschäftigt, als daß sie Zuschauer hätten abgeben können. So erblickte weder der Oheim noch der Neffe Symptome von Argwohn an der Mutter oder der Tochter, wie diesen beiden die übertriebene Gefälligkeit des Alten und die erheuchelte Zufriedenheit in den Zügen Nightingales entging.

So etwas kommt, wie ich glaube, häufig vor, wenn die ganze Aufmerksamkeit zweier Freunde, die sich gegen einander verstellen, dahin geht, den andern zu täuschen; keiner von beiden sieht oder ahnt die Verstellung, die gegen ihn gerichtet ist und so treffen beide ihr Ziel. Aus demselben Grunde werden bei einem Handel nicht selten beide Parteien betrogen, obgleich immer der Eine am meisten verlieren muß, wie der, welcher ein blindes Pferd verkaufte und als Zahlung eine falsche Banknote erhielt.

Nach etwa einer halben Stunde trennte sich unsre Gesellschaft und der Oheim nahm seinen Neffen mit sich, der jedoch vorher Aennchen leise die Versicherung gab, er würde sich gleich am andern Morgen wieder einfinden und sein Versprechen erfüllen.

Jones, der bei dieser Scene am wenigsten betheiliget 58 war, sah und erkannte das Meiste. Er ahnete die Wahrheit, denn, nicht genug, daß er den großen Unterschied in dem Benehmen des Oheims und die übertriebene Artigkeit gegen Anna bemerkt hatte, war das Fortführen des Bräutigams von der Braut in der Nacht etwas so Auffallendes, daß es nur durch die Annahme erklärt werden konnte, der junge Nightingale habe die ganze Wahrheit gestanden, was seine gewöhnliche Offenheit, besonders da er viel getrunken hatte, nur zu wahrscheinlich machte.

Während er darüber nachdachte, ob er seinen Argwohn den andern Leuten mittheilen sollte, meldete ihm die Magd, es wünsche eine Dame mit ihm zu sprechen. Er ging sogleich hinaus, nahm der Magd den Leuchter aus der Hand, und führte die Dame die Treppe hinauf, die Niemand anders war als Mamsell Honour und ihm so entsetzliche Nachrichten von Sophien brachte, daß er keine Gedanken mehr für andere Personen hatte und sein ganzes Mitleid für sich selbst und seinen unglücklichen Engel in Anspruch genommen wurde.

Worin die schrecklichen Nachrichten bestanden, wird der Leser erfahren, nachdem wir erst die verschiedenen vorhergegangenen Schritte erzählt haben, welche sie herbeiführten. Dies soll in dem nächsten Buche geschehen.


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