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Dreizehntes Kapitel.

Ach, was ich immer jemals auch gelesen
Und je gehört aus Sage und Geschichte –
Es lief nie glatt der treuen Liebe Bahn!

Shakspeare.

 

Sobald sich die Thüre hinter dem Bürgermeister geschlossen hatte, wandte sich der Graf an dessen Gattin und fuhr folgendermaßen fort:

»Der junge Berchthold Hintermayer ist mir werth, gute Ulrika, und ich würde mit Freuden in einer Angelegenheit Beihülfe leisten, die, wie ich deutlich sehe, Dir so sehr am Herzen liegt«

»Nur eine unnatürliche Mutter ist nicht ängstlich bekümmert um das Glück ihres Kindes. In der Jugend, Herr Graf, blicken wir vorwärts, füllen die neblichte Leiter mit Scenen, die unseren Wünschen entquollen, und bevölkern die Welt mit jenen Wesen, die, wie wir glauben, für unsere Hoffnungen unerläßlich sind; aber erst wenn wir die höchste Sprosse erreicht haben, von der aus sich der Anfang und das Ende des Lebens deutlich überblicken läßt, finden wir die Wahrheit. Ich bin so wenig als irgend Jemand geneigt, einer Verbindung, die für ihre Früchte keine bessere Sicherheit bietet, als eine blinde, fieberische Leidenschaft, welche sich im eigenen Ungestüm verzehren muß – übereilt das Wort zu reden; andererseits aber, wenn man das Leben so kennen gelernt hat, wie ich, kann man unmöglich Lust haben, jene Aehnlichkeit in Geschmack und Ansichten – die edlen Züge in Charakter und Neigungen, welche für den Fortbestand der ehelichen Liebe so förderlich sind, gering anzuschlagen.«

»Man hält Dich für glücklich in der Wahl Deines eigenen Gatten, Frau!«

»Gott hat mich mit vielen Gnadengaben gesegnet – aber die Frage handelt von Meta, Herr Graf.«

Ulrika hatte unwillkührlich die Farbe gewechselt; unterstützt durch die frauenhafte Zurückhaltung, welche sie augenblicklich annahm, erschien übrigens diese kleine Aufregung im Auge des Grafen nur als eine Aeußerung weiblicher Würde, welche darauf berechnet war, eine unbefugte Neugierde zurückzuweisen.

»Allerdings ist von Meta die Rede,« antwortete er, »und beim heiligen Benedict, dem jungen Menschen soll es nicht an freundlicher und nachdrücklicher Unterstützung fehlen. Aber ein Dienst ist des andern werth. Wenn ich in Betreff dieser Heirath Deiner Tochter Deine Wünsche unterstütze, gute Ulrika, so erwarte ich dafür von Dir eine Gegenleistung, auf die ich kaum geringern Werth lege.«

Die Bürgermeisterin erhob voll Verwunderung ihre Augen zu dem Gesichte ihres Gefährten. Eine Frau, die es mit ihrer Selbstachtung nicht stets so streng genommen, hätte wohl den Sinn des Gehörten beargwohnen können; aber Ulrika's Blick trug blos den Ausdruck der Neugierde und Unschuld.

»Ihr werdet weit mehr verdienen, als ich erfüllen kann, Herr Graf, wenn Ihr dazu beitragen wollt, Meta's Glück zu sichern.«

»Schöne Frau,« fuhr Emich fort, indem er sich niedersetzte und mit einer Freimüthigkeit, welche in dem hohen Range des Sprechers und in den Gebräuchen des Landes eine Rechtfertigung fand, ihre Hand faßte, »Du weißt, wie lange schon diese Benedictiner unser Thal bedrängen, und da Du so tief in dem Vertrauen des wackeren Heinrich stehst, so mußt Du wohl schon auf die Vermuthung gekommen seyn, daß wir, ihrer Unverschämtheit und ihrer Erpressungen müde, uns ernstlich über die Mittel bedacht haben, ihnen die Bescheidenheit beizubringen, die ihrem frommen Berufe ziemt und ihre Ansprüche besser rechtfertigen dürfte.«

Emich hielt inne und betrachtete angelegentlich das Gesicht seiner ruhigen Zuhörerin. Ohne es zu wissen, hatte er gerade den Gegenstand berührt, welcher die Bürgermeisterin vorzugsweise bewogen hatte, sich in die geheime Verhandlung der Verschwörer einzudrängen. Die Absichten der Männer waren ihr längst verdächtig gewesen, und obschon sie um Meta's künftiges Geschick zu angelegentliche Sorge trug, um nicht mit Freuden jede günstige Gelegenheit zu benützen, durch welche einer Sache, die doch früher oder später ans Licht treten mußte, Bahn gebrochen werden konnte, so war doch ihre Hauptabsicht gewesen, Heinrich vor den wahrscheinlichen Folgen des Complotts zu warnen. Sie hörte daher die Worte des Grafen mit geheimem Vergnügen an und bereitete sich zu einer Antwort vor, über die sie längst mit sich zu Rathe gegangen war.

