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Gilbertens Berufung

Die Frau des Parlamentsrats von Espagnet in Bordeaux hatte den Pater Roubet, der Kurat der Pfarrkirche der heiligen Aularie war, zum Liebhaber. Eines Tages sah sie vom Fenster, wie er, aus ihrem Hause gehend, in der dämmerigen einsamen Gasse mit einer jungen Frauensperson stehen blieb, die er am Kinn gefaßt hatte, während er ihre widerstrebende Hand festhielt. Sie sah schärfer hin und erkannte ihre Stieftochter Gilberte, die über und über rot vor dem schönen Pfarrherrn stand. Da diese ein hübsches, über ihre Jahre kräftiges Kind war, so erwuchs eine finstere Eifersucht im Herzen der Frau, so daß sie von diesem Tage an das Mädchen mißhandelte. Sie sperrte es viel ein und schlug es, schickte es vom Tische, wenn ihm das Essen mundete, und zwang es, Speisen zu essen, die es nicht mochte; und da sie ebenso geizig und geldgierig als schön war, so gab sie ihr schlechte Kleider, und das schmerzte Gilberte am meisten, die gerne schmuck und rein ging. Gilberte hatte von ihrem Vater ein hitziges Gemüt geerbt: sie trotzte der Stiefmutter und gab ihr dadurch Vorwände zu neuem Quälen. Es war in den Tagen, da die Stadt Bordeaux sich gegen den königlichen Statthalter aufgelehnt hatte, und Herr von Espagnet, der ein eifriger Anhänger der Prinzen war, saß beständig im Rat oder sprach in Versammlungen und kam wenig nach Hause; auch liebte er seine zweite Frau und gab ihr meist recht, und Gilberte verstummte in seiner Gegenwart. So unglücklich fühlte sich das Mädchen, daß es zu sterben beschloß, und in einer Nacht aus dem Hause entwich, um sich von der Stadtmauer zu stürzen.

Der Weg war nicht weit, aber sie fand die Wälle von Soldaten und Bürgern in ungewöhnlicher Zahl besetzt; auf dem Platze der heiligen Aularie war die Kirche zu nächtlichem Gottesdienst geöffnet, und die Leute strömten aus und ein. In tränenloser Verzweiflung eilte sie durch dunkle Gäßchen zum Fluß hinab; nur hie und da ein Licht aus einem Fenster wies ihr den Weg. Hinter dem Kloster der großen Observanz lag ein einsamer öder Platz; ein schmaler Treppenweg mit einem Eisengeländer führte dort zum Wasser hinab. Nur ein dünner Schein kam fern von den Lichtern auf den Schiffen; das Kloster lag im tiefsten Dunkel. Aber Gilberte blieb stehen: sie hatte leisen Ruderschlag gehört. Das leichte Geräusch vorsichtigen Landens drang an ihr Ohr; ein Schatten glitt an ihr vorüber; sie vernahm ein leises Pochen und dann ein Geräusch, wie wenn ein Schlüssel im Schloß gedreht wird und eine Tür in den Angeln schwingt. Ein Lichtstrahl fiel auf den Platz: oberhalb der Treppe hatte sich ein Pförtchen geöffnet; darin stand ein bärtiger Mönch, ein Licht in der Hand, der einen stattlichen dunkelgekleideten Mann einließ. Einen Augenblick waren beide hell beleuchtet; ein freundliches Lächeln der Begrüßung lag auf den dicken Lippen des blondbärtigen, kahlköpfigen Mönchs; der andere Mann nickte, gleichfalls lächelnd, und seine viel feineren Züge hatten dabei einen Ausdruck männlicher Freude und Heiterkeit, der das unten beobachtende Mädchen in diesem Augenblick seltsam berührte. Dann schloß die Pforte sich wieder; Gilberte glaubte noch das Stück des weißgetünchten Klosterganges zu sehen, in dem die beiden verschwunden waren, als alles schon in tieferem Dunkel lag als vorher. Es fiel ihr ein, daß sie von den Geistlichen nichts Gutes mehr glauben konnte, nach dem, was in ihrem Hause geschah. Aber der Ausdruck des Fremden und das Geheimnis des nächtlichen Vorgangs beschäftigten sie. Sie ahnte sogleich, daß der Mann zu den »Fledermäusen« gehören müßte: den königlich Gesinnten, die sich nur in der Dämmerung hervorwagten. Und sein Ausdruck konnte eine Gefahr bedeuten für die Partei, der ihr Vater angehörte. Über alledem hatten die Todesgedanken in ihr die Macht verloren. Dennoch schritt sie auf das Wasser zu, – da trat sie in eine tiefe Kotlache, aus der sie kaum herausfand; immer wieder geriet ihr Fuß in ekelhaften glitschigen Schlamm.

