Paul Ernst
Die Taufe
Paul Ernst

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Fortsetzung der Geschichte von der Taufe

Während dieser Erzählungen waren die übrigen Geladenen allmählich eingetroffen. Nun vereinigten sich alle, um in den kleinen Saal zu gehen, der als Taufkapelle hergerichtet war. Die Mutter trug, stolz errötend, in weißem Kissen das Kind; sie wollte es selber bei dieser bedeutenden Handlung in die Hände der Paten legen. Am Taufbecken stand der würdige Pastor, neben ihm die Freunde, die dem Kinde den Namen geben sollten, voran der Großvater. Das Kind sah mit aufmerksamen Augen ringsum, dann heftete es den Blick auf eine der brennenden Kerzen. Der Pastor begann zu sprechen; die Mutter gab das Kind ängstlich dem Großvater; es sah dem alten Mann ins Gesicht, und wie der sich zärtlich überbeugte, griff es ihm mit festem Händchen in den grauen Vollbart; so hatte es ihn eine Weile, indessen der alte Mann, der die heilige Handlung nicht stören mochte, mit verzogenem Gesicht still hielt. Der Pastor wandte sich mit einem Wort zu dem Kind; es sah nun den Pastor an und ließ den Bart des Großvaters los. Dann empfing es der Pastor, benetzte es dreimal mit dem Wasser und sprach die Taufformel; es verzog schon die Miene zum Weinen, es bezwang sich aber, blickte wieder starr dem Pastor ins Gesicht und schwieg.

Wie die Handlung beendet war, nahm die Mutter, besorgt und glücklich, ihr Kind wieder in den Arm; es war die bestimmte Stunde und sie ging fort mit ihm auf ihr Zimmer, um ihm die Brust zu geben.

Die Gäste aber traten nun in den großen Saal, wo die Tafel war, und setzten sich nach der Ordnung.

Der Bursche des jungen Professors, der aus dem Dorfe stammte, in welchem das Gut des Herrn v. Brake lag, hatte gleichzeitig mit seinem Herrn Urlaub bekommen. Es war schon darüber gescherzt, ob nun wohl die Köchin auch nicht die Suppe versalzen werde, denn eine zärtliche Neigung von ihr zu dem stattlichen Feldgrauen war unverkennbar. Der Bursche hatte gebeten, bei der Aufwartung helfen zu dürfen; nun kam er mit betroffener Miene in den Saal, trat hinter den Stuhl des alten Herrn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Man sah, wie dem eine zornige Röte ins Gesicht stieg; aber der junge Ehemann hatte aus dem verlegenen Gesicht des Burschen vermutet, was geschehen war, und als er nun die ärgerliche Miene des Schwiegervaters sah, da konnte er sich nicht mehr halten und mußte lachen; die Nachbarn fragten, und er rief laut über den Tisch dem Burschen zu: »Die Suppe ist versalzen?« Der Bursche legte die Hand an die Hosennaht, klappte mit den Absätzen zusammen und erwiderte: »Zu Befehl, Herr Leutnant.« Da lachten auch die übrigen Gäste, und zuletzt stimmte der alte Herr ein; der Bursche entfernte sich mit militärischen Schritten.

Indessen in der Küche nun eine neue Suppe schnell bereitet wurde, entwickelte sich ein heiteres Zurufen, Fragen und Schwatzen unter der Tischgesellschaft. Aber, wie das so ist, wenn einmal eine gewisse Richtung gegeben ist, in ganz kurzer Zeit stellte es sich heraus, daß Geschichten erzählt wurden. Paul Ernst schlug an sein Glas und erklärte, es darf immer nur einer erzählen; alle fanden das billig; und so wurde erst dem einen, dann dem anderen für eine Geschichte das Wort gegeben.

Dieses sind nun die Geschichten, welche erzählt wurden, während man in der Küche die neue Suppe bereitete.


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