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Aber es wurde zehn Uhr, und der Rechtsanwalt erschien nicht. Dagegen kamen die Journalisten zurückgestürmt und wollten durchaus Asbjörn Krag über den Fall interviewen.
In wenigen Worten tat er ihnen seine Ansicht kund.
»Es ist ein sehr geheimnisvoller Fall«, sagte er. »Bis jetzt haben weder die Verhöre noch die Nachforschungen, die von verschiedenen Seiten angestellt worden sind, Licht in die Sache gebracht. Das einzige, was man weiß, ist, daß der alte Oberst Holger einen Feind hat, der ihm nach dem Leben trachtet. Der Schlag, der ihn getroffen hat, ist so gewaltsam geführt, daß der Täter unbedingt im Sinn gehabt haben muß, ihn tödlich zu treffen.
Vorläufig sagen die Aerzte, der Oberst sei außer Lebensgefahr, aber es werden vermutlich noch mehrere Tage gehen, bis er zum Bewußtsein kommt. In dieser Zeit könnte der Täter längst entschlüpft sein, so muß man also sehen, sich, so gut es geht, ohne die Aussagen des Obersten zu behelfen.
Die Indizien, die bis jetzt dem Gericht vorliegen, sind meiner Meinung nach nicht so überzeugend, daß sie eine Verhaftung rechtfertigen würden«, fuhr Asbjörn Krag fort, während die Journalisten eifrig Notizen machten. »Die Leute waren bisher geneigt, anzunehmen, der Herr, den Sie dort sehen, sei durch das Verhör und die Untersuchung stark belastet. Da sein Name doch schon in den Zeitungen genannt worden ist, trage ich kein Bedenken, ihn zu nennen. Es ist Rittmeister Rye. Gewiß, meine Herren, wir haben Indizien, die darauf hinzudeuten scheinen, daß der Rittmeister der Täter sein könnte. Mit einigem gutem Willen kann man diese Indizien sogar für völlig überzeugend erklären, und ich kann Ihnen versichern, daß aus dem einen oder dem andern Grunde fast alle Menschen hier in der Gegend diesen guten Willen haben. Es sind aber wichtige Umstände vorhanden, die diese Indizien teils einander widersprechend erscheinen lassen, und teils sie, was den Rittmeister betrifft, vollständig außer Betracht setzen. Ich räume ein, daß wir Jugendfreunde sind, allein ich spreche hier nicht als sein Freund, sondern als Polizeimann. Sollte es sich ergeben, daß der Rittmeister der Schuldige ist – nun, dann läßt sich eben nichts machen. Aber nichts sollte mir lieber sein, als wenn es mir gelänge, seine Unschuld zu beweisen. Ich glaube fest daran, daß er unschuldig ist. Ich werde mich indessen nicht darauf beschränken, seine Unschuld zu beweisen, ich will auch den Schuldigen finden. Eher werde ich nicht ruhen noch rasten.«
»Haben Sie irgendeine Vermutung, wer der Schuldige sein könnte?« fragte einer der Journalisten gespannt.
Krag antwortete sofort:
»Davon habe ich nicht die mindeste Ahnung.«
Zugleich aber lächelte er so sonderbar und geheimnisvoll, als ob er dennoch mehr wisse, als er sagen wolle, und die Bleistifte der Berichterstatter glitten immer zögernder und unsicherer übers Papier.
»Damit Sie aber einen einigermaßen richtigen Eindruck von der Sache gewinnen, möchte ich Ihnen folgendes erzählen«, fuhr Krag fort: »An jenem Tage war es keineswegs des Obersten Absicht gewesen, auszugehen. Da erhielt er einen Brief, und in diesem Briefe wurde er dringend aufgefordert, sich zu einer bestimmten Stunde an einem bestimmten Orte einzufinden.«
»Diesen Brief hat natürlich der Täter geschrieben!« riefen die Journalisten eifrig.
Asbjörn machte ein sehr geheimnisvolles Gesicht.
»Einen solchen Brief hat der Rittmeister an den Oberst gerichtet«, sagte er.