»Was Ihr da sagt, Herr Graf,« antwortete sie, »ist mir schon mehr als einmal aufgefallen, und ich habe mich tief darüber gegrämt, daß diejenigen, welche ich so sehr liebe und ehre, Anschläge schmieden mögen zum Umsturz der Altäre Gottes, und über verzweifelte Plane sinnen, um das Lob des Höchsten zu unterbrechen.«

»Wie, meinst Du, das Geheul dieser Schurken diene zu etwas Anderem als zum Lob ihrer eigenen Heuchelei?« unterbrach sie Emich. »Verleitet uns nicht vornämlich ihr Beispiel zu unseren meisten Sünden – und sind sie nicht die Urheber eines jeden Zwistes, der die Gegend beunruhigt? Bedenke doch, gute Ulrika, daß der Himmel kein Stall ist, in welchen die Seelen blindlings getrieben werden, sondern daß wir, die Heerde, nach Maßgabe unserer Mittel, das Recht haben, wenigstens ein Urtheil darüber abzugeben, ob die Hirten für ihr Amt passen oder nicht.«

»Und wenn sie auch ihren Obliegenheiten nicht gewachsen oder derselben unwürdig wären, wo finden wir eine Autorität, die uns berechtigte, ihnen Schaden zuzufügen?«

»Gott behüte mich, gute Frau, gelten denn unsere Schwerdter für nichts? Zieht ein edler Name, eine alte, hohe Herkunft, der lange bestehende Anspruch auf Gewalt und ein mannhaftes Herz nicht in der Wagschaale?«

»Dem Allmächtigen gegenüber sind sie wie die Blätter Eures Waldes, wenn sie der Wind bewegt, und weniger als die Schneeflocken, die Winters gegen die Zinnen Eurer Veste fliegen. Limburg ist zu Gottes Ehre errichtet, und wer seine Hand gegen die heiligen Mauern erhebt, wird Gelegenheit finden, seine Uebereilung in bitterem Weh zu bereuen. Wenn an den Altären einige unwürdige Menschen den Gottesdienst vollbringen, so sind doch auch würdige vorhanden; und selbst im entgegengesetzten Fall ist ihr heiliges Amt zu hoch, um durch die Gebrechlichkeit derjenigen befleckt werden zu können, die das in sie gesetzte Vertrauen mißbrauchen.«

Der Graf war verwirrt, denn Ulrika sprach ernst und mit süß überzeugender Stimme. Er stützte das Kinn auf seine Hand und schien über die Gefahren seines Planes angelegentlich nachzudenken.

»Was hältst Du von jenem Bruder in Wittenberg, Ulrika?« fragte er endlich. »Könnten wir nur der Wahrheit gemäß herauskriegen, daß er ehrlich und weise ist, so dürfte es, um den Stolz der Limburger zu dämpfen, an kirchlichem Ansehen nicht fehlen.«

»Ich gehöre selbst auch zu denen, welche den Bruder Luther für ehrlich halten, obschon ich zugleich der Ansicht lebe, daß er im Irrthum befangen ist, aber auch ihm fällt es nicht ein, gewaltsame Handlungen anzurathen.«

»Beim heiligen Benedict, Weib, Du hast über diese Frage mit dem Pater Arnolph Rücksprache genommen, denn kein Echo wiederholt die Töne des Rufers treuer, als Du die Ansichten des Priors.«

»Es darf uns nicht befremden, wenn diejenigen, welche Gott lieben, in einer Sache, die Seiner Ehre gilt, gleich denken und sprechen. Ich habe weder Pater Arnolph noch irgend einem andern Pater der Abtei etwas von euren Planen mitgetheilt, denn Ulrika Frey wird nicht leicht vergessen, daß sie Gattin und Mutter ist. Indeß habe ich oft zu dem Herrn gebetet, Er möchte die Herzen derjenigen, welche über so gefährlicher Kirchenschändung brüten, erweichen und sie um ihres eigenen Besten willen das Verbrecherische ihres Complottes einsehen lassen. Glaubt mir, Graf, das gefürchtete Wesen, das man in Limburg verehrt, wird nicht vergessen, sich an denen zu rächen, welche seine Macht verachten.«

»Du weißt wohl, Ulrika, daß Deine Ansichten Gewicht bei mir haben, denn ich habe von Jugend auf Deine Weisheit gekannt und geachtet. Ja, wenn Du nicht der Ansprüche ermangeltest, welche nur durch Geburt verliehen werden können, so säßest Du jetzt in dieser Veste nicht als Gast, sondern als Herrin. Die Selbstverläugnung, welche ich mir auferlegen mußte, um die Wünsche meines Vaters zu erfüllen, hat mich manches Schmerzensjahr gekostet, und ich errang meine Freiheit erst wieder ganz, als die Geburt meines ältesten Sohnes meine Hoffnungen der Zukunft zuwandte.«

Selten hört ein Weib das Zugeständnis ihres Einflusses auf das stärkere Geschlecht ohne geheimes Vergnügen. Da in der Zuneigung, auf welche der Graf anspielte, nichts gelegen hatte, was Ulrikas Grundsätze bedrohte, oder ihr Zartgefühl verletzte, so hörte sie diese Hindeutung auf die Empfindungen und Vorsätze ihrer jüngeren Tage mit einem Lächeln an, das auf ihre edlen Zügen eine Wirkung übte, ähnlich jenem melancholischen Licht, welches die Kapelle des in Frage stehenden Klosters erhellte; ihr Antlitz war mild, ruhig und strahlte (wenn man uns einen so unbestimmten Ausdruck gestatten will) in den Tinten der Vergangenheit.

