Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil V
Henry Fielding

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Viertes Kapitel.

Man wird daraus erkennen, ein wie gefährlicher Anwalt eine Dame ist, sobald sie ihre Beredtsamkeit einer bösen Sache widmet.

Als Lady Bellaston die Bedenklichkeiten des jungen Lords hörte, behandelte sie dieselben höchst verächtlich und wegwerfend. »Mein werther Lord«, sagte sie, »Sie bedürfen sicherlich etwas Herzstärkendes. Ich werde einen Trank holen lassen. Pfui! Zeigen Sie mehr Entschlossenheit. Erschrecken Sie vor dem Worte Mädchenraub? – Wäre die Geschichte der Helena eine neuere, so würde ich sie für unnatürlich halten, nämlich das Benehmen des Paris, nicht 73 die Liebe der Schönen, denn alle Frauen lieben einen muthigen Mann. Es giebt noch eine ähnliche Geschichte von den Sabinerinnen, aber auch diese ist, Gott sei Dank! sehr alt. Sie bewundern vielleicht meine Belesenheit, aber ich glaube, Hooke versichert, diese geraubten Sabinerinnen wären später ganz vortreffliche Hausfrauen geworden. Ich glaube, wenige meiner verheiratheten Bekannten sind durch ihre Männer entführt worden.«

»Machen Sie mich nicht lächerlich, Lady Bellaston.«

»Glauben Sie denn, daß nicht jede Engländerin Sie im Herzen auslachen würde, wie prüde sie sich auch äußerlich anstellte? Sie nöthigen mich zu einer höchst seltsamen Sprache und zwingen mich mein Geschlecht ganz zu verrathen; aber ich beruhige mich mit der Ueberzeugung, daß meine Absicht gut ist und daß ich meiner Cousine nützlich zu werden suche; denn ich bin überzeugt, daß Sie sich dadurch zu ihrem Manne machen.«

Diejenigen, welche Reflectionen dieser Art von einer Gattin oder Geliebten gehört haben, mögen erklären, ob sie annehmlicher klingen, wenn eine weibliche Zunge sie ausspricht. So viel ist wenigstens gewiß, daß sie sich tiefer in das Herz des jungen Lords einprägten, als wenn Demosthenes oder Cicero gesprochen hätte.

Sobald Lady Bellaston bemerkte,. daß der Stolz des jungen Lords angeregt war, fing sie an, wie ein ächter Redner, andere Leidenschaften zu Hülfe zu rufen. »Mylord«, sagte sie ernster, »Sie werden sich erinnern, daß Sie zuerst gegen mich davon sprachen, denn ich möchte nicht so erscheinen als versuchte ich meine Cousine Ihnen aufzudrängen. Achtzig tausend Pf. Sterl. ist eine Summe, die sich von selbst empfiehlt.«

»Fräulein Western bedarf keiner Empfehlung durch ihr 74 Vermögen, denn meiner Meinung nach besaß nie ein Weib auch nur die Hälfte ihrer Reize.«

»Doch, doch, Mylord«, entgegnete die Lady mit einem Blicke in den Spiegel, »es hat Frauen gegeben, die sogar mehr als die Hälfte ihrer Reize besaßen. Ich will sie damit durchaus nicht herabsetzen, denn sie ist gewiß ein höchst liebenswürdiges reizendes Mädchen. In wenigen Stunden wird sie in den Armen eines Mannes liegen, der sie sicherlich nicht verdient, wenn er auch, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ein Mann von Muth und Kraft ist.«

»Das hoffe ich, Mylady«, sprach der Lord, »ob ich gleich gestehen muß, daß er sie nicht verdient, denn wenn nicht der Himmel oder Sie, Mylady, mich verhindern, wird sie in wenigen Stunden die meinige sein.«

»Das ist gut gesprochen. Ich verspreche, daß Sie von meiner Seite kein Hinderniß finden sollen. Noch diese Woche hoffe ich Sie öffentlich meinen Cousin nennen zu können.« Der übrige Theil der Unterhaltung drehete sich ausschließlich um Mädchenraub, Entschuldigungen und Complimente, die sich vielleicht recht gut anhören ließen, aber langweilig werden, wenn sie ein Dritter nacherzählt. Ich werde also hier das Zwischengespräch abbrechen und zu der schicksalschweren Stunde eilen, welche das Verderben der armen Sophie mit sich bringen sollte.

Da dies aber der tragischste Gegenstand in unserer ganzen Geschichte ist, so müssen wir ihm ein eigenes Kapitel widmen.


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