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Neuntes Kapitel.

»Japhet, ich kann Dir nichts erwiedern.«

Byron.

 

Die Abtei Limburg verdankte ihre Gründung und ihre reichen Einkünfte hauptsächlich der Gunst eines deutschen Kaisers. Diesem mächtigen Besitzer war ein besonderer Altar geweiht und ein prachtvolles, kunstreich gearbeitetes Grabmal errichtet worden. Auch die Grafen von Leiningen und manche andere edle Familien der Nachbarschaft hatten sich einer ähnlichen Auszeichnung zu erfreuen gehabt. Diese verschiedenen Altäre bestanden aus schwarzem Marmor mit eingelegten weißen Verzierungen, während auf den Grabsteinen die Wappen der betreffenden Familien angebracht waren. Letztere waren gesondert von denen in der Hauptkirche und befanden sich in einer Art von Gruft, oder in einer halb unterirdischen Kapelle, die unmittelbar unter dem Chor lag. Dahin lenkte Graf Emich seine Schritte, sobald er die Säule verlassen, an die er sich gelehnt hatte, um Pater Arnolphs Rede anzuhören.

Die obere Kirche hatte jene sanfte melancholische Beleuchtung, die einem gothischen Gebäude eine so eigenthümliche Zierde verleiht. Das Licht fiel durch hohe schmale Fenster von farbigem Glase ein und verlieh dem ganzen Inneren einen Ton, in welchem die Einbildungskraft sich eine geheimnisvolle Beziehung zu dem heiligen Charakter des Ortes denken konnte. In der tiefer gelegenen, abgeschlossenen Gruft wurde dieses Licht noch düsterer und ergreifender. Graf Emich fühlte, als er unten anlangte, diesen Einfluß in hohem Grade; denn nur Wenige traten in dieses feierliche Gewölbe, ohne die heilige Scheu zu empfinden, welche die ganze Umgebung einzuflößen geeignet war. Als er an den Altar kam, der seiner eigenen Familie errichtet war, bekreuzte er sich und beugte ein Knie vor dem milden, lieblichen Frauengesichte, welches die Mutter Christi vorstellen sollte. Er hielt sich für allein und sprach ein Gebet: denn obgleich Emich von Leiningen ein Mann war, der, so lange er weltlichen Spötterblicken ausgesetzt blieb, nur selten ernstlich sich mit seinem Gotte benahm, so trug er doch in seinem Herzen eine tiefe Ehrfurcht gegen die Macht des Allerhöchsten. Wie er sich wieder erhob, lenkte ein Geräusch in der Nähe seine Blicke bei Seite.

»Ha – Du hier, Herr Prior!« rief er, seine Ueberraschung möglichst zu verbergen suchend. »Du bist schnell von Deinem Stuhle nach der Kanzel, aber noch schneller von der Kanzel nach der Kapelle gekommen.«

»Wir, die wir unser Leben einer abgeschiedenen Andacht geweiht haben, müssen oft aller Orten seyn. Du knietest vor dem Altare Deines Geschlechtes, Emich?«

»Bei dem heiligen Benedict, dem Patron Deines Ordens, Du hast mich in der That über einer solchen Handlung ertappt, frommer Vater. Als ich diesen düstern Ort betrat, wandelte mich eine Schwäche an, und ich wollte den Geistern derer, die mir vorangegangen sind, meine Ehrerbietung bezeugen.«

»Nennst Du den Drang zum Gebet eine Schwäche? Vor welchem Altare könnte ein Mann Deines Namens passender seinen Gott anbeten, als hier an diesem, den die Andacht Deines Geschlechts errichtet und geschmückt hat – oder in welcher Stimmung könntest Du besser Einkehr halten in Deinem Innern und um den göttlichen Beistand flehen, als in der von Dir genannten?«

»Herr Prior, Du verkennst den Grund meines Besuchs. Ich wollte in der Abtei die Messe hören, nicht aber beichten und Absolution holen.«

»Es ist lange her, seit Du zum letztenmal das heilige Sacrament empfingst, Emich.«

