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4.

Mein Gott! sagte Herr Specht, dem vor Schrecken beide Arme am Leibe niedersanken; der junge Herr war ganz erhitzt, ganz ergrimmt. Ich will doch nicht hoffen, daß meine Gegenwart –

Nicht doch! tröstete ihn der Alte, den seine Uebereilung schon innerlich zu gereuen anfing: es ist nur seine Art so; er macht es nicht anders. – Dann gab er Herrn Specht die benöthigte Summe, mit hinzugefügter Warnung, daß er sein Geld nicht verstecken, sich nicht in mehr oder größere Geschäfte verwickeln sollte, als die er verstände, und übersehen könnte. – Uebrigens, sagte er, wünschte ich, um Lebens und Sterbens willen, eine kleine Verschreibung. Er kann sie mir diesen Nachmittag bringen.

Gewiß! gewiß! sagte Herr Specht; und klopfte ihm wieder, wie zuvor, mit leichter, schmeichelnder Hand auf die Schulter. – Ich dacht' es doch gleich, liebster Herr Pathe, daß mir von Ihnen würde geholfen werden. Auch meine Frau sagte: Geh' immer! So ein Mann, sagte sie, wie der Herr Stark ist, lebt auf der Welt nicht weiter. – Nun, guten Morgen! guten Morgen!

Er hätte ein Vieles darum gegeben, wenn er das unglückliche Wort von der Frau hätte zurückholen können; aber es war heraus, und mit dem Forteilen wollt' es nicht glücken. Herr Stark winkte ihm, wieder umzukehren, und drohte ihm, nicht ohne Ernst, mit dem Finger.

– Weil Er doch selbst von ihr anfängt, mein lieber Specht, und weil ich's bisher immer vergessen habe; – sag' Er mir einmal recht aufrichtig: wär' Er nicht ein wenig verliebt in die Frau?

Je nun, stotterte dieser – ein junger Ehemann – freilich –

Der selige Lyk, denk' ich, war's auch. Und nun, die Wittwe – die ihm das Seinige vertändelte, verputzte, vertanzte, verschmauste – Er weiß ja wol besser, als ich's Ihm sagen kann, was dort für Umstände sind. Gar nicht mehr so glänzende, als vordem. – Nehm' Er sich also in Acht, lieber Specht! Sei Er auf seiner Hut!

Aber wie so, bester Herr Pathe? wie so? – Meine Frau –

Ist mir gar sehr nach der Mode. Alles, was nur aufkommt, das macht sie mit. Und darum stell' ich mir vor – weil Er doch nur ein Anfänger ist, und weil ich Ihn doch sonst als guten Haushälter kenne – ich stelle mir vor: Er hat so eine gewisse schwache Seite, und die junge Frau hat die ausgekundschaftet. – Hab' ich's getroffen?

Liebster, bester Herr Pathe – –

Man gesteht das nicht gern. Schon gut! – Aber ich bitt' Ihn, als Freund, lieber Specht! nehm' Er sich in Acht! Sei Er ein Mann! – Bei einer schlechten Wirthin geht der beste Wirth von der Welt zu Grunde; da ist kein Haltens. Er füllt da in ein löcherichtes Sieb: und wenn Er sich auch zu Schanden füllte, Er bringt in Ewigkeit Nichts hinein. – Ich weiß zwar wol, fuhr er nach einem Weilchen mit Schmunzeln fort, wie's die Weiber zu machen pflegen –

Ja freilich, freilich, seufzte hier Specht, und fuhr sich mit dem Finger hinter die Ohren. Da steckt's!

Wie sie den jungen Mann in die Enge treiben; Launen haben, Zufälle haben, Beklemmungen und Ohnmächten haben – Gott weiß, was Alles? – und wie dann auf einmal wieder das Wetterglas steigt und heitere Sommerluft wird; wie sie da schmeicheln, liebkosen, tändeln, und dann so unversehens, als wenn ihnen Nichts drum wäre, damit herausrücken: die da, die trägt Dies und trägt Das; die geht hier hin und dort hin; die macht Dies mit und Das mit: – die Närrin! – Unser Eine ist doch eben, was sie ist. –

Nun wahrhaftig! rief Specht, dem über die gute Laune des Alten das Herz wieder ganz leicht ward: – Es ist, als ob Sie hätten dabei gestanden.

Und wenn sie dann den guten Tropf in der Schlinge haben: wie sie da küssen, liebäugeln, herzen –

Ganz, wie sie's zu machen pflegen! – indem er die größte Verwunderung vorgab – ganz nach der Natur! Zug vor Zug!

Ei, ich weiß das. Ich bin ja alle die Schulen durchgegangen. – Aber, zum Henker, Pathe! Der Mann muß Mann sein; er muß ein Herz von Stahl und von Eisen haben. – Immer liebreich, nie verliebt: ist die Regel. – Und was verliert man denn nun, wenn man sich darnach hält? Man gewinnt! Denn wer der Frau nachgibt, der hat nur dann und wann gute Tage; wer sein Ansehen behauptet, der hat sie immer. – Oder meint Er etwa, daß die junge Frau des Mannes nicht eben so bedürftig ist, als der junge Mann ihrer? – Possen, Possen, mein lieber Specht! Eben so bedürftig; und unter uns: oft wol mehr!

Nun wart! – sagte dieser, indem er hinter sich sah, und die strengste Miene zog, die in sein flaches Gesicht nur hineinwollte – an das Gespräch will ich denken. – Ich will Dich mir künftig anders ziehen. –

Aber mit Art, versteht sich. Mit Art!

Ei freilich! die Art ist die Hauptsache. Die muß nicht vergessen werden. – Und nun wandt' er Geschäfte vor, die ihn eiligst nach Hause riefen, und ging. Des festen Vorsatzes vermuthlich, Nichts zu wagen, was ihn vielleicht gereuen, und Nichts anzufangen, was er vielleicht nicht durchsetzen möchte.


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