»Wir sind nicht mehr jung, Emich,« antwortete sie, indem sie unter dem instinctartigen Gefühle der Schicklichkeit ihre Hand zurückzog, »und das, wovon Ihr sprecht, gehört einer frühern Zeit an. Doch wenn Ihr in Wahrheit eine so gute Meinung von meinem Verstande unterhaltet, so kann ich Euch dagegen versichern, daß ich Euch gleichfalls stets nur Ehrenhaftes nachsagte. Es waren außerdem neben dem Willen des hochseligen Grafen noch andere Gründe vorhanden, die mich hinderten, auf Eure Bewerbung zu hören, und sie sind Euch damals mitgetheilt worden; denn kein Mensch ist Herr über jene Gesinnungen, die so sehr von Geschmack oder vom Zufalle abhängen.«

»Bei den eilftausend Jungfrauen zu Cöln! Heinrich Frey war doch kaum ein Bursche, um dem Erben meines Stamms und meines Namens diese Schmach anzuthun!«

»Heinrich Frey erhielt mein Wort, wie die edle Irmengarde das Eurige, Graf von Hartenburg,« antwortete Ulrika mit einer Ruhe, welche bekundete, daß ihre Gefühle bei der erwähnten Zurückweisung nie ins Spiel kamen, und mit der Würde einer Frau, welcher die Ehre ihres Gatten theuer ist. »Durch die Gnade des Himmels fühlen wir beide uns glücklicher, als wenn wir uns über oder unter unseren Aussichten verheirathet hätten. Aber wenn Ihr auf dieses Kleinod – denn dafür hieltet Ihr in Eurer jugendlichen Schwärmerei meine Hand – dem irdischen Vater zu Gefallen verzichten konntet, wollt Ihr dem himmlischen Trotz bieten, um ein Verlangen zu befriedigen, das noch weit weniger zu rechtfertigen ist?«

»Geh, Ulrika, Du bedrängst mich ohne Grund. Weiß ich doch selbst nicht Einmal gewiß, ob ich überhaupt über den Planen brüte, die Du meinst.«

»Oder mit anderen Worten, Ihr seyd noch nicht schlüßig, ob Ihr die Kirchenschändung wirklich begehen wollt. Ehe Ihr aber die Hand zu dem unwiederbringlichen Schlage erhebt, Herr Graf, hört auf ein Geschöpf, das Ihr in Eurer Jugend zu lieben vorgabt, und das noch immer mit dankbarem Herzen auf diese Auszeichnung zurückblickt.«

»Du bist als Frau nachsichtiger, denn als Mädchen! Ich vernehme jetzt aus Deinem Munde das erste Wort des Mitleids mit dem vielen Leide, das Du meiner Jugend bereitet hast.«

»Mitleid ist ein Ausdruck, der Ulrika Hailtzinger dem Grafen von Leiningen gegenüber übel ziemen würde. Ich sprach von Dankbarkeit, Herr Emich, denn das Weib, welches sich anstellt, als berge es seine derartige Gesinnung gegen den ehrenhaften Jüngling, der sie allen andern ihres Geschlechtes vorgezogen hat, macht ihrem eigenen Herzen ein schlechtes Compliment. Ich habe nie in Abrede gezogen, daß mir Eure Bewerbung zugleich Freude und Schmerz bereitete – Freude darüber, daß ein Mann von Euren Aussichten genug in mir finden konnte, um mich zum Gegenstande seiner Wahl zu machen, Schmerz, weil Ihr Euch mit Hoffnungen trugt, die nie in Erfüllung gehen konnten.«

»Und wäre unsre Herkunft gleicher gewesen, meine sanfte Ulrika – hättest Du Dich gleich mir edler Ahnen zu rühmen gehabt, oder wäre ich wie Du aus einer niedrigeren Familie entsprungen, hättest Du wirklich in Deinem Herzen Anlaß zu einer andern Antwort gefunden?«

»Wir sind hier, um andere Dinge zu besprechen, Graf von Hartenburg, als die Rückerinnerungen an kindische Gefühle.«

»Gott behüte mich! Nennst Du den Schmerz einer getäuschten Neigung einen kindischen Gram? Du warst stets von ruhiger Gemüthsart und nur zu sehr geneigt, bei jedem Aufwallen des Herzens, über die kalten Pflichten der Familien-Rücksichten hinaus, gleichgiltig zu bleiben.«

