Paul Ernst
Die Taufe
Paul Ernst

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Die Taufe

In den stattlichen Räumen des Schlosses, das Herr v. Brake sich gekauft, war die Hochzeit seiner Tochter gefeiert, bei welcher, wie wir wissen, so viele schöne Geschichten erzählt wurden. Nun waren wieder Vorbereitungen für ein Fest getroffen; man kann sich leicht denken, daß es dieses Mal einer Taufe galt: das junge Paar hatte das erste Kind bekommen, einen prächtigen Knaben.

Wir erinnern uns, daß Herr v. Brake nicht so ganz zufrieden mit seinem Schwiegersohn war. Desto glücklicher war er nun über den kleinen Enkel, denn er dachte sich, daß der nun ihm alle die Erwartungen erfüllen werde, in denen der Schwiegersohn ihn doch enttäuscht hatte.

Zwischen Hochzeit und Taufe aber war viel geschehen: der Weltkrieg war ausgebrochen. Der junge Gatte, der eben eine außerordentliche Professur erlangt, hatte den Offiziersrock anziehen müssen, war in Flandern und Frankreich, in Polen und Serbien gewesen und weilte nun mit einem kurzen Urlaub bei seiner Familie; Herr v. Brake hatte seine Fabrik umgestaltet und verfertigte nicht mehr Regenschirmgestelle, sondern Feldflaschen aus Aluminium mit Filzbezug; der andere Neffe, der sich inzwischen gleichfalls verheiratet, war mit einer leichten Verwundung und dem Eisernen Kreuz zurückgekehrt; einige der fernerstehenden Gäste, welche an der Hochzeit in Frack und Binde teilgenommen hatten, waren zur Taufe in Feldgrau erschienen, und manche fehlten auch; sie waren im Felde; einer war gefallen.

Herr v. Brake hatte nicht ein rauschendes Fest anrichten wollen, denn die Zeit war zu ernst; aber er hatte doch auch die Taufe des Stammhalters nicht mögen ohne jede Feier vorübergehen lassen. Was Familie bedeutet, das wurde ja jetzt allen besonders deutlich; für die Kinder, welche heute geboren werden, wird ja gekämpft, noch ernster als sonst denken wir über die Zukunft unseres Volkes, die hinter den hellen, unbestimmten Augen der Kleinen schlummert. Noch tiefere Freude als sonst mag also der Großvater fühlen, wenn er hofft, seinen Geist und seine Seele im Enkel erneuert zu sehen.

Noch waren nicht alle Gäste versammelt. Der junge Vater, sein Rival vor der Hochzeit, der gleichfalls hoffen durfte, bald ein Kind sein zu nennen, und einige andere jüngere Herren, fast alle in Uniform, hatten sich im Rauchzimmer zusammengefunden. Das Gespräch war auf die Kriegserlebnisse gekommen; der eine hatte diesen Zug erzählt, der andere jenes Erlebnis; man hatte sich an die Novellen der Hochzeit erinnert, und so war denn schnell der Entschluß gefaßt, die Zeit bis zum Beginn der feierlichen Handlung zu verbringen, indem man, wie damals, erzählte. Paul Ernst war bereits unter diesen ersten Gästen, und so wurden denn diese Novellen von ihm gleich mit aufgezeichnet.

Hier folgen nun die ersten Geschichten.


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