Eine Ewigkeit schien vergangen, als sie am Ufer stand. Unten im Wasser sprang ein Fisch. Sie dachte der Leichen, die sie treiben gesehen, und schauderte. Sie begann eine tiefe Müdigkeit zu spüren und die Kälte der Märznacht. Langsam und schamvoll kehrte sie um.

Damit aber kam auch das Elend des kommenden Tages in ihren Sinn zurück. Nach Hause ging sie nicht mehr. Sie tappte durch die Gassen. Ein Betrunkener mit Degen und Muskete trottete klirrend an ihr vorüber, und sie flüchtete in einen dunklen Torbogen. Nun erst kam die Nachtfurcht über sie. Da stand sie vor dem Haus ihrer Patin und schlug so lange und heftig an die Tür, bis eine Mannsstimme rief, wer draußen sei. Dann wurde geöffnet; ein Diener in Hosen und Hemd, eine alte Flinte in der Hand, rief verwundert: »Mam'zelle Gilberte!« und dann »Madame, Madame!« zum Treppenabsatz empor, wo die Patin in Hemd und Nachthaube, eine rote Bettdecke, die sie vorn zusammenhielt, über die Schultern geworfen, aus ihrer Schlafkammer gekommen war. »Jesus! Kind! was ist denn geschehen?« rief sie. Aber Gilberte kam nur noch bis in die Kammer hinauf; dort schlug sie vor dem Bett der Patin auf den Boden hin und weinte wie in Krämpfen.

Am andern Morgen schienen die Ereignisse der Nacht ein böser Traum geworden. Die Patin war eine heitere frische Frau von kaum vierzig Jahren, und sie bewohnte ein schmales hübsches Haus, das in jedem Stockwerk zwei tiefe Zimmer hatte. In ihrem Schlafgemach stand ein ungeheures Bett mit Vorhängen aus leichtem rötlichem Damast; sie war Witwe und räumte dem Mädchen den leeren Platz neben sich im Bett ein. Frau von Espagnet war sogleich damit einverstanden gewesen, daß das Kind bei ihr blieb. Glückselig, da sie mit Liebe behandelt ward, suchte Gilberte für die Patin jede Arbeit zu tun, aber sie weigerte sich zu beten oder zur Kirche zu gehen.

Am zweiten Tage kam ein freundlicher alter Domherr zu Besuch. Gilberte sah ihn, da sie über die Schwelle trat, und kehrte nach einem flammenden Blick auf die Patin um. Die mußte lächeln und seufzte zugleich, sagte aber nichts; und der geistliche Herr war viel zu sehr von dem Elend der Zeit und der schlimmen Herrschaft der Handwerker und des Pöbels in der Stadt erfüllt, als daß er auf das Gebaren des Mädchens geachtet hätte. »Wenn der Hof Ernst macht,« sagte er, »kann die Stadt doch nicht widerstehen. Und ach! meine schönen Weinberge! alles verwüstet!« und eine wirkliche Träne lief über seine faltige, ein wenig hängende Backe. Frau von Baudias, so hieß die Patin, seufzte gleichfalls: sie besaß ein Landhaus vor der Stadt. Nachher suchte sie Gilberte auf; die saß oben in der Kammer am Stickrahmen und hatte die Heiligenbilder gegen die Wand gekehrt. »Gott, Kind!« sagte die Patin, »verzeih dir die Sünde! was beginnst du?«

»Ich bin nicht wert, daß sie mich sehen, und ich will sie nicht sehen. Ich weiß nicht, Patin, ich möchte sterben ... aber auf dem Wall: erschossen werden! ... sie stampfte mit dem Fuß. »Warum bin ich kein Mann?«

»Auch als Mann hast du eine Seele!« sagte die Patin.

»Ach, die Männer,« erwiderte Gilberte, »die tun, was sie wollen!«

Die Patin lächelte.

Am nächsten Morgen wurde Frau von Baudias in so früher Dämmerung geweckt, daß sie Licht machen mußte, um den Brief zu lesen, den die Magd ihr ins Zimmer trug. »Wer hat ihn gebracht?« fragte sie. »Ein Kapuziner«, erwiderte die Magd. Gilberte horchte auf, ohne sich zu rühren. Die Patin ließ sich einen Tisch ans Bett rücken, um die Antwort zu schreiben.

»Wir bekommen heute mittag einen Gast, Gilberte!« sagte sie später.

»Einen Geistlichen?« fragte Gilberte heftig.

Frau von Baudias sah sie mit eigentümlichem Ausdruck an. »Du wirst ja sehen!« erwiderte sie zuletzt lächelnd.