»Dieß ist vielleicht ein Fehler an mir, wenn Ihr so wollt, Graf Emich, obschon ich es für einen Vortheil halte, da am stärksten zu fühlen, wo die Neigungen am meisten unter der Leitung der Pflicht stehen.«

»Ich erinnere mich Deiner letzten Antwort, die Du mir durch Deine Freundin, die Mutter des jungen Berchthold, zugehen ließest – wollte ich Gerechtigkeit walten lassen, so wäre ich dem Jungen dafür nicht zu Dank verpflichtet – aber Du antwortetest, die Tochter eines Bürgermeisters sei eine unpassende Gattin für einen Grafen, und batst mich zugleich, gegen meinen Vater pflichtschuldigen Gehorsam zu üben, damit sein Segen mir den Schmerz der getäuschten Hoffnung erleichtere. Na, wenn am Ende die Wahrheit bekannt würde, dürfte sich herausstellen, daß Dich diese Erwiederung nicht mehr kostete, als sich sonst eine tändelnde Dirne einen einfachen Korb zu Herzen nimmt.«

»Wäre die Wahrheit bekannt, Emich, so könnte sich die Sache ganz anders herausstellen. Ihr waret damals jung – zwar ein ungestümer Hitzkopf, aber nicht ohne viele männliche Tugenden – und Ihr überschätzt die Stärke einer nachdenksamen Jungfrau sehr, wenn Ihr glaubt, daß es ihr Freude machen konnte, da Schmerz zu bereiten, wo sie nichts als Achtung genossen hat.«

»Und wäre ich der Sohn Deines Nachbars – oder wärest Du die Tochter eines Standesgenossen aus dem Reiche gewesen?«

»Auch in diesem Falle, Herr Graf, wäre die Antwort die gleiche gewesen,« entgegnete die Frau mit Festigkeit, obschon sich augenscheinlich die ruhige Klarheit ihres Antlitzes in einer vorübergehenden Wolke verlor. »Das Herz von Ulrika Hailtzinger sprach in dieser Erwiederung eben so sehr, als ihre Klugheit.«

»So wahr Gott lebt, Du bist schneidend aufrichtig!« rief der Graf, plötzlich aufstehend, und sein Gesicht verlor den sanften Ausdruck, welchen die Erinnerung an die bessern Tage und an die schönen Gefühle der Jugend hervorgerufen hatte, um der gewöhnlichen Härte wieder Platz zu machen. »Du vergißst, Frau Frey, daß ich ein armer Graf von Leiningen bin.«

»Wenn ich es an Achtung mangeln ließ,« entgegnete die milde Ulrika, »so bin ich jetzt an mein Versehen erinnert, und es soll keine Wiederholung stattfinden.«

»Nein, ich wollte nichts Unfreundliches sagen – aber Du hast mein Gemüth mit einer herben Antwort verletzt. Wir sprachen – doch wir haben auch von den verwünschten Mönchen gesprochen und mein Blut geräth stets in Wallung, so oft ich sie nur nennen höre. Du glaubst also, meine vortreffliche Nachbarin, daß wir als Christen gehalten seien, uns allen den Erpressungen dieser scheinheiligen Schurken zu unterwerfen, und daß wir dem Ansehen des Himmels Trotz bieten, wenn wir uns unterfangen, uns selbst Recht zu schaffen?«

»Ihr leiht der Sache die Farbe Eurer Stimmung, Graf, denn ich sprach nichts von knechtischem Erdulden oder unnöthiger Unterwerfung. Wenn die Limburger Mönche ihren Gelübden nicht nachkommen, so betrifft die Frage ihr eigenes ewiges Heil; was aber uns betrifft, so haben wir blos darauf zu sehen, daß wir selbst nichts an sich Unrechtes begehen, noch etwas thun, was als achtungswidrig gelten könnte gegen Den, den wir anbeten –«

»Ich bitte Dich, gute Ulrika,« unterbrach sie Emich, indem er in der vertraulichen Weise, die er bei dem Beginne des Gesprächs an den Tag gelegt hatte, seinen Sitz wieder einnahm, »laß uns unverholen von der Neigung Deines Kindes reden. Ich liebe den jungen Berchthold und möchte ihm gerne einen Dienst leisten, wenn sich die Mittel dazu böten; indeß fürchte ich sehr, daß wir es schwer finden werden, Heinrich zur Einwilligung zu bewegen.«

»Dieselbe Besorgniß hat mir schon viele Unruhe gemacht, Graf von Hartenburg,« erwiederte die zärtliche Mutter, »denn der Bürgermeister ist nicht der Mann, der so leicht seine Ansichten wechselt. Namentlich ist es bisweilen der Fall, daß das allzueifrige Zureden von Freunden seine Selbstzuversicht nur erhöht, statt ihn von jenen Entschließungen abzubringen, die oft auch der Weiseste voreilig und unüberlegt fassen kann.«