»Du hast Dich in Deiner Weise auf der Kanzel wacker gehalten, Vater, und ich zweifle nicht, daß die Bürger von Dürkheim und ihre Vettern und Basen Dir in ihren Privatunterhaltungen das gebührende Lob zollen werden. Dein Ruf als Prediger ist sogar jetzt nicht mehr gering zu nennen, und Deine heutige Anstrengung könnte Dir beinahe zu einem Bisthum verhelfen, wenn die Weiber unseres Thals im Stande wären, in Rom etwas zu erzielen. Wie geht es diesen Morgen unsrem hochheiligen Abt und den beiden Kirchensäulen, den Vätern Siegfried und Kuno?«

»Du hast sie während des Amtes an ihren Plätzen gesehen.«

»Beim Himmel, sie sind würdige Kumpane! Glaube mir, Vater, durch unsre ganze fröhliche Pfalz gibt es keine ehrlicheren, lustigeren Gesellen oder überhaupt Leute, die ich so sehr nach ihren Verdiensten liebte. Hast Du nichts von ihrem Besuche auf der Hartenburg und von ihren Thaten im Fleische gehört, hochwürdiger Prior?«

»Die Stimmung Deines Geistes hat sich schnell umgewandelt, Graf, und ich bedaure dies von Herzen. Ich bin nicht hieher gekommen, um von den Ausschweifungen, die auf Deiner Veste begangen werden, oder von dem Selbstvergessen derjenigen zu hören, welche, obschon sie sich einer besseren Sache geweiht, dennoch gezeigt haben, daß sie blos Menschen sind.«

»Ja, und zwar so mannhafte Leute, wie nur irgend welche im Reiche aufgefunden werden können. Mein guter Name ist mir so lieb, wie irgend einem Andern, sonst würde ich Dir die Zahl der Gefässe nennen, die, wie mein Kellermeister schwört, nicht weniger schnell als eben so viele Reisige bei einem Sturme oder einem Rückzuge fielen.«

»Diese Liebe zum Wein ist der Fluch unsres Landes und unsrer Zeit. Es wäre mir lieb, wenn dieses hinterlistige Getränk nie wieder durch die Thore von Limburg eingeführt würde.«

»Bei Gottes Gerechtigkeit, hochwürdiger Prior, Du wirst wahrhaftig künftighin einige Verminderung in dieser Einfuhr spüren,« entgegnete Emich lachend, »denn die bestrittenen Weinberge haben endlich einen einzigen und zwar einen würdigen Herrn gefunden, obschon ich mir dieses Lob eher von Dir spenden lassen sollte, der Du so oft, kraft Deines Beichtigeramtes, in mein Inneres geschaut hast. Ich gebe Dir mein Ritterwort, keine Flasche des Getränkes, das Du so sehr verachtest, soll je wieder Deinem Gaumen Gewalt anthun.«

Der Graf warf einen triumphirenden Blick auf den Mönch, denn er erwartete – und hoffte auch wahrscheinlich – daß sich in dessen Zügen, dem ausgesprochenen Mässigkeitsbekenntnisse zum Trotze, doch einige Merkmale von Aerger über die Ankündigung des Verlustes, welchen das Kloster erlitten, kund geben möchten. Aber Vater Arnolph war, was er schien – ein Mann, treu ergeben seinem heiligen Amte, ohne daß er sich durch zeitliche Interessen bestimmen ließ.

»Ich verstehe Dich, Emich,« versetzte der Prior mit Milde. »Es bedurfte in einem solchen Augenblicke auch noch dieses Aergernisses, um üble Nachrede über die heilige Kirche zu bringen, gegen welche bereits der Widersacher rohen Angriff üben darf, aus Gründen, die mit zu den unerforschlichen Geheimnissen Dessen gehören, der sie gegründet hat.«

»Du hast allen Fug, so zu sprechen, Mönch, denn die Wahrheit zu sagen, jener Sachse mit seinem keineswegs schwachen Anhang beginnt auch in diesen Gegenden aller Orten Anlaß zu Bedenken und zu Ungehorsam zu geben. Du mußt wohl diesen Bruder Luther aus dem Grunde Deines Herzens hassen, Vater?«

Zum erstenmale verlor jetzt das Gesicht des Priors den gleichförmigen Ausdruck des Wohlwollens, jedoch nur in so unmerklicher Weise, daß es nicht einmal dem scharfen Blicke des Grafen auffiel. Indeß wußte ein Mann, der sich so sehr daran gewöhnt hatte, seine Leidenschaften zu bekämpfen, den zögernden Rest menschlicher Schwäche, welcher jenes bittere Gefühl in seinem Innern hervorrief, schnell zu unterdrücken.