Aber als Gilberte in das Eßzimmer trat, blieb sie starr auf der Schwelle stehen: der Mann im grauen, rot- und silbergestickten Leibrock, der sich von seinem Stuhle erhob, um sich vor ihr zu verbeugen, war der Fremde, den sie vor drei Nächten in der Klosterpforte gesehen und von dessen Gesicht sie keinen Zug vergessen hatte. Ihr Gebaren erregte bei der Patin und dem Gast, die es sich in keiner Weise erklären konnten, nicht nur Verwunderung, sondern auch eine gewisse Unruhe, die ihr nicht entging. Sie sah wohl, daß der Fremde, auch während er mit der Patin sprach, sie manchmal betrachtete, worauf sie nur die Unterlippe vorschob. Als er fragte, ob sie eine Tochter des Parlamentsrats von Espagnet wäre, sprudelte sie sogleich hervor, daß sie, wie ihr Vater, für das Parlament und die Prinzen sei.

»Ich bin nicht ihr Gegner,« sagte der Gast, »aber ich wünschte, es wäre Frieden im Land, mein Fräulein.«

»Das wünschen alle«, sagte Frau von Baudias.

Gleich nach Tisch zog sich die Patin mit ihm zurück, und Gilberte hörte sie im Nebenzimmer leise miteinander sprechen. Dies dauerte stundenlang, und das Mädchen hatte alle Zeit, über die Sache nachzudenken. Erst in der Dämmerung verließ er das Haus.

»Wie gefällt dir Herr von Maleville?« fragte die Patin.

Sie zuckte die Achseln. »Ich mag die Fledermäuse nicht!«

»Warum glaubst du das von ihm?«

»Er ist doch eine Fledermaus – das sehe ich!«

»Er ist ein Freund meines verstorbenen Mannes, und ich achte ihn sehr.«

»Was tut er hier?«

»Ich muß ein Haus verkaufen: er hilft mir seit langem bei meinen Geschäften.«

»Er ist erst seit drei Tagen in Bordeaux!«

Der Patin fiel der Becher, den sie reinigte, aus der Hand, und sie sah Gilberte so betroffen an, wie diese zu Mittag den Mann angestarrt hatte. Aber das Mädchen eilte auf sie zu, küßte ihre Hände und rief: »Glauben Sie nur nicht, Patin, daß ich Ihre Freunde verraten will!« und fiel ihr um den Hals und weinte. Dann erzählte sie, was sie in jener Nacht gesehen hatte. Die Patin sprach kein Wort. Erst nach einer Weile begann sie, Maleville zu preisen, der für seine Freunde oft das Leben gewagt; sie fügte hinzu, daß er hohe Stellen hätte erreichen können, wenn er nicht ohne jeden Ehrgeiz wäre, wie auch alles Gold der Erde für ihn ohne Lockung sei.

»Was suchte er nachts im Kloster?« fragte Gilberte.

»Der Pater Guardian und er sind Freunde! Er kam auch nicht, wie du glaubst, von draußen, sondern nur von der Vorstadt herüber.«

Gilberte erwiderte nichts.

Am nächsten Tage wurde sie hinabgerufen und fand nur Herrn von Maleville im Zimmer. Die Magd berichtete ihr, daß Frau von Baudias ausgegangen sei und sie bitten lasse, ihrem Freunde so lange Gesellschaft zu leisten.

Maleville saß, den Degen über den Knien, im Stuhle zurückgelehnt, am Kamin. Er mochte zwischen dreißig und vierzig Jahren alt sein. Seine Gestalt war schlank und kräftig; die Augen waren sanft, über den seinen Lippen wuchs ein dichter brauner Schnurrbart, und eine Fliege am Kinn. Er trug eine Perücke von braunen Locken, die auf seinen Spitzenkragen fielen. Ein Lächeln, das ihn beinahe nie verließ, umspielte den Mund, das so tief war, daß Gilberte es als seltsam empfand, ohne es gewahr zu werden.

Anfangs gab sie auf seine Reden nur kurze Antworten, aber er sprach so liebenswürdig und witzig, daß ihr Trotz nicht standhielt. Frau von Baudias kam erst zurück, als das Ave-Maria zu läuten begann und die ehernen Töne von den nahen Kirchtürmen über all die hohen engen Häuser hinfluteten. Gilbertens helles Lachen verstummte, Maleville nahm den Hut ab, und alle drei bekreuzigten sich. Als die Glocken ausgeschwungen hatten, sagte Frau von Baudias zu ihrem Gast: »Das hier ist eine kleine Rebellin gegen Gott, die nicht mehr beten will, weil sie Schlechtes erfahren hat.«

Das glaubte Herr von Maleville nicht. Er selbst habe die Hand Gottes so oft und gegenwärtig empfunden, versicherte er, daß er sich in der größten Gefahr vollkommen ruhig fühle, weil nicht Mensch noch Teufel ihm etwas anhaben könnten. Und so gehe es jedem, der vertraue. »Auch Ihnen, kleine Gilberte,« sagte er, »freilich muß man rein sein und jede Sünde gebeichtet und gebüßt haben. Man muß nicht die anderen richten, sondern sich selbst.«

Gilberte schwieg. »Sie hat sogar die Heiligenbilder zur Wand gelehnt, um sie nicht zu sehen!« berichtete die Patin.