»Diese Eigenschaft Deines vortrefflichen Eheherrn ist mir nicht entgangen. Indeß hat doch Heinrich Frey selbst einen so glücklichen Ehebund geschlossen, ohne seiner Seits Vermögen besessen zu haben, daß er billigermaßen nicht so entschieden gegen einen Jüngling auftreten sollte, welcher ohne das harte Geschick, das seine Eltern befiel, wohl bessere Tage gesehen haben würde. Wer selbst arm war, sollte die Armuth auch an Andern achten.«

»Ich fürchte, daß dies nicht in der menschlichen Natur liegt,« antwortete die Frau gedankenvoll und fast ohne zu wissen, was sie sprach. »Die tägliche Erfahrung lehrt, daß Diejenigen, welche sich aus dem Staub erhoben haben, am wenigsten Duldung üben gegen die, welche hinter ihnen zurückgeblieben sind; und da die Gaben des Ranges und des Einflusses dort besonders geschätzt werden, wo sie etwas Neues sind, so dürfen wir nicht erwarten, daß der Mann, der sein Glück gemacht hat, das in der Armuth empfundene Sehnen so bald vergesse oder die Eitelkeit der ihm ungewohnten Ehrenstellen erkenne.«

»Aber Heinrich ist nicht so jung im Range, oder so sehr Neuling unter den Vermöglichen, daß er in diese Classe eingereiht werden könnte.«

»Heinrich?« rief die Frau, und ihre reine Stirne überflog von einer Scharlachröthe, welche an das Glühen der schneeigen Alpenspitzen erinnerte. »Von Heinrich Frey ist hier nicht die Rede.«

Der Graf lächelte, daß der Schnurrbart sich auf seinen braunen Wangen kräuselte.

»Du hast recht,« antwortete er höflich, »denn wir haben's im Augenblicke vorzugsweise mit Berchthold und Meta zu thun. Ich glaube die Mittel zu sehen, um Alles, was wir für sie wünschen, herbeizuführen – noch obendrein Mittel, die sich so unverhohlen darbieten, daß es den Anschein gewinnt, als seyen sie recht eigentlich eine Gabe der Vorsehung.«

»Wenn dies der Fall ist, so können sie uns nur um so willkommener seyn.«

»Du weißt, Ulrika, daß ich gleich Allen meines Ranges schweren Aufwand machen muß. Irmengard besitzt die meisten Eigenschaften ihres Standes, darunter namentlich eine Prachtliebe, die sehr kostspielig für mich wird, und außerdem hat die Ausstattung meines Erstgeborenen, der mit dem Kaiser reist, in letzter Zeit meine Mittel sehr verkümmert, sonst würde ich aus reiner Liebe zu Dir und den Deinigen das Nöthige anbieten, was die Verbindung Deinem Heinrich annehmbar machen könnte. In meiner dermaligen Klemme aber, wie auch in Folge des Krieges, der auf uns Allen schwer lastet, und der großen Kosten für Unterhaltung der vielen Reisigen in der Hartenburg sehe ich vorderhand keine andern Mittel, als die eben erwähnten.«

»Oder vielmehr die nicht erwähnten, denn es war Euch zu angelegentlich um den Beweis zu thun, daß Ihr dem Jungen keinen Dienst leisten könnt, um ein Wörtchen über die günstige Aussicht zu verlieren, welche Eurer Ansicht nach die Vorsehung an die Hand gibt.«

»Ich bitte um Verzeihung – Du hast mich ganz richtig beurtheilt, Ulrika, denn ich fühle es wie einen Vorwurf, daß ich außer Stand bin, für einen Menschen, den ich so sehr schätze, etwas zu thun.«

»Unterstellt meinen Worten keinen Sinn, den ich nicht in sie legen wollte,« unterbrach ihn die Matrone mit einem Lächeln, als wünsche sie ihren Gefährten wieder zutraulicher zu machen. »Es ist mir nie eingefallen, daß die Grafen von Leiningen die Verpflichtung haben könnten, Alle, welche in ihren Diensten stehen, nach ihren verschiedenen Hoffnungen auszustatten. Die schwerste Börse in der Pfalz könnte wohl leicht werden, Herr Emich, wenn ihr ein Heirathgut aufgebürdet würde, entsprechend dem, welches Meta Frey zu Theil werden dürfte.«

»Niemand weiß dies besser, als ich. Heinrich und ich haben die Angelegenheit oft besprochen und ich wünschte nur, daß keine Ungleichheit des Ranges stattfände – doch das ist müßiges Gerede, denn wir wollen ja blos von Berchthold und seinen Hoffnungen sprechen. Du weißt, Ulrika, daß zwischen mir und dem Kloster schwere Mißhelligkeiten obwalten wegen gewisser Abgaben nicht nur im Thale, sondern auch auf der Ebene, und wenn der Zwist zu meinem Vortheile ausgeht, steht meinen Einkünften eine wesentliche Vergrößerung bevor. Käme nun dieser unselige Streit zu einer für mich wünschenswerthen Entscheidung, so wäre ich nicht nur im Stande, sondern auch bereit, meinen treuesten Dienern, und darunter namentlich Berchthold so viel Gnaden zugehen zu lassen, daß sie eine günstige Meinung von meiner Freigebigkeit gewännen. Sobald also die Sache ihre rechte Erledigung gefunden hat, sind wir im Besitz der Mittel, Heinrich für unsere Wünsche zu gewinnen.«