»Der Name des Schismatikers hat mich beunruhigt,« entgegnete der Prior, im Bewußtseyn der eigenen Schwäche wehmüthig lächelnd; »übrigens hoffe ich, daß dem Gefühle kein persönlicher Haß zu Grunde lag. Er steht an einem schrecklichen Abgrunde, und ich flehe aus der Tiefe meiner Seele zum Himmel, daß nicht nur er, sondern alle die Verblendeten, die seiner verderblichen Spur folgen, noch zeitig genug ihre Gefahr erkennen mögen, um ohne Schaden wieder umkehren zu können.«

»Vater, Du sprichst wie ein Mann, der dem Sachsen eher Gutes, als Uebles wünscht.«

»Ich hoffe, behaupten zu können, daß meine Worte nicht in Widerstreit mit meinen Gedanken stehen.«

»Aber Du vergißt die verdammlichen Ketzereien, die er uns bereitet, und übersiehst seine Beweggründe. Sicherlich hat doch ein Mann, der um einer leichtfertigen Nonne willen also Leib und Seele verkaufen kann, wenig Anspruch an Deine Liebe.«

Eine leichte Gluth überflog jetzt Vater Arnolphs Schläfe.

»Man hat ihm diese schnöde Leidenschaft zur Last gelegt,« antwortete er, »und den Beweis zu führen gesucht, daß dieser Empörung der niedrige Wunsch zu Grund liege, an den Freuden der Welt Theil zu nehmen; ich glaube übrigens nicht daran und will ihm nichts der Art nachreden.«

»Bei Gott, Du bist Deines heiligen Amtes würdig, Herr Prior, und ich ehre Deine Mäßigung. Wenn es unter uns mehrere Deines Gleichen gäbe, so hätten wir wohl auch eine bessere Nachbarschaft und weniger Einmengung in die Angelegenheiten Anderer. Mit Dir sehe ich wahrhaftig nicht ein, warum er nöthig hatte, die Nonne offen zu weiben, denn man kann sich ja eben so gut unter der Kapuze den Vergnügungen des Lebens hingeben, wenn man einmal von dem Geschicke berufen ist, eine zu tragen.«

Der Mönch gab keine Antwort, denn er bemerkte, daß er es mit einem Manne zu thun hatte, welcher unfähig war, seinen Charakter zu begreifen.

»Wir wollen nicht mehr hievon sprechen,« erwiederte er nach einer kurzen und peinlichen Pause, »sondern lieber Deine eigene Wohlfahrt ins Auge fassen. Dem Vernehmen nach brütest Du Arges gegen dieses Heiligthum, Graf Emich. Man sagt Dir nach, Ehrgeiz und Habgier hätten Dich verlockt, Dich zu dem Umsturze unserer Abtei zu verschwören, damit nichts mehr zwischen Deiner Gewalt und dem Throne des Churfürsten stehe.«

»Es scheint, Du bist geneigt, weit liebloser über Deinen nächsten Nachbar zu urtheilen, als über jenen Todfeind der Kirche, den Luther. Was hast Du von mir gesehen, Herr Prior, daß ein Mann von Deiner christlichen Gesinnung sich erdreisten mag, eine solche Beschuldigung laut werden zu lassen?«

»Ich spreche nur aus, was Alle in unsrem Kloster denken und fürchten. Hast Du diese kirchenschänderische Unternehmung auch wohl überlegt, Emich, und die möglichen Folgen derselben bedacht? Weißt Du, für welchen Zweck diese heiligen Altäre errichtet wurden und welche Hand den Grundstein des Gebäudes gelegt hat, das Du so freventlich umstürzen möchtest?«

»Ach, mein guter Vater Arnolph, es gibt zweierlei Gesichtspunkte, von denen aus sich die Errichtung Deines Klosters und namentlich dieser Kirche, in welcher wir stehen, betrachten läßt. Eine unserer Sagen behauptet, der Erzfeind selbst habe bei dem Bau seine Kelle im Spiel gehabt.«