»Oh!« sagte Herr von Maleville und begann von verschiedenen Heiligen schöne Wunder zu erzählen.

Gilberte hörte ihn ruhig zu Ende, dann sagte sie: »Gut, ich will es glauben; aber so reizend die Heiligen sind, so schlecht sind die Priester!«

Da lachte Herr von Maleville aus vollem Halse und sagte: Das wolle er ihr gern zugestehen, wenigstens von sehr vielen des Standes!

Er sprach noch einige Zeit fort; und Gilberte saß zuletzt ganz still da, mit Tränen in den Augen.

Als die Patin in die Schlafkammer trat, stand Gilberte vor dem Spiegel und wütete mit einer großen Schere in ihrem vollen dunkelblonden Haar: eine große Strähne lag bereits auf der Erde.

»Gilberte, um Gottes willen, was tust du? Das mußt du nicht!« rief die Patin aus.

»Ja, ich muß büßen«, rief Gilberte. Aber die Patin wollte es nicht dulden und entriß ihr die Schere.

Trotzdem Gilberte sie zu schweigen beschwor, erzählte die Patin Herrn von Maleville, was sie getan hatte, und »Das tut nicht not,« sagte auch er, »es wäre denn, sie fühlte einmal den Beruf, ihr Haar ganz Gott zu opfern«. Frau von Baudias ließ indessen die weiche Locke durch ihre Hand gleiten und sagte: »Mancher würde sich freuen, dieses schöne Haar als Liebespfand heimzutragen!«

»Nun, auch ein solcher mag kommen«, erwiderte Herr von Maleville lächelnd. Gilberte ward glühend rot.

Die ganze Nacht hörte die Patin das Mädchen sich im Bette umherwerfen; und als sie gegen Morgen endlich entschlief, wurde sie durch heftiges Glockenläuten geweckt. Mit den Worten: »Ich muß zur Beichte!« fuhr sie empor; aber wildes Geschrei scholl von der Straße herauf, und die Patin saß ängstlich im Bett aufgerichtet und lauschte.

Auch vom geöffneten Fenster konnten sie nicht erkennen, was es galt; sie hörten nur immer wieder unheimliches Geschrei vieler Stimmen, Menschen liefen durch die Gasse, gelegentlich tönte der Hufschlag eines Pferdes herauf. Der Hausknecht, den sie hinunterschickten, kam mit der Nachricht zurück, daß eine Verschwörung gegen das Stadtregiment entdeckt worden; die Hauptanstifter wären bereits gefangen und auf dem Rathaus in Gewahrsam gebracht. Mehr hatte er nicht erfahren können. An dem Schrecken der Patin erkannte Gilberte, daß sie etwas gewußt hatte, und sie schloß, daß Maleville an der Sache beteiligt und in Gefahr sein mußte. Die widersprechendsten Gefühle regten sich in ihr.

Immer mehr Bewaffnete kamen im Laufe des Morgens vorbei, und einmal scholl so furchtbares Gebrüll von einem nahen Platz herüber, daß selbst Gilberte erstarrte, obschon sie in den letzten Jahren oft tobende Mengen durch die Straßen hatte ziehen sehen. Zweimal legte Frau von Baudias Mantel und Maske an, um auszugehen, und zweimal ließ sie sich von dem flehenden Gesinde im Hause zurückhalten. Aber über das, was beide erregte, sprach sie mit Gilberten kein Wort. Gegen Mittag pochte es an die Haustür: Herr von Espagnet verlangte Einlaß. Sein hageres braunes Gesicht schien noch leidenschaftdurchfurchter als sonst: er trug keine Perücke, das schwarze Haar hing ihm wirr um den Kopf. Er kam Gilberte holen, weil sie im Haus der Patin nicht mehr sicher sei. Beide Frauen bestürmten ihn um Nachricht.

»Zwei verfluchte Pfaffen haben die Stadt verraten«, sagte er.

»Aber wer? wer?« rief Frau von Baudias.

Espagnet sah sie bitter an. »Wer? Der eine ist Ihr guter Freund, der Pater Ithier, den haben wir! Der andere ist der Pater Berthod, den werden wir finden!«

»Der Pater Berthod ist zu Weihnachten in Bordeaux gewesen und seither nicht mehr,« sagte Frau von Baudias, »das weiß ich!«

»So?« sagte Herr von Espagnet höhnisch, »auch Ihre guten Freunde sagen Ihnen nicht alles! Man wird übrigens auch Ihr Haus durchsuchen!«

»Das kann man!« erwiderte Frau von Baudias ruhig.

»Man hat alle Stadttore geschlossen und besetzt: er kann nicht entkommen.«

»Wenn er wirklich verraten hat, verdient er es auch nicht besser!«

»So ist es«, sagte Herr von Espagnet. »Komm, Gilberte!«

Die Patin selbst hieß Gilberte gehen, da diese zögerte. Während beide einander umarmten, fühlte Gilberte, daß ihr ein Papier in die Brust geschoben ward, und hörte die Patin flüstern: »Verbirg es!« Sie nickte.