»Wenn es auf eine ehrenhafte Weise geschehen kann, so will ich den segnen, der es erwirkt hat.«

»Es freut mich, Dich so sprechen zu hören, meine gute Ulrika; aber vor allen Andern kannst Du Dich in der Sache besonders nützlich machen; Heinrich und ich, wir beide sind beinahe darüber einig geworden, daß es passend sey, das Sündennest der Mönche ein wenig aufzustören – –«

»Diese Worte sind stark, wenn sie auf die Mitglieder eines frommen Ordens Anwendung finden sollen.«

»Bei den heiligen drei Königen, sie sind mehr als verdient. War ich nicht erst gestern mit eigenen Augen Zeuge, wie sich der Abt Bonifacius unter dem Dache der Hartenburg im Weine wälzte, gleich dem nächsten besten Vorstadtschreier! Ja, Frau Ulrika, den Vater Bonifacius, den hochwürdigen Abt von Limburg habe ich innerhalb der Mauern meines eigenen guten Schlosses in einem so kläglichen Zustande gesehen.«

»Und die Gesellschaft Deines eigenen guten Schlosses mit, Herr Emich?«

»Wie, machst Du keinen Unterschied zwischen einem Ritter und einem Mönch? Habe ich das Gelübde der Frömmigkeit abgelegt – trage ich eine geschorene Platte, oder sehe ich wie einer aus, der für besser gelten will, als seine Nebenmenschen? Daß ich ein Edelmann bin, ist ein Glücksfall, und als solcher benütze ich diesen Vortheil, obschon ich in Wahrheit sagen kann, daß es stets in dem gebührenden Maße geschieht; aber Niemand kann Emich von Leiningen nachsagen, er brüste sich mit den Tugenden, um derenwillen die Mönche angesehen seyn wollen. Wer sich bescheidet, kann für seine Gebrechlichkeit Nachsicht ansprechen; aber schwer muß die Gerechtigkeit denjenigen heimsuchen, der unter dem Mantel der Heiligkeit sündigt.«

»Ich sehe nicht ein, welchen Nutzen Euch am Ende Eure Ausnahme bringen kann. Doch Ihr wolltet etwas zu Berchthold Hintermayers Vortheil sagen? –«

»Ja, das wollte ich, und zwar aus dem Grunde meines Herzens. Könnte man Heinrich zu einem festen Entschlusse bringen, so daß ich auf die Unterstützung der Städter zählen dürfte, so wollte ich mit den Kuttenwichten bald fertig werden. Dadurch würden nothwendigerweise meine Einkünfte bedeutend vermehrt, und wenn ich dann Berchthold als Schaffner über die gewonnenen Güter und Dörfer setzte, könnte er sich bald so weit in der Achtung der Leute heben, um die Abgeneigtheit des hartherzigsten Bürgermeisters in ganz Deutschland zu überwinden.«

»Und in welcher Weise sollte ich zu Erreichung dieses Zweckes beitragen können?«

»Eine Frau von Deinem Verstande braucht kaum eine solche Frage zu stellen. Du bist schon lange verheirathet und in der Ueberredungskunst Deines Geschlechtes erfahren, Ulrika. Zwar weiß ich nicht, wie Du's mit Heinrich hältst, aber wenn Irmengard etwas nach ihrem Sinne haben will, so bedient sie sich verschiedener Mittel und Wege, um ihre Wünsche auch gegen die Neigung ihres Gatten durchzusetzen. Heute lächelt sie, morgen ist sie stumm; das eine Mal benimmt sie sich zärtlich, das andere Mal schmollend; besondere Gewandtheit zeigt sie übrigens in Benützung der Augenblicke müßigen Vertrauens, um meinen unvorbereiteten Sinn durch Küsse und Liebkosungen zu überwältigen.«

»Es wäre nutzlos, Euch sagen zu wollen, daß ich Euch nicht verstehe, Graf von Hartenburg, und so wie ich nicht wünschen kann, den Vorhang Eures häuslichen Lebens zu lüpfen, so muß auch mir daran gelegen seyn, meine eigenen ehelichen Verhältnisse den Blicken der Anmaßung nicht blos zu stellen. Heinrich und ich, wir beide gehen unsere verschiedenen Wege, je nachdem sie uns recht dünken, ohne daß dadurch – wenigstens hoffe ich es – die Harmonie des Ehebundes gestört würde; ich weiß daher nicht viel von dem Einflusse, den Ihr meint, zu sagen. So theuer übrigens Meta dem Herzen ihrer Mutter ist – und in der That, kein Kind hat je zu süßeren Hoffnungen Anlaß gegeben oder die Liebe einer zärtlichen Mutter mehr verdient« – Ulrika faltete ihre Hände und schlug ihre sanften, blauen Augen zum Himmel auf – »so sehr ich den jungen Berchthold, der ein Sohn meiner theuersten Jugendfreundin ist, schätze, so gerne ich ihre jungen Herzen für immer verbunden sehen möchte durch das Band der Familien-Eintracht und der ehelichen Liebe, so glücklich es mich machen würde, wenn ihre lachenden Kinder sich um meine Kniee herdrängten und so dem Abend meines Lebens Ersatz böten für die erkältenden Schauer seines Mittags – ehe ich Euch in einem so unheiligen Entwurfe Beistand leiste und mich auch nur in einem rebellischen Gedanken gegen die Altäre meines Gottes versündige – ja, ehe ich mich durch die Selbstsucht oder durch einen meiner Lieblingswünsche verleiten lasse, zum Kampfe gegen die gefürchtete Macht des Herrn meine Hand zu bieten oder der Kirchenschändung auch nur ein entschuldigendes Wort zu leihen, wollte ich lieber mit thränenlosem Auge dem Sarge des Mädchens zu Grabe folgen und mein eigenes Haupt an ihrer Seite niederlegen, ohne mich nach jenem ruhigen Heimgang zu sehnen, welchen der Himmel mach des Lebens müder Pilgerfahrt den Redlichen verleiht.«