»Du bist von zu hoher Abkunft, von zu edlem Blute und zu gereiftern Verstande, um einem solchen Mährlein Glauben zu schenken.«

»Es gibt Punkte, in die ich mich nicht allzutief einlassen möchte. Ich habe nicht in Prag oder Wittenberg studirt, und Du solltest mir deßhalb mit derartigen Fragen nicht zu Leibe gehen. Es wäre gut gewesen, wenn eure Brüderschaft selbst in Zeiten auf die Anschuldigung Bedacht genommen hätte, damit die Frage für oder wider, wie es die Gerechtigkeit forderte, in der allgemeinen Kirchenversammlung zu Kostnitz, wo sich die Gelehrten und Großen unter unsern Vätern zusammenfanden, hätte zur Entscheidung gebracht werden können.«

Vater Arnolph betrachtete seinen Gefährten mit ernstlicher Besorgniß. Er kannte zwar nur zu gut die beklagenswerthe Unwissenheit und den daraus entspringenden Aberglauben, in den sogar die Großen jener Zeit verstrickt waren, um eine Aeußerung des Erstaunens kund zu geben, wußte aber auch recht wohl, daß dem Grafen eine viel zu große Gewalt zu Gebot stand, als daß aus einer derartigen Vereinigung von Macht und Unwissenheit nicht das Schlimmste hätte zu besorgen seyn müssen. Dennoch war es ihm vorderhand nicht darum zu thun, Ansichten zu bekämpfen, die sich nur durch Zeit und Belehrung wegräumen ließen, wenn anders Eindrücke, die im menschlichen Geiste tief Wurzel gefaßt haben, je ausgerottet werden können. Er verfolgte daher seinen unmittelbaren Plan und vermied dadurch eine Debatte, welche in einem solchen Augenblicke vielleicht schlimmer als nutzlos war.

»Daß die Hand des Erzfeindes sich mehr oder weniger in alle Dinge mischt, mit denen der Mensch zu thun hat, mag wahr seyn,« fuhr er fort, indem er sorgfältig darauf Bedacht nahm, daß der Ausdruck seines Auges weder den Stolz noch den Starrsinn des Grafen wecken konnte – »aber wenn einmal irgendwo Altäre aufgerichtet sind, und die Anbetung des allerhöchsten Gottes schon Jahrhunderte gedauert hat, so dürfen wir mit Grund hoffen, daß sein heiliger Geist in Majestät und Liebe unter den Heiligthümern weilt. So verhält sich's nun mit Limburg, Graf Emich, und zweifle nicht daran, daß wir, die wir im Gespräche hier stehen, zugleich in der unmittelbaren Gegenwart des gefürchteten Wesens uns befinden, das Himmel und Erde schuf, unser Leben leitet und uns im Tode richten wird.«

»Gott behüte uns, Herr Prior – Du hast heute bereits auf der Kanzel Dein Amt erfüllt, und ich sehe keinen Grund, warum Du Dir doppelte Mühe geben solltest, nachdem Du das erstemal so viel Beifall geerndtet. Die Art, wie Du mich gewissermaßen unangemeldet dem gefürchteten Wesen, wie Du es nennst, vorführst, will mir nicht gefallen; denn wenn sich's auch nur um den Churfürsten Friedrich handelte, so würde sich Emich von Leiningen einer solchen Vertraulichkeit nicht erdreisten, ohne zuvor wohl erwogen zu haben, ob es auch paßlich sey.«

»In den Augen des Wesens, das wir meinen, sind Churfürsten und Kaiser gleich unbedeutende Geschöpfe. Gott liebt nur den Demüthigen, den Barmherzigen und den Gerechten, während er diejenigen züchtigt, welche sein Ansehen verläugnen. Doch Du hast Deinen Lehensherrn genannt, und ich will Dich jetzt in einer Weise befragen, die zu Deinen Angewöhnungen paßt. Emich von Leiningen, Du hast in Wahrheit einen edlen Namen in der Pfalz und Deine Familie steht seit langer Zelt unter uns in großem Ansehen. Dennoch bist Du nur der zweite oder gar der dritte weltliche Gebieter in Deinem eigenen Lande. Der Churfürst und der Kaiser, beide haben Macht über Dich, und jeder ist kräftig genug, Dich in Deiner gerühmten Veste Hartenburg nach Willkühr zu vernichten.«