»Aber das ist ja ein entsetzliches Indizium!«
»Wir werden sehen. Um diesen Brief wird sich heute vormittag das Verhör hauptsächlich drehen. Wie ich annehme, steht Ihrer Anwesenheit dabei nichts im Wege, meine Herrn.«
In den meisten Fällen empfindet Asbjörn Krag jede Art von Öffentlichkeit höchst unangenehm, während die Verhandlungen und Untersuchungen noch im Gange sind. Diesmal jedoch wich er von seiner Regel ab. Warum? Hatte er in seinem Kampfe eine bestimmte öffentliche Meinung nötig? Meinte er, daß der harten und herzlosen Verdächtigung des Rittmeisters hier in der Gegend am besten durch eine Stimmung, die von außen kam, das Gegengewicht gehalten werden könne? Eines ist sicher und gewiß: Wenn Asbjörn Krag für volle Öffentlichkeit eintrat, dann hatte er eine bestimmte Absicht dabei, dann war sie ihm von Wichtigkeit.
Es wurde noch zehn Minuten gewartet, und die Uhr war ein Viertel nach zehn, als die Verhandlung eröffnet wurde. Der Kaufmann wurde immer unruhiger. Er hatte seinen Jungen in sein Haus geschickt, der sich nach dem verschwundenen Rechtsanwalt erkundigen sollte. Atemlos kam der Junge zurück und sagte, der Rechtsanwalt sei nicht zu Hause gewesen und sei auch von niemand gesehen worden.
Auch der Vorsitzende, der junge stellvertretende Amtsrichter, wurde bei dieser Nachricht ausfallend unruhig. Er flüsterte Krag etwas zu.
»Ja, beeilen Sie sich nur so sehr als möglich. Es könnte sein, daß wir nachher keine Zeit mehr zu verlieren hätten«, sagte dieser. Und die Verhandlung begann.
»Das Gericht wünscht vor allen Dingen darüber ins reine zu kommen, wer den Brief geschrieben hat, durch den Oberst Holger an jenem Unglückstage aus dem Hause gerufen worden ist«, sagte der Vorsitzende.
Er griff in die Dokumentenmappe und holte ein Papier heraus.
»Hier ist der Brief«, sagte er. Nachdem er das Schreiben vorgelegen hatte, fuhr er fort:
»Ich und andere waren der Ansicht, daß dieser Brief von Herrn Rittmeister Rye geschrieben sein müsse, da Umstände in dem Briefe angedeutet sind, die mit bestehenden und wohlbekannten Verhältnissen übereinzustimmen scheinen. Bei der ersten Verhandlung fragte ich den Rittmeister, ob er einen derartigen Brief geschrieben habe, und er gab das auch sofort zu. Als ich ihn fragte, in welcher Absicht er den Brief geschrieben habe, antwortete er, er sei durchaus nicht in der Lage, mir darüber Aufklärung zu geben, er sei gebunden. Ich hielt das für eine Ausflucht, die meinen Verdacht nur bestärken könne. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß der Herr Rittmeister bis dahin den Brief, den ich hier in der Hand halte, nicht gesehen hatte. Als aber der Brief verlesen wurde, erklärte er sofort, diesen Brief hier nicht geschrieben zu haben, wohl aber einen ähnlichen Inhalts. Die Handschrift ist auch nicht die seinige. Ich dachte dabei sofort, der Rittmeister könnte doch unmöglich leugnen, diesen hier vorliegenden Brief geschrieben zu haben, wenn er es wirklich getan hätte, während er zugleich zugibt, einen ähnlich lautenden Brief geschrieben zu haben. Diesen Brief des Herrn Rittmeisters können wir nicht finden. Ich frage Sie nun, Herr Rittmeister, ob Sie in allem Ihre Aussagen von der ersten Verhandlung aufrechterhalten?«
Der Rittmeister erhob sich.
»Ja«, sagte er fest.