Der Graf von Leiningen war betroffen über den Nachdruck, mit welchem seine Gefährtin sprach, denn Niemand besitzt größere Gewalt, als der Sanfte, wenn er sich zum Widerstande erhebt, oder der Gute, wenn er in die Lage kömmt, die Schönheit seiner Grundsätze zeigen zu müssen. Er hatte sich in seiner Erwartung getäuscht; aber obgleich ihm eine innere Stimme sagte, daß er keine weitere Hoffnung hegen durfte, Ulrika's Beistand zu gewinnen, sah er sich doch, fast ohne es zu wissen, genöthigt, die edle Frau mehr als je zu achten. Er ergriff die Hand, die sie ihm in Freundschaft darbot, sobald sich ihre Aufregung ein wenig gelegt hatte, und war eben im Begriffe zu antworten, als ein Fußtritt im anstoßenden Zimmer und ein schüchternes Pochen an der Thüre ihn unterbrach.

»Herein,« rief der Graf, welcher eines der Schloßmädchen draußen vermuthete und froh war, auf diese Weise erlöst zu werden.

»Mi1lionenmal Dank für die Ehre,« erwiederte Ilse, sich bis auf den Boden verneigend, während sie von der ertheilten Erlaubniß Gebrauch machte. »Es ist das erstemal, daß mir in der Hartenburg so große Gnade zu Theil wird, obschon ich als ein rothbäckiges Mädchen, wie unsere Meta, einmal zu Heidelberg in ein Closet gelassen wurde. Da war ich und der selige Bürgermeister, Ulrika's Vater, und die gute Frau, ihre Mutter – wir waren damals noch jung, und es handelte sich um eine Schmauserei, und wir wollten die Merkwürdigkeiten in dem Palaste des Churfürsten sammt dem großen Fasse ansehen – –«

»Bist Du beauftragt, mich zu suchen?« unterbrach sie ihre Gebieterin. »Bedarf Meta ihrer Mutter?«

»Das läßt sich immer mit Sicherheit behaupten, denn Mädchen von solchem Alter sind wie die Jungen im Neste, Herr Graf, die stets in Gefahr stehen, sich den Hals zu brechen, wenn sie einen unvorsichtigen Flug versuchen, ohne daß ihnen das Beispiel der Alten eben so gut Klugheit als Muth verleiht. Wohl zwanzigmal täglich – ja, vielleicht gar fünfzigmal sage ich zu unserer Meta: ›thue was Du willst, Kind; nur sieh zu, daß Du nichts Unrechtes thust.‹ Ich halte es für unpassend, jungen Gemüthern, so lange sie unschuldig sind, den Kappzaum anzulegen, und daher sage ich, daß Güte ein weit besseres Zuchtmittel ist, als der Zorn; und in dieser verweisenden und vorstellenden Manier, Herr Graf, habe ich sowohl Meta, als ihre Mutter erzogen. Na, da seyd ja ihr Beide in freundschaftlichem Gespräch, als ob ihr Kinder wäret aus der nämlichen Wiege – und Heinrich Frey ist dort draußen und läßt sich den Rheinwein schmecken mit den beiden geistlichen Herrn, die das Schloß infiziren – –«

»Du wolltest wahrscheinlich frequentiren sagen, gute Ilse.«

»Was liegt an einem Worte, Kind! Infiziren oder frequentiren sind wohl das Nämliche, wenn man von schmucken, vornehmen Leuten spricht. Ich erinnere mich noch, wie ihr beide jung und schön wart – ein Paar, von dem ganz Dürkheim sagte, daß man es nicht trennen sollte; denn wenn das Eine vornehm war, so war das Andere gut, und war das Eine stark und tapfer, so war das Andere schön und tugendhaft. Aber die Weise der Welt hat euch auf verschiedene Pfade geführt, und der Himmel verhüte, daß ich etwas gegen Wege sagen sollte, auf denen so Viele dahin wandeln!«