»Der Letztere mag allenfalls, wenn Du willst, die Mittel dazu besitzen, würdiger Prior« – unterbrach ihn der Graf – »aber was den Churfürsten betrifft, so muß er sich zuerst die Feinde vom Hals schaffen, die ihn selbst bedrängen, ehe er an einen derartigen Sieg denken kann.«

Pater Arnolph verstand wohl, was der Andere meinte, denn es war kein Geheimniß, daß Friedrich um jene Zeit schlimm genug in der Klemme war, um selbst für seinen Thron Besorgnisse hegen zu müssen – ein Umstand, der bekanntermaßen den Grafen von Hartenburg in dem lang gehegten Plane ermuthigte, sich eine Gemeinschaft vom Halse zu schaffen, welche seine Entwürfe kreuzte und seinem Ansehen in der Gegend Abtrag that.

»So wollen wir von dem Churfürsten schweigen und nur von dem Kaiser reden,« erwiederte der Prior. »Du glaubst, er sey fern von Deinen Landen in seinem Palaste, und zuverlässig besitzt er hier keine sichtbare Gewalt, um Deine rebellische Hand zu bezwingen. Nehmen wir an, eine Familie, die er beschütze und sogar liebe, stehe einem Deiner habgierigen Entwürfe im Wege; der Versucher habe Dir deßhalb in den Sinn gegeben, es würde gut seyn, sie zu entfernen oder mit gewaltiger Faust zu vernichten. Bist Du schwach genug, Graf Emich, um auf solche Einflüsterungen zu hören, wenn Du weißt, daß der Arm Karls lange genug ist, um von seinem entlegenen Madrid bis zum fernsten Winkel Deutschlands zu reichen, und daß seine Rache eben so sicher als furchtbar seyn würde?«

»Es wäre wahrhaftig ein kühner Feldzug, Herr Prior, wenn Emich von Leiningen gegen Karl V. streiten wollte. Ueberließe man die Sache meinem eigenen Gutdünken, frommer Mönch, so würde ich mir lieber einen andern Gegner wählen.«

»Und doch sinnst Du auf Krieg gegen Einen, welcher mächtiger ist, als er. Du erhebst Deinen unmächtigen Arm und Deinen vermessenen Willen gegen Deinen Gott. Du verachtest seine Verheißungen, entweihst seine Altäre und möchtest nur gar zu gerne den Tabernakel umstürzen, den Er errichtet hat. Glaubst Du, der Allmächtige werde unthätig einer solchen Sünde zusehen? Zählst Du darauf, die ewige allgütige Weisheit werde vergessen, sie zu strafen?«

»Beim heiligen Paulus, Du legst die Sache ganz für Deinen eigenen Vortheil zurecht, Vater Arnolph, denn es ist noch nicht bewiesen, daß die Abtei Limburg einen solchen Ursprung hat – und wenn es auch wäre, so kommt noch sehr in Frage, ob sie nicht in Ungnade gefallen ist durch die Ausschweifungen ihrer Bewohner. Es wäre nicht übel, wenn Du nach dem hochwürdigen Herrn Abt und nach jenen Säulen der Heiligkeit, den Vätern Kuno und Siegfried schicken wolltest, damit sie Dich mit ihrem Zeugniß unterstützen. Bei Gottes Weisheit, in der besagten Angelegenheit läßt sich mit diesen Ehrenmännern weit besser eine Verhandlung pflegen, als mit Dir.«

Emich lachte und der Widerhall schlug in der gewölbten Kapelle wie das Hohngelächter eines Teufels an die Ohren des Mönchs. Dennoch konnte sich Vater Arnolph in seiner natürlichen Billigkeit nicht verhehlen, daß sein Gefährte hinreichend Grund zu dem geäußerten Spotte hatte, denn ihm selbst war ja seit langer Zeit die Verderbtheit vieler seiner Ordensbrüder zum Gegenstand bitteren Leides geworden!