»Sie geben also zu, einen Brief an den Oberst geschrieben zu haben mit der Aufforderung, um halb vier Uhr an einen bestimmten Ort zu kommen?«
»Ja.«
»Was hatten Sie dabei für einen Zweck?«
»Darüber wünsche ich keine Erklärung abzugeben.«
»War es Ihre Absicht, mit dem Herrn Oberst zusammenzutreffen?«
»Nein, ich hatte nichts mit ihm zu reden.«
»Dann hatten Sie vielleicht die Absicht, in seinem Hause – hm – einen Besuch zu machen und wollten dazu freie Bahn haben?«
»Nein, das war auch nicht meine Absicht.«
»Aber Sie hatten doch eine bestimmte Absicht dabei?«
»Ja.«
»Wollten Sie den Obersten in irgendeiner Weise schaden?«
»Durchaus nicht. Ich hatte dazu keine Ursache, im Gegenteil, denn ich bin dem alten Herrn sehr zugetan.«
»Trotz allem, was sich in der letzten Zeit zwischen Ihnen ereignet hat?«
»Ich kann nur wiederholen, daß er mir sehr teuer ist. Ich habe ihn genau so gern wie vorher. Vielleicht noch mehr, denn er scheint von einem großen Unglück getroffen zu sein.«
»Sie wollen sich also nicht näher über den Brief und die Absicht, die Sie damit gehabt haben, äußern?«
»Nein.«
»Damit setzen Sie mich in die größte Verlegenheit«, erklärte der junge Amtsrichter etwas ärgerlich. »Ich möchte doch gerne so rasch als möglich der Sache auf den Grund kommen, und eine offene Aussage von Ihnen könnte mich vielleicht auf eine Spur leiten.«
»Das glaube ich nicht. Was ich verschweige, hat nicht die mindeste Bedeutung für die Sache.«
»Aber es hat Bedeutung für Sie selbst, Herr Rittmeister. Sie kommen durch Ihr Schweigen unwillkürlich in eine schiefe Stellung.«
»Ich nehme die Folgen meines Schweigens und meines ganzen Auftretens auf mich.«
Der Vorsitzende ließ die Aussagen dieses Zeugen zu Protokoll nehmen.
»Ich werde Sie später noch eingehender vernehmen«, sagte er. »Vorerst müssen wir über den Ursprung dieses Briefes ins reine zu kommen suchen. Es sieht also aus, als ob ein anderer diesen Brief geschrieben und Interesse daran gehabt hätte, den Herrn Oberst zu der gegebenen Stunde aus seinem Hause zu entfernen. Das ist ja ein ganz merkwürdiges Zusammentreffen, daß diese zwei Briefe zu gleicher Zeit ankommen, denselben Inhalt haben und dieselbe Stunde bestimmen. Nun, wir werden ja sehen. Herr Asbjörn Krag wünscht, über diesen Punkt als Zeuge vernommen zu werden.«
Krag trat vor und der Vorsitzende reichte ihm den Brief.
»Dieser Brief ist in mehr als einer Hinsicht interessant«, erklärte Krag. »Ich kann Wort für Wort nachweisen, daß er mit verstellter Handschrift geschrieben ist. Der Schreiber war nämlich dieser Kunst nicht ganz mächtig. Diese Handschrift zeigt so viele charakteristische Einzelheiten, daß selbst ein Laie die Aehnlichkeit erkennen müßte, wenn ein Brief daneben gelegt würde, der mit der gewöhnlichen Handschrift des Absenders geschrieben ist. Es ist mir gelungen, in den Besitz eines solchen Schriftstücks zu kommen, und dadurch habe ich auch herausgebracht, wer diesen Brief an Oberst Holger gerichtet hat. Ich kenne seinen Namen. Es ist nicht der Herr Rittmeister Rye.«
Im Saale herrschte große Spannung. Der Vorsitzende verschlang jedes Wort des Detektivs.
Der Detektiv zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche. Dieses Papier legte er neben den geheimnisvollen Brief und fragte den Vorsitzenden:
»Kann man bestreiten, daß diese beiden Briefe von ein und derselben Hand geschrieben sind?«
Der stellvertretende Amtsrichter studierte beide Schriftstücke eingehend. Seinem Gesicht war anzusehen, daß er höchst erstaunt war.
»Jetzt wird die Sache plötzlich klar!« murmelte er vor sich hin. »Der Brief an den Oberst zeigt allerdings deutlich, daß er mit verstellter Handschrift geschrieben ist. Es ist gar kein Zweifel, daß diese beiden Briefe von derselben Hand geschrieben sind. Woher haben Sie diesen Brief, Herr Krag?«
»Ich habe ihn gefunden«, antwortete der Detektiv.
Der Vorsitzende sah ihn an und stutzte.