Sie liebte ihren Vater und hing sich in seinen Arm. Im Gehen ließ sie sich von ihm erklären, was geschehen war. Es war ein trüber, nebliger Tag, die Straßen sahen noch enger und düstrer aus als sonst. Da und dort standen Bewaffnete vor den Türen, und Leute wurden aus den Häusern geschleppt. Vor der Kirche und dem Pfarrhof von Sankt Peter stand eine brüllende Menge, und mit Schrecken sah Gilberte, wie jemand aus einem Fenster fiel. Ein Wehruf erscholl, der von Gelächter übertäubt wurde. An dem Kloster der Barfüßermönche waren alle Türen eingeschlagen, Fenster ausgerissen; Betten, Möbel, selbst Heiligenbilder und Kreuze lagen zerbrochen auf der Straße. Von drinnen tönte klägliches Geschrei, und sie sahen Mönche, die mit aufgehobenen Kutten, verfolgt unter Schlägen, flohen.

Ein Mann mit schwärzlichem Gesicht und mit Pechhänden, eine Muskete auf der Schulter, trat auf Herrn von Espagnet zu: »Zwei Regimenter sollten die Tore nehmen,« sagte er, »und die ganze königliche Flotte den Fluß herauffahren, während es hier losging. Furchtbar! Schandbar! Aber man wird ihn rädern! ... Totschlagen den Hund!« brüllte er plötzlich mit so erschreckender Stimme und Wut, daß Gilberte, beide Hände an den Ohren, zurückwich. Die ganze Breite der Gasse ward von einem Zuge gesperrt, so daß sie und ihr Vater auf die Torstufen eines Hauses hinaufgedrängt wurden. Ein paar Reiter des Prinzen von Conti bahnten den Weg, dann kamen fünf Kerle, die einen grauhaarigen Mönch, dem die Hände auf den Rücken gebunden waren, an einem Strick hinter sich Herzogen. Er ließ sich zerren mit wehmütigem Gesicht, ohne Klage. Hunderte von Leuten mit Gewehren und Spießen folgten, Handwerker, Weiber und Kinder drängten neben- und hinterher, und alle schrien durcheinander: »Hängt ihn! Schlagt ihn tot! Reißt ihm das Herz aus!« Ein bessergekleideter Mann trat zu ihnen auf die Stufen und redete Herrn von Espagnet an: »Drei Regimenter stehen vor der Stadt!«

»Nein, nein!« sagte Herr von Espagnet.

»Ja, doch, Charton steht in Flammen!«

Espagnet zuckte die Achseln. Sie drängten sich durch die Menge nach dem Rathause. Dort stieg ihr Vater die Treppen zum großen Saal hinauf und hieß Gilberte in einer Schreibstube warten. Die Männer, die drin schrieben, boten ihr höflich einen Lederstuhl zum Sitzen; alle Augenblicke öffnete sich die Türe, Leute kamen und gingen und unaufhörlicher Lärm drang aus dem Sitzungssaal und den von Menschen erfüllten Gängen und Treppenräumen herüber. Einer der Schreiber verlas ein Protokoll über eine Hausdurchsuchung und schielte dabei zu ihr hin. Da fiel ihr der Brief ein, den sie auf der Brust trug; sie dachte nicht, daß sie ihre Partei verriet, sie freute sich bei dem Gedanken, daß sie jene vielleicht rettete. Endlich kam der Vater wieder, und sie gingen nach Hause. Es war schon, drei Uhr nach Mittag; sie war todmüde und hungrig. Die Stiefmutter sagte nur die Worte: »Bist du wieder da?« und setzte ihr und dem Vater ein kaltes Essen vor. Aber selbst während der Mahlzeit ging der unruhige Mann auf und ab und schien mit sich selbst zu sprechen. Nach dem Essen stellte Gilberte sich an? Fenster; der Vater trat zu ihr. Reitertrupps kamen durch die Gasse. »Die suchen den Pater Berthod!« sagte er, »jede Straße und jedes Haus wird der Reihe nach durchsucht.« Wieder dachte Gilberte mit Angst an die Patin; aber der Vater meinte, in allzu Schlimmes würde die sich nicht eingelassen haben, und sonst sei keine Gefahr. Nach diesen Worten küßte er Frau und Tochter und eilte wieder aufs Rathaus.

Gilberte blieb am Fenster. Immer neue Reiter des Prinzen kamen vorüber. Auf einmal sah sie ins Zimmer zurück, ob niemand da war und den Schrei gehört haben konnte, den sie ausstieß: Maleville, im Mantel, den Federhut auf den Locken, ritt unten vorüber und wies mit gezücktem Degen einem Haufen den Weg. Sie konnte sich nicht getäuscht haben und verlor sich in verwirrten Gedanken, die zu keiner Lösung führten.