»Ich bin nicht hier, um die Irrenden zu richten, sondern um die Heiligthümer zu vertheidigen, vor denen ich Gott meine Anbetung bringe, und Dich vor einer verhängnißvollen Sünde zu warnen. Wenn Du je Deine Hand gegen diese Mauern erhebst, so erhebst Du sie gegen das, was Gott gesegnet hat und Gott rächen wird. Doch, Du bist nicht ohne menschliches Gefühl, Emich von Hartenburg, und obschon Du vielleicht an dem heiligen Charakter dessen, was Du gerne zerstören möchtest, zweifelst, so kannst Du Dich doch in Betreff dieser Gräber nicht täuschen. In dieser heiligen Kapelle sind für die Seelen Deiner eigenen Familienangehörigen viele Gebete gesprochen und Messen gelesen worden.«

Der Graf von Leiningen sah den Mönch fest an, der zufällig in der Nähe der Oeffnung stand, welche die Verbindung zwischen der dunkeln Kapelle und der obern Kirche herstellte. Glänzende Lichtstrahlen schossen durch das östliche Fenster und trafen zu seinen Füßen das Pflaster, indem sie zugleich seine Gestalt in den sanften, feierlichen Glanz hüllten, der ihnen von dem farbigen Glase verliehen wurde. Der Morgengottesdienst hatte außerdem durch das ganze Gebäude die sänftigende Atmosphäre verbreitet, welche man gewöhnlich in den Kirchen des römischen Cultus bei feierlichen Handlungen antrifft. Der Weihrauchduft war bis in die Kapelle gedrungen, und unbewußt fühlte der kriegerische Graf den Einfluß desselben in der Beruhigung seiner Nerven und in dem Einschlummern seiner Leidenschaften. Alle, welche die Haupt-Basilica des neueren Roms betreten haben, mußten die vereinte Wirkung moralischer und physischer Ursachen in einem ähnlichen Resultate empfinden, wie es sich wohl in jedem katholischen Tempel ergibt, obschon in jenem ungeheuern, herrlichen Dome, welcher in seiner eigenthümlichen Atmosphäre eine ganze Welt von Sinnbildern zeigt, die Wirkung besonders großartig ist.

»Hier liegen meine Väter, Arnolph,« antwortete der Graf mit gedämpfter Stimme, »und hier sind, wie Du sagst, Messen für ihre Seelen gelesen worden.«

»Und Du verachtest ihre Gräber – willst sogar ihre Gebeine beschimpfen!«

»Das wäre nicht die Handlung eines Christen.«

»Schau hieher, Graf. Dies ist das Denkmal des guten Emich, Deines Vorfahren. Er ehrte seinen Gott und trug kein Bedenken, ihn an unsern Altären anzubeten.«

»Du weißt, frommer Prior, daß ich oft zu Deinen Knieen meine Seele aufgeschlossen habe.«

»Du hast gebeichtet und Lossprechung erhalten; damit Dir aber nicht sogar das Sacrament zu künftigem Leide gereiche –«

»Sage lieber zu ewiger Verdammniß,« unterbrach ihn eine Stimme, die so plötzlich von der hintern Seite der Gruft hertönte, daß sie aus den Gräbern selbst hervorgekommen schien. »Du treibst ein Spiel mit unsrer heiligen Sendung, hochwürdiger Prior, wenn Du mit diesem argen Sünder so zart umgehst.«

Der Graf von Leiningen war bei den ersten Worten dieser Unterbrechung zusammengeschreckt und beinahe ganz außer Fassung gekommen; als er aber umschaute, erblickte er die zurückweichende Stirne, das eingesunkene Auge und die gebeugte Gestalt des Pater Johann.

»Mönche, ich verlasse Euch,« sagte Emich mit fester Stimme. »Für euch ist's wohl recht, daß ihr betet und diese düsteren Altare besucht; aber ich, der ich ein Kriegsmann bin, kann meine Zeit nicht länger in der Gruft meiner Väter vergeuden. Lebe wohl Prior – Du hast einen Hüter, der den Guten beschützen wird.«

Noch ehe der gleichfalls überraschte Prior seine Stimme wieder gewinnen konnte, schritt der Graf die Marmortreppen hinan und der Tritt seiner bewaffneten Ferse ließ sich bald klirrend von den Fliesen oben vernehmen.



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