Krag, der diesen Blick aufgefangen hatte, bemerkte:
»Ich bitte Sie, sich zu erinnern, daß es hier nicht bloß gilt, einer merkwürdigen und geheimnisvollen Sache auf den Grund zu kommen, sondern auch eines Menschen Leben und Ehre zu retten. Meines Freundes Ehre.«
»Ich kann das Beweismaterial noch vermehren«, sagte der Vorsitzende und legte ein drittes Schriftstück auf den Tisch. »Dies ist ein Brief des Rechtsanwalts Bomann, in dem er mir mitteilt, daß er als Zeuge erscheinen werde und wichtige Aussagen zu machen habe.«
Der Augenschein zeigte ganz deutlich, daß alle drei Briefe, der, durch den der Oberst aus dem Hause gelockt worden war, der Brief ans Gericht und der, den Asbjörn Karg vorgelegt hatte, von derselben Hand, also von Rechtsanwalt Bomann geschrieben sein mußten.
Der Vorsitzende saß eine Weile stumm da und dachte nach. Diese plötzliche Aenderung der Sachlage verblüffte ihn augenscheinlich nicht wenig.
»Der Fall ist in ein neues Stadium getreten«, sagte er. »Wir haben jetzt nicht mehr einen Verdächtigen, wir haben zwei. Rittmeister Rye steht nicht mehr allein als solcher da.«
»Dann möchte ich die Herren darauf aufmerksam machen, daß der eine Verdächtige, der Herr Rittmeister, zu der Verhandlung erschienen ist, während der andere ausbleibt, trotzdem er sein Erscheinen ausdrücklich angekündigt hatte«, sagte Krag. »Das sieht beinahe aus, als ob der Herr Rechtsanwalt eine Ahnung gehabt hätte, daß eine kleine Veränderung in der Sachlage bevorstand und durchgebrannt wäre.«
»Das ist kaum denkbar, woher sollte er eine solche Ahnung gehabt haben?« meinte der Vorsitzende. »Ich selbst hatte ja keine Ahnung davon. Ich wußte allerdings, daß Sie eine Ueberraschung bereit hatten, aber wer hätte gedacht, daß sich die Sache in dieser Weise aufklären würde.«
Nachdenklich blätterte der junge Richter in seinen Papieren.
»Ja«, erklärte er sodann, »es wird wohl wenig Sinn haben, mit der Verhandlung fortzufahren, bevor wir den Rechtsanwalt gesunden haben. Es wird also das Klügste sein, uns erst dieses Mannes zu versichern!«
»Darf ich mir hierzu eine Bemerkung erlauben?« fragte Krag. »Ich möchte dadurch Ihre Ansicht noch besonders unterstützen.«
»Bitte, reden Sie offen! Wir sind ja erst in der Voruntersuchung und müssen nach allem greifen, was zur Aufklärung dienen kann. Was haben Sie mir mitzuteilen?«
»Wenn ich mich an Ihre Stelle versetzte, würde ich etwa folgendermaßen schließen«, sagte Krag. »Es ist ja die überwiegendste Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden, daß der Mann, der den Brief an Oberst Holger geschrieben hat, der Täter ist. Nun liegen zwei solcher Briefe vor, oder richtiger gesagt, es ist die Rede von zwei solchen Briefen. Der eine liegt hier auf dem Tisch des Hauses, der andere ist verschwunden. Diesen verschwundenen Brief hatte Rittmeister Rye geschrieben, den vorliegenden Rechtsanwalt Bomann. Wer von den beiden Männern ist der Täter? Wenn Sie von dem Gerede der Leute absehen, von all dem böswilligen Geschwätz, das hier in der Gegend über den Rittmeister im Schwange ist, müssen Sie einräumen, daß er ein Mann von Ehre ist oder wenigstens den Eindruck eines solchen macht.«
Der Vorsitzende nickte.