Dämmerung fiel über die Stadt, in den Straßen war es stiller geworden, und von Müdigkeit übermannt, schob Gilberte sich die Kissen auf einer Truhe zurecht und schlief ein.

Lärm und helles Licht, das durch die Fenster fiel, weckte sie. Im Zimmer war es völlig finster geworden, nur von draußen kam ein roter Schein. Vom Fenster sah sie wieder Reiter und Volk, und in der Mitte der johlenden brüllenden Menge einen Karren, auf dem, kahl geschoren, im Hemd, einen Strick um den Hals, derselbe Geistliche stand, den sie mittags zum Gericht hatte schleppen sehen, und hinter ihm, das Ende des Stricks in Händen, aus demselben Karren, in rotem Kleid und schwarzer Maske der Henker. Heulen, Gelächter und Flüche tönten aus der Menge; der Fackelschein beleuchtete den alten Mann, der manchmal die Augen schloß und die Lippen bewegte, als ob er betete. Von allen Fenstern blickten die Zuschauer, Wut oder Mitleid im Angesicht.

Gilberte war von allem so überwältigt, daß sie in Tränen ausbrach. Sie weinte noch, als ihr Vater eintrat und sie beruhigte: »Man hat dem Pater das Leben geschenkt. Mehr haben wir nicht für ihn tun können. Er wird durch die ganze Stadt geführt und kommt dann für immer ins Gefängnis zurück.« Das Mädchen sah ihn an, ohne ihn recht zu verstehen; sie erinnerte sich, daß sie den Pater Ithier, der Guardian der Barfüßermönche war, einmal predigen gehört hatte, und schluchzte weiter.

Die Magd setzte die Lampe auf den Tisch; Frau von Espagnet trat ein und steckte vor dem Spiegel ihr hübsches Haar zurecht; die Magd trug Speisen auf, und alle drei setzten sich zum Abendessen, wie an anderen Tagen. »Der arme Mann!« sagte auch Frau von Espagnet, »und zu denken, daß er ein Geistlicher ist!«

»Auch Geistliche müssen ihre Vergehen büßen, Madame«, sagte ihr Gatte streng. Gilbertens Blicke streiften die Stiefmutter, die ihre Augen niederschlug. Der Vater fuhr fort zu erzählen, daß man den anderen Mönch nicht gefunden, daß man alle Barfüßer aus der Stadt gejagt hätte, aber Frau und Tochter, mit eigenen Gedanken beschäftigt, hörten kaum mehr zu.

In den nächsten Tagen war heller Sonnenschein. Die Stadt beruhigte sich nach dem mißglückten Anschlag um so schneller, als sich herausstellte, daß man die Nähe des Feindes übertrieben hatte. Die Kaufleute standen wieder in den Läden, die Ausrufer schrien Wasser und Milch und Oliven aus, Fleischer und Bäcker trugen ihre Waren in die Häuser, und die übermüdete Gilberte schlief. Am dritten Morgen kam ein Brief von der Patin, der sie zu einer Unterhaltung einlud. Der Vater selbst brachte sie hin. Frau von Baudias empfing ihn heiter und sagte: »Sie sehen, ich hatte recht: der Pater Berthod war nicht in der Stadt!«

»Oder er ist rechtzeitig gewarnt worden und entkommen!«

»Nicht von mir!« sagte Frau von Baudias lachend.

»Das habe ich auch nicht sagen wollen.« Damit verabschiedete er sich und ging in die Sitzung.

»Weißt du, wer uns die Unterhaltung gibt?« sagte die Patin, als er gegangen war, »Herr von Maleville! In meinem Garten bei der Kartause. Wein und Speisen sind schon hinbestellt!«

Während Gilberte sich noch wunderte, kamen der Schwager der Patin, Herr von Baudias, der Stadtjurat war, ihre Schwester, Madame Ferrand, und eine Schulfreundin Gilbertens, Denise La Trève. Herr von Baudias, ein rüstiger Mann von fünfzig Jahren, küßte beide Mädchen auf die Wangen und scherzte mit ihnen; da trat Herr von Maleville ein, und Gilberte, die tiefer im Zimmer stand, freute sich, daß die anderen zunächst einen Kreis um ihn bildeten; denn sie fühlte, daß ihre Wangen wieder zur Unzeit rot wurden. Er aber verneigte sich jetzt mit tiefgezogenem Hute vor den beiden jungen Mädchen und bat um die Erlaubnis, sie vorausführen zu dürfen.

