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8.

Madame Stark, die schon einige Zeit auf ihrem Posten gestanden hatte, glaubte jetzt eine unglückliche Wendung des Gespräches zu bemerken, und kam herein. Das Mutterherz war ihr übergetreten, und sie hielt das Tuch vor die Augen.

Bist Du da, lieber Vater?

Auch die? sagte der Alte in sich, und sah nun im Geist mit voller Ueberzeugung auch schon die Tochter kommen. – Ja, wie Du siehst, liebe Mutter. – Er stand auf und ging ihr freundlich entgegen.

Diese Freundlichkeit beunruhigte Madame Stark: sie hätte, nach dem Antrage des Doctors, ihn weit lieber mürrisch und verdrießlich gefunden. – O ich sehe schon, sagte sie, ich werde wieder einmal vergeblich bitten.

Warum? Weil ich freundlich bin, meinst Du? – Ich fürchte es beinahe auch, weil Du weinst. – So ein vierzig Jahre mit einander leben, macht doch sehr mit einander bekannt. – Wenn Du Dein Recht fühlst, weiß ich, da kommst Du so zuversichtlich, so freudig, und ich bleibe dann in meiner gleichmütigen Ruhe; aber wenn Du Dein Unrecht fühlst, da beweinst Du den schlechten Erfolg, den Du voraussiehst, und ich bin dann fein freundlich, um Dich zu trösten. – Nur gleich die Probe zu machen: Was gibt's?

Dein Sohn will von Dir – fuhr sie mit großer Wehmuth heraus.

Wenn er will; – – Du weißt, er ist kein Jüngling mehr; er ist Mann.

Freilich! freilich! Und eben darum – –

Richtig! – Eben darum muß er wissen, was er zu thun hat.

Aber ihn verlieren zu sollen! –

Das ist nicht anders. Söhne gehen in die Welt.

Wenn Du nur mit ihm reden, nur einziges Mal mit ihm freundlich sein, ihm Dein Wort geben wolltest – –

Wie? – wie? – Nun da sieh einmal, Mutter! Sieh, wie Recht Du hast, daß Du weinst! – Ich mein Wort geben? ihm? Und worüber? – Der junge Mensch, sehe ich, wird mir sein aufsäßig, sein trotzig; es verdrießt ihn, einen so wachsamen Beobachter, einen so beschwerlichen Erinnerer zu haben; er möchte gar zu gern den Mund gestopft wissen, aus dem er so unangenehme Wahrheiten hört; er macht da Plänchen, mich in Furcht zu setzen, in Respect zu erhalten; er möchte mir – wie heißt doch die Redensart? – er möchte mir Brillen verkaufen. Eben jetzt hat er da eine fertig, wovon er glaubt, daß sie mir unvergleichlich stehen müßte; und da kommst Du nun, und bittest mit heißen Thränen, daß ich die Nase hinhalten soll, um sie mir aufsetzen zu lassen. – Sage: ist das recht, Mutter? Ist das vernünftig?

Sie hören! sagte die Alte, und streckte die Hand mit dem Tuche gegen den Doctor. – So hat er es immer mit mir getrieben! Das gelte ich bei ihm! Das bin ich ihm werth! – So habe ich mich von jeher müssen verächtlich machen und mißhandeln lassen.

Herr Stark bat, daß sie schweigen möchte; denn das Jammern sei ihm in der Seele zuwider, und Unvernunft höre er nicht gern; aber er bat umsonst, und er hätte selbst können schweigen. Endlich besann er sich, daß er ja auf dem einen Ohre taub sei, und daß er über das andere nur den Stutz ziehen dürfe: was er denn unverzüglich that, und sich gemächlich wieder an seine Arbeit setzte.


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