»Der Rittmeister hat ohne Zögern Dinge zugegeben, die geeignet sind, ihn in ein recht schlechtes Licht zu setzen, und hat anderes verschwiegen, was er ebenfalls zugibt, und dieses Verschweigen macht seine Sache noch schlimmer. Mit anderen Worten, er hat auf sich selbst nicht die mindeste Rücksicht genommen, er hat offen geredet, wo er das wollte, und er hat geschwiegen, wo er schweigen wollte – aus Gründen, die er nicht auseinanderzusetzen wünscht. Es gehört kein besonders großer psychologischer Sinn dazu, um einzusehen, daß gerade dieses Auftreten seine Aussagen glaubhaft macht. Ich denke, Herr Vorsitzender, Sie sind hierüber mit mir einig.«
»Ich habe allerdings auch den Eindruck, daß die Zeugenaussagen des Herrn Rittmeisters das Gepräge der Wahrheit tragen«, erwiderte der stellvertretende Amtsrichter. »Ich sehe bloß nicht ein, warum er über wichtige Punkte schweigt. Weiter, Herr Detektiv.«
»Nun wollen wir uns einmal den anderen Verdächtigen näher betrachten«, fuhr Krag fort. »Mir und Ihnen ist der Mann sofort aufgefallen. Er hat ein ausgeprägtes Interesse für den Fall bewiesen. Sie erinnern sich, wie er auf dem Platze herumlief und förmlich auf dem Boden witterte, wie ein Hund. Augenscheinlich wollte er den Verdacht so stark als irgend möglich auf den Rittmeister lenken. Warum? Ist es wahrscheinlich, daß sich irgend ein völlig Unbeteiligter so auf Leben und Tod auf eine Sache stürzt, nur um einen ihm ganz unbekannten Menschen unglücklich zu machen und um seine Ehre zu bringen?
Nun will ich Ihnen sagen, daß ich gestern abend noch einmal mit diesem Manne zusammengetroffen bin. Vermutlich war es einige Minuten, möglicherweise eine halbe Stunde, nachdem er diesen Brief an Sie abgeschickt hatte. Ich hatte mir vorher schon vorgenommen, ihm ein wenig auf die Finger zu sehen, und es ist möglich, daß ich einige Aeußerungen getan habe, die seinen Verdacht erregten. Jedenfalls liegt heute ein verdächtiger Umstand vor. Obwohl er mitgeteilt hatte, daß er bei der heutigen Verhandlung erscheinen und wichtige Aufschlüsse geben werde, ist er nicht gekommen. Er ist im Gegenteil spurlos verschwunden und hat keine Absage geschickt. Ich will es Ihnen überlassen, welchen Schluß Sie daraus ziehen wollen. Wer ist mehr verdächtig, der Rittmeister, der von Anfang an, ohne jede Rücksicht auf sich selbst, die Karten offen auf den Tisch gelegt hat, oder dieser Mann, der vom Schauplatz verschwunden ist?«
»Der Schluß ist in meinen Augen nicht schwierig«, meinte der Vorsitzende. »Der Mann, der am schlechtesten dasteht, ist der Rechtsanwalt.«
»Darum müssen wir auch versuchen, ihn in die Hände zu bekommen, und das mit allen Mitteln, die Ihnen zu Gebote stehen.«
Fragend blickte der Vorsitzende den Detektiv an. Dieser nickte, und der Vorsitzende ließ den Amtsvorsteher rufen. Die beiden flüsterten miteinander, und dann verließ der Amtsvorsteher eiligst das Zimmer.
In der Verhandlung, die einen so sonderbaren und völlig unerwarteten Verlauf genommen hatte, wurde eine Viertelstunde Pause gemacht. Dem Amtsvorsteher war aufgetragen worden, um jeden Preis den Rechtsanwalt aufzufinden, und ihn, im Notfall mit Gewalt, vor die Schranken zu bringen.
Asbjörn Krag trat zu dem Rittmeister, der am Ofen lehnte und nicht merken ließ, wie nahe ihn die Sache anging, obgleich er eine der Hauptpersonen, wenn nicht die Hauptperson in dem Drama war, das sich hier abspielte.
»Nun ist der Angriff abgeschlagen«, sagte der Detektiv zu ihm. »Du wirst nicht verhaftet!«
»Das ist mir einerlei.«
»Das sehe ich. Aber mir nicht.«
»Warum denn?«
»Weil ich das Gefühl habe, daß es mir die Führung der Sache sehr erschweren würde, wenn du eingesperrt wärest. Ich habe mehr Aussicht, Licht in die Geschichte zu bringen, wenn du frei herumläufst.«
»Ich verstehe immer noch nicht –«
»Aber ich. Es sind Mächte gegen dich in Bewegung gesetzt, gefährliche Mächte.«
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und der Amtsvorsteher stürzte bleich und verstört herein.
»Das sieht ja – das sieht ja schön aus!« stammelte er.