»Und Du hast Meta bei denen gelassen, welche das Schloß infiziren, um hieher zu kommen und uns dieß zu sagen?«

»Nichts dergleichen. Freilich ließ ich das Mädchen auf einige ihrer müßigen Worte hören, denn ohne Erfahrung kann eine Jungfrau nicht wissen, wann sie eine ungebührliche Freiheit zurückzuweisen hat; aber daß irgend eine Leichtfertigkeit meinem Auge entwischte, wäre eben so unmöglich, als daß der Herr Graf den Limburger Altären nicht die gebührende Achtung erwiese. Nein, ich beklage mich nicht über die vornehmen Fremden, denn während der Herr von Rhodus unserer Meta allerlei höfliche Aufmerksamkeiten erzeigte, unterhielt mich der würdige Abbé mit einer Rede über die lutherische Ketzerei, und ich stehe dafür, obschon er ein Geistlicher ist, so ist er doch nicht schlechter gefahren, weil ich ihm meine Ansicht über den Abtrünnigen mittheilte! Ah, wir haben gar schön mit einander gesprochen über die Gefahren und Drangsale der Zeit und hätten wohl viel Belehrung erholen können, wenn nicht der junge Berchthold gewesen wäre, der nach der Art, wie er unter dem Waffenzeug in der Halle herum rumorte, wohl glauben mochte, er ziehe durch seinen Wald. Alle Anwesenden wurden gestört durch seinen eitlen Vorwand, daß er für des Grafen Morgenbelustigung eine Armbrust suchen müsse – als ob der Herr Graf mit weniger Vergnügen gejagt haben würde, weil in seiner Halle weise Worte gesprochen wurden! Die Hintermayer sind mir lieb und werth, aber diesem jungen Menschen scheint es an Respekt vor dem Alter zu fehlen.«

»Und wo ist mein Kind geblieben?«

»Du hast ihr ja die Weisung ertheilt, sie solle dem unglücklichen Lottchen Grüße bringen, und als ich glaubte, der vielgereiste Ritter habe sein Sprüchlein angebracht, winkte ich ihr, auf daß sie in dem Dorfe ihren Auftrag ausrichte. Das Gespräch mit den ungebundenen Herrn wird ihr nicht geschadet haben, denn nichts reinigt die ächte Tugend mehr, als eine kleine Befleckung durch das Laster – es geht dabei gerade wie mit dem schlechten Metall, das man dem Golde zusetzt, um es hart und für den Umlauf in vielen Händen tauglich zu machen.«

»Du hast doch nicht Meta ohne Geleite gehen lassen?«

»Hast Du je erlebt, daß ich es an meiner Pflicht fehlen ließ? Dein mütterlich Herz wird so leicht unruhig, wie der Vogel, der ob jedem rasselnden Laube aufflattert. Mir ergeht es wahrhaftig nicht so. Ich schickte nach der eiteln Gisela, daß sie ihr Gesellschaft leiste, und flüsterte, ehe sie sich entfernten, unserer Meta angelegentlich zu, sie solle nicht versäumen, aus den leichtfertigen Reden ihrer Begleiterin Belehrung zu ziehen; denn ich stehe dafür, sie spricht auf dem ganzen Wege von nichts Anderem, als von den Galanterien dieser Fremdlinge. Oh, überlaßt es nur der alten Ilse, aus jedem Umstande, der sich zufälligerweise ergibt, den Nutzen der Erbauung zu ziehen; denn noch nie entging mir die Anbringung einer guten Lehre, weil ich die Gelegenheit entwischen ließ, und hier steht Ulrika zum Beweise alles dessen, was ich gethan habe. Ich muß Euch um Verzeihung bitten, Herr Graf, daß ich Euren Förster wegschickte; aber der junge Mensch ärgerte mich mit seinem Geklapper unter den Schilden und Hakenbüchsen. Damit ihm nun eine heilsame Lehre im Schweigen ertheilt werde, trug ich ihm auf, Meta wohlbehalten nach der Wohnung seiner Mutter zu bringen, indem ich dabei zum Vorwand nahm, daß ein männlicher Arm erforderlich seyn dürfte, um die bellenden Hunde des Dörfleins abzutreiben.«

»Weiß Heinrich dies?«

»Wahrhaftig nein, denn er ist so hoch entzückt von der Ehre, welche Dir der Herr Graf erwies, indem er sich mit Dir einschloß, daß er fast ohne Unterlaß davon spricht und dabei zugleich zum Becher langt. Wenn ein Kind durch eine Person, die es zuerst in ihren Armen hielt und der noch obendrein die Erfahrung von vierundsiebzig Jahren zu Gebot steht, so gut besorgt ist, so sehe ich nicht ein, warum man den Vater viel nach seinem Wunsch und Willen befragen sollte.«

Der Graf hatte mittlerweile so sehr in Gedanken vertieft dagestanden, daß er nur wenig auf die Rede der alten Ilse achtete. Ulrika lächelte über die Worte ihrer Dienerin, wandte sich gegen Emich und bot ihm ihre Hand, worauf alle Drei das Closet verließen.



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