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28.

Alles gut! alles sicher! sagte Monsieur Schlicht, indem er mit geriebenen Händen und frohem Angesichte wieder hereintrat. – Der Knecht hat seinen Ausputzer, und hat sein Trinkgeld weg; der verwünschte nachlässige Kerl!

Den Ausputzer, sagte Herr Stark, hättest Du sparen können.

Nein, nein! Das Trinkgeld eher; denn das hatte der Zufall verdient, aber den Ausputzer er selbst. – – Ach, was ich mich freue, mein lieber, lieber Herr Stark, daß Sie wieder zurück sind! Ich war in gewaltiger Noth.

Um mich? – Mir fehlte Nichts, lieber Vater.

Aber mir desto mehr. – Denken Sie sich nur um's Himmels willen! was für einen Auftrag mir da der alte Herr gibt.

Nun? –

Ich soll zu Ihnen heraufgehen – zu Ihnen, den ich nicht hier wußte! Wie ward mir dabei! – und soll Sie recht genau und recht umständlich befragen, wie es mit der Handlung der Madame Lyk steht, um derentwillen ich so oft habe wachen müssen.

Was? rief Herr Stark, und fuhr mit großer Bewegung vom Stuhle.

Ja ja! – Ob die Activa die Passiva wenigstens balanciren, und in wie kurzer oder wie langer Zeit sie etwa realisirt haben werde?

Schlicht! – Er faßte den alten Handlungsdiener bei beiden Armen. – Mich, mich sollst Du darum befragen? Mich?

Wen denn sonst? – Ihr Vater weiß alle Ihre Gänge zur Wittwe. Sie selbst scheint ihm davon gesprochen zu haben.

Sie selbst? – Ich glaube bei Gott, Alter! es ist nicht richtig mit Dir: Du bist von Sinnen. – Wie kommt mein Vater zur Wittwe?

Hören Sie, junger Herr; sagte Monsieur Schlicht, und schüttelte ärgerlich mit dem Kopfe; das von Sinnen sein lassen Sie weg! Das bitte ich mir aus. Ich habe Gott Lob! so alt ich bin, meine fünf Sinne so gut, wie ein Anderer.

Aber noch einmal, Schlicht! – Antworte, und sei dann böse, so viel Du willst! Wie kommt mein Vater zur Wittwe?

Habe ich denn schon gesagt, daß er zu ihr kam? Sie kam zu ihm.

Sie zu ihm? –

Gestern Vormittag. Hierher in's Haus. – Und kam hier schlimm genug wieder weg.

Ha! rief Herr Stark, und erröthete über und über.

Oder eigentlich stattlich genug. Denn die Frau Doctorin und ich brachten sie in einer Kutsche nach Hause.

In einer Kutsche! Warum? – Er fing an zu erblassen.

Je, sie lag ja in einer Ohnmacht, die arme Frau! daß man geschworen hätte, sie wachte vor dem jüngsten Tage nicht wieder auf.

Großer Gott! – Vielleicht der Vorbote von einer Krankheit, von einer tödtlichen Krankheit!

Ach, hat sich etwas! – Er warf den Kopf in den Nacken. – Sie denkt Ihnen an keine Krankheit. Sie war kaum wieder zu Hause, so war sie flink wie ein Vogel.

Ist das wahr? Ist das sicher?

Wird denn Schlicht Sie belügen? – Aber sagen muß ich Ihnen noch, mein lieber, lieber junger Herr, was ich für eine große, für eine ausnehmende Freude gehabt habe.

Du? –

Ihr Vater hat in Ausdrücken von Ihnen gesprochen; in Ausdrücken! – Er nahm hier einen pathetischen Ton an. – »Mein Sohn hat so rechtschaffen gehandelt – mein Sohn hat sich so brav bewiesen – mein Sohn hat die Großmuth gehabt.« – – Sehen Sie, mein lieber, lieber junger Herr! So hatte ich noch in meinem Leben von Ihnen nicht reden hören.

Herr Stark hätte sich gern ein wenig geschämt, wenn er vor Vergnügen dazu hätte kommen können. Er sah den Nebel, der über seiner Zukunft lag, sich schon ziemlich erheitern, sah den liebsten seiner Wünsche zur Hoffnung werden, und bestürmte nun den alten Schlicht mit einer Menge von Fragen, die aber größtentheils ohne Antwort blieben. – Wenn ich doch nur wüßte, sagte er endlich, was in aller Welt die Wittwe hierher gebracht, was sie gewollt hat?

O, was das betrifft, damit kann ich aus dem Munde des alten Herrn Ihnen dienen. Sie ist in Verlegenheit wegen eines gewissen Horn, der ihr zusetzt.

Horn? rief Herr Stark, und trat mit Heftigkeit gegen den Boden. – Ha! der elende, nichtswürdige Geizhals! So hat er mir doch das Wort nicht gehalten, das ich so mühsam, mit so vielem Zureden von ihm erpreßte! – Ich Thor! Warum bezahlte ich auch den Bettel nicht gleich? – Und was beschließt denn mein Vater? Was will er thun?

Er reißt die Wittwe heraus; ganz gewiß! – Ich werde schon hören, sobald er von der Börse zurückkommt.

Bleibt er dort lange? Was meinst Du?

Ich denke. Er schien ein Geschäft von Wichtigkeit vorzuhaben. Er eilte sehr.

So will ich zu meiner Mutter hinunter. Vielleicht weiß sie mehr, lieber Alter, als Du. Oder, wenn auch sie Nichts weiß – dann zum Schwager, zur Schwester, zur Wittwe selbst!

Halt! halt! rief Monsieur Schlicht, indem er ihn noch glücklich bei dem einen Rockschoß erwischte: so haben wir nicht gewettet, junger Herr; so kommen Sie mir nicht fort! Erst Nachricht, ob die Activa der Wittwe ihre Passiva – –

Nur decken, meinst Du? – Es bleibt noch Kapital-Conto. Nicht wenig.

Schön! – Und die Zeit, wann sie realisirt haben wird?

Drei, vier Monate längstens.

Vortrefflich! – Aber nun möchte ich noch einige Umstände wissen; als Erstens – –

Fort war Herr Stark!

Fort ist er! brummte Monsieur Schlicht, und sah mit Kopfschütteln hinter ihm her. – Das ist mir denn doch wahrlich zu bunt. Dahinter liegt mehr verborgen. – Junger Herr! junger Herr! Sie haben der Wittwe zu tief in die Augen gesehen. Sie sind verliebt. – – Je nun – wenn er's denn einmal ist – was für ein Unglück? – Eine hübsche, wackere Frau ist die Wittwe; das ist gewiß: und wenn sie ihm ansteht – – Sie hat viel Lebensart, muss ich sagen; sie dankte mir gestern gar höflich; sie nannte mich einen lieben Herrn Schlicht über den andern: – Also – wenn sie ihm ansteht – warum soll er sie nicht zur Frau nehmen? Wer wird's ihm wehren? – Immer zu, mein Herr Stark! Immer zum Werk geschritten! Das Junggesellenleben ist ein langweiliges Leben. – Haha! – Da kann ich alter Kindernarr noch in meinen siebziger Jahren etwas zu tragen und zu hätscheln bekommen. – In Gottes Namen! – Ich wollte, sie wären schon da, die kleinen niedlichen Püppchen, und könnten schon laufen.


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