In den Straßen wurden Kanonen nach den Stadtwällen gefahren. »In solchen Zeiten«, sagte Maleville, »muß jeder seine Pflicht tun, gleichgültig, was er sonst denken mag. Aber wir wollen nicht von bösen Dingen reden. Dazu bin ich in zu hübscher Gesellschaft.«

Er wurde fast ausgelassen in seinen Scherzen, trällerte Liedchen, und auf dem großen Weg unter den Ulmen fragte er, wer wohl am leichtfußigsten unter ihnen wäre? Da die Mädchen zauderten, faßte er jede an der Hand, und sie mußten ein Stück mit ihm laufen. In der Nähe des Tores vom Roten Hut schob er beider Arme in die seinen und sang laut:

»Ein Viertelstündchen vor dem Tod
War er noch am Leben!«

Sie lachten und sträubten sich ein wenig; die Wachen am Tor lachten noch mehr und riefen ihnen ermunternde Witze zu, obschon auch einige mit finsteren Gesichtern, auf ihre Musketen und Spieße gelehnt, unter dem dunkeln Torbogen standen. In geringer Entfernung vom Stadttor setzte Maleville sich auf eine niedere Steinmauer am Wege, ließ seine Füße baumeln und machte Witz auf Witz, so daß sie nicht aus dem Lachen fanden. Nach kurzer Zeit kamen auch Herr von Baudias und die beiden Damen, und eine halbe Stunde später hatten alle das Landhaus erreicht. In dem ungepflegten Garten blühten die wilden Narzissen, die Pfauanemonen und Kornelkirschenbäume, aber die Zimmer waren vollkommen leer, und für eine Mahlzeit schien nichts vorbereitet. Frau von Baudias und ihre Schwester gingen ins Haus, und nach einer Weile erschien die erstere an einem Fenster und rief Gilberte, die gleichfalls hinaufging. In einem der öden Zimmer, in das nur durch die Spalten der Läden etwas Tageslicht fiel, kniete die Patin auf dem Boden und war damit beschäftigt, umherliegende Papiere in einen kleinen Sack zu tun. Frau Ferrand hatte, so wie ihre Schwester, ihr Kleid emporgeschlagen und zog noch weitere Papiere aus der Tasche ihres schwarzen Taftunterrockes hervor, und reichte sie ihr. »Hast du das Papier noch, das ich dir gegeben?« fragte die Patin. »Ja!« sagte Gilberte. »So gib es mir schnell!« Es war ein versiegelter Brief; Gilberte, die ihn wohlverwahrt hatte, zog ihn hervor. Darauf küßte die Patin sie innig und sagte: »Liebling, du wirst noch alles verstehen. Geh nur!«

Im Garten sah sie Maleville auf einem Baum, von dem er Zweige mit Kätzchen brach. »Palmzweige!« rief er und warf Fräulein La Trève, die unten stand, welche hinab. Dann ließ er sich wieder zur Erde. In dem Augenblick kam Herr von Baudias um die Ecke. »Es ist noch immer nichts da. Wir müssen nach dem Wirtshaus gehen!«

»Sogleich, mein Freund,« erwiderte Maleville, »Gilberte!«

Sie kam auf ihn zu. »Liebes Kind,« fragte er, indem er sich ein paar Schritte mit ihr entfernte, »haben Sie Ihre große Sünde schon gebeichtet?«

»Welche Sünde?« fragte sie lachend.

»Die furchtbare Sünde, die Sie in jener Nacht begehen wollten, da Sie mich zuerst sahen!«

Gilberte wurde totenbleich. »Warum sprechen Sie jetzt davon?« sagte sie, und Tränen stürzten ihr aus den Augen.

»Tun Sie es mir zuliebe,« sagte er mit einer plötzlichen Innigkeit im Ton, »damit Sie rein dastehen! Es gibt auch gute Priester dort in der Stadt.« Er wies in der Richtung, aus der sie gekommen waren.

»Maleville!« rief Herr von Baudias.

»Ich komme!« rief er zurück, nahm den Hut, den er ins Gras geworfen, vom Boden auf, machte beiden Mädchen eine halb scherzhafte Verbeugung und ging.

Die vier Frauen blieben allein, aber nach einer Weile erschien wirklich ein Mann mit einem Korb, der einige Flaschen Wein und ziemlich einfache Speisen enthielt. Sie waren hungrig und aßen, wie es eben gehen wollte. »Wann kommen die Herren zurück?« fragte Fräulein La Trève, die sich zu langweilen anfing.

Endlich fuhr ein Wagen vor; der Kutscher begehrte Frau von Baudias zu sprechen, und sie teilte den anderen mit, die Männer hätten einem Boten begegnet, der sie in Geschäften dringend weggerufen, es sei diesmal nichts, und alle fuhren in die Stadt zurück, Denise enttäuscht, Gilberte und die beiden Frauen in vielen Gedanken.

Sie saß noch bei der Patin wach, – die anderen waren heimgegangen, – als spät Abend Herr von Baudias kam. »Alles in Ordnung,« sagte er, »aber der Mann ist wunderbar. Am Fluß fanden wir drei Brigantinen verankert und die Straße von Wachen besetzt. Ich hielt uns für verloren; aber er geht auf sie zu, verlangt den Kapitän zu sprechen und bittet, daß er ihn durch ein paar Matrosen in einem Boot nach dem anderen Ufer übersetzen lasse, wo er zu tun habe; kein Schiffer in Bordeaux habe es tun wollen, obwohl er von der Partei sei. Der Kapitän entschuldigte sich, weil drüben Irländer von der königlichen Armee lägen und es zu gefährlich sei. Das gleiche bei den zwei anderen Brigantinen; alle lehnen ab, und so kamen wir an allen dreien vorbei und an den Ort, wo der Schiffer ihn erwarten sollte; aber er war nicht da. Wir warteten drei Stunden in einiger Angst vor den Bauern, die uns auch totgeschlagen hätten, weil sie alles totschlagen, bis Sonnenuntergang, dann kam der Schiffer: man hatte ihn im Hafen angehalten und gezwungen, ein Bataillon des Prinzen nach der Vorstadt übersetzen zu helfen. Das hatte so lange gedauert. Nun aber schiffte er sich ein und läßt euch alle grüßen, insbesondere seine Freundin Gilberte.«

»Gott, mein Heiland und seine allerheiligste Mutter seien gepriesen!« sagte die Patin.

»Er ist also doch eine Fledermaus!« rief Gilberte, aber es klang nichts Böses aus ihrem Ton.

»Er ist der wunderbarste aller Menschen!« rief Frau von Baudias begeistert. Sie holte eine Flasche alten Weines aus dem Wandschrank, und alle drei stießen auf »eine glückliche Reise für Ihn!« an. Dann nahm sie die Lampe vom Tisch, leuchtete selbst ihrem Schwager die Treppe hinab und ging mit Gilberten zur Ruhe.

Monate vergingen, und Gilberte hörte nichts mehr von Maleville. In der Stadt gewann die königliche Partei nach manchen Kämpfen und Unruhen die Übermacht und das Handwerkerregiment fiel. Ihr Vater ging mit düsteren Mienen und vernachlässigte Frisur und Kleidung noch mehr. Es war ein Gehen und Kommen, und endlich war der Friede geschlossen und die königliche Armee zog im Triumph in die Stadt ein. Die Patin jubelte, und ihr Vater mußte fliehen.

Als der Pater Ithier, aus langem Gefängnis befreit, vor den königlichen Generalen in der Kirche des heiligen Andreas die Festpredigt hielt, stand Gilberte mit ihrer Patin nach dem Gottesdienst in der sich leerenden Kirche, um nach den Herren zu sehen, die noch um den Altar standen und den Prediger beglückwünschten. Sie sahen nur von Gold und Seide blitzende Kleider, weißseidene Schärpen und Samthüte, an denen Diamantagraffen die mächtigen Straußfedern festhielten. Da hörte Gilberte plötzlich eine wohlbekannte männliche Stimme sprechen. Sie wendete sich rasch um: hinter ihr stand ein barfüßiger braunkuttiger Mönch mit geschorenem Kopf und einem kurzen braunen Bart; aber sie erkannte die seinen Lippen und den sanften Ausdruck der Augen: »Herr von Maleville ...« sagte sie betroffen.

»Nur der Pater Berthod,« antwortete der andere mit demütig gesenktem Haupt, »der Euch tausendmal dankt, daß Ihr ihm mit zur Flucht geholfen und das Leben gerettet habt.«

Frau von Baudias küßte ihm bereits die Hand: »Ihr habt wie gewöhnlich, nichts verlangt, Pater Berthod! Der Pater Ithier wird Bischof, aber Ihr?«

Er lächelte. »Ich habe den Frieden erreicht«, sagte er. »Und diese hier?«

Gilberte war blaß geworden und sprach kein Wort. »Wenn ich Euch einen Dienst erweisen kann ...« fuhr der Mönch fort. Aber die Patin mußte ihr sagen: »Bitte doch um die Rückkehr deines Vaters! Ihm wird nichts verweigert!«

»Nein,« sagte Gilberte, »ich bitte um die Versetzung des Pfarrers von Sainte Aularie!«

»Auch das ist ganz gut«, sagte Frau von Baudias und nahm den überraschten Pater beiseite.

Aber Gilberte stand noch immer rot und bleich da, und als sie dem Mönch die Hand küßte, zitterte sie so, daß er die seine rasch zurückzog. Er warf einen Blick auf sie, zog die Brauen hoch und nahm Abschied.

Die ganze Nacht hörte Frau von Baudias das Mädchen leise in die Kissen schluchzen. Am Morgen war sie ein wenig bleich, schien aber völlig gefaßt.

Sie wurde in diesen Jahren sehr groß und mager, war immer ernst und verbrachte viel Zeit in Andacht. Von Maleville sprach sie nie ein Wort. An ihrem achtzehnten Geburtstag wurde sie bei den Karmeliterinnen eingekleidet. Nur Frau von Baudias ahnte, was Gilbertens Berufung gewesen war.

*


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