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Siebentes Kapitel.


»Es war Mittag, ehe wir den Schauplatz unserer Thätigkeit erreichten. Furcht und Rachsucht vereinigten sich, um die Bewohner von Chetasco zu ihrer eigenen Vertheidigung eifrig und schnell zu machen. Die bereits angerichteten Verheerungen waren betrübend und sie beschlossen, um eine Wiederholung des nämlichen Unglücks zu verhindern, die Schritte des Feindes zu verfolgen und unbarmherzige Wiedervergeltung auszuüben.

Es war zu vermuthen, daß sich der Feind bei Anbruch des Tages aus dem Thale entfernt und sich in den Dickichten zwischen der parallel laufenden Bergkette versteckt habe. Dieser Raum, der je nach dem Gegenstand, womit man ihn vergleicht, entweder ein Thal oder der Gipfel eines Berges ist, war dunkel und trübe – er bildete unzweifelhaft den Zugang, durch welchen die Räuber herbeigekommen waren und auf welchem sie nach dem Ohio entfliehen würden. Hier konnten sie noch zurückgeblieben sein und beabsichtigen, in der folgenden Nacht aus ihrem Versteck hervorzubrechen und neue Schandthaten zu begehen.

Wir vertheilten unsere Streitkräfte so, daß wir zu gleicher Zeit nach allen Richtungen vordrangen. Ich will nicht bei Einzelheiten verweilen – es genüge, wenn ich sage, daß uns endlich scharfe Augen und unermüdliche Füße in die Nähe des größten Theiles dieser Marodeurs brachten. Sieben von ihnen wurden an dem Rande eines Baches getödtet, wo sie saßen, ohne das Geringste von der Gefahr zu ahnen, welche sie bedrohte. Fünf entkamen und einer von diesen bewerkstelligte seinen Rückzug dadurch, daß er Ihrem Onkel Ihre Flinte entriß und ihn niederschoß. Ehe unser Gefährte gerettet oder gerächt werden konnte, verschwand der Mörder mit dem Rest des Trupps und nahm die Flinte als Trophäe seines Sieges mit fort.

Wir beklagten dieses Unglück nicht allein wegen des Lebens, welches so geopfert worden war, sondern auch, weil wir einen scharfsinnigen Führer und unerschrockenen Leiter verloren hatten. Seine Bekanntschaft mit den Gewohnheiten der Indianer und seine Erfahrung in ihrer Kriegsweise ließen ihn deren Schritte mit größerer Sicherheit wie irgend einer seiner Gefährten verfolgen.

Die Verfolgung wurde noch immer fortgesetzt und Trupps so aufgestellt, daß das Entrinnen des Feindes schwierig, wo nicht unmöglich war. Wir setzten unsere Nachsuchungen aber zwölf bis vierzehn Stunden lang erfolglos fort. Die Königin Mab entging nicht jedem Verdacht, – ihre Hütte wurde von verschiedenen Trupps besucht – aber die Alte und ihre Hunde waren verschwunden.

Ihre Lage wurde inzwischen nicht vergessen und jeder Einzelne erhielt den Auftrag, ebensowohl nach Ihren Spuren wie nach denen der Wilden zu forschen, aber dieses Suchen blieb ebenso erfolglos wie das frühere. Niemand hatte von Ihnen etwas gehört oder gesehen.

Dies dauerte bis Mitternacht. Drei von uns machten an einem Bache Halt und wir beabsichtigten, unsere Ermüdung durch ein paar Stunden Ruhe zu beseitigen, aber wir hatten uns kaum an der Erde ausgestreckt, als wir durch einen Schuß aufgeschreckt wurden, der in geringer Entfernung abgefeuert worden zu sein schien. Wir sprangen auf und beriethen uns über die zu ergreifenden Maßregeln. Ein zweiter, dritter und vierter Schuß in der nämlichen Richtung erregte unsere Aufmerksamkeit aufs Neue. – Wir wußten, daß die Hütte Mab's in der Entfernung und in der Richtung dieser Töne lag und beschlossen, uns dorthin zu begeben.

Dies geschah schnell, aber mit der größten Vorsicht. Wir erreichten bald den Weg, welcher zu dieser Hütte führte, und erblickten endlich das Gebäude. Wir sahen viele Personen in einer Art geschäftiger Unthätigkeit vor der Hütte; wir erkannten in ihnen bald Freunde und näherten uns ihnen daher ohne Bedenken.

Die Gegenstände, welche sich bei näherer Betrachtung unseren Augen darboten, waren fünf am Boden ausgestreckte Leichen; drei von diesen waren Wilde, die vierte ein Mädchen, das, obgleich es lebte, doch eine tödtliche Wunde erhalten zu haben schien. Die fünfte athemlose und verstümmelte, deren Züge durch das Blut, welches über das Gesicht herabströmte, fast unkenntlich gemacht wurde, war Edgar, den ich so sorgsam gesucht hatte.

Ungefähr um die nämliche Stunde der vorigen Nacht hatte ich Sie nach Norwalk eilen sehen; jetzt lagen Sie unter Wilden in einer Entfernung von dreißig Meilen von Ihrer Heimath und an einem Orte, den Sie unmöglich anders erreicht haben konnten, als wenn Sie einen unendlichen Umweg über Felsen und durch Dickichte machten, daß Sie am Fuß des Berges einen Spalt gefunden, so dessen Masse durchdrungen und einen so langen verwickelten Weg vermieden hätten, wie er sonst nothwendig gewesen sein würde, war nicht vorauszusehen.

Aber wie war diese Scene herbeigeführt worden? Es ließ sich leicht schließen, daß meine Gefährten Ihre Feinde im Hause getroffen und von ihnen die Sühne für ihre Verbrechen gefordert hätten, aber der Gegenstand unserer Verwunderung war, wie Sie mit Ihren Feinden verwechselt worden seien und woher das verwundete Mädchen kam.

Sie werden selbst beurtheilen können, wie sehr dieses Erstaunen stieg, als man mir mittheilte, daß die Abtheilung, welche wir fanden, durch die nämlichen Zeichen hierher gelockt worden sei, welche uns beunruhigt hatten; daß dieselbe Sie bei ihrer Ankunft an diesem Orte lebendig an der Erde sitzend und noch mit der Flinte gefunden habe, wodurch Sie dem Anscheine nach die Vernichtung so vieler Gegner bewerkstelligt hatten – kurze Zeit nach ihrer Ankunft wären Sie niedergesunken und verschieden.

An dieses Schauspiel knüpften sich unerklärliche Umstände. Die Muskete, welche neben ihnen lag, schien einem der Wilden angehört zu haben. Die Wunde, welche den Tod eines Jeden herbeigeführt hatte, war einfach. Drei von den vier Schüssen, welche wir in der Entfernung gehört hatten, waren daher für die Indianer tödtlich gewesen und der vierte unzweifelhaft derjenige, der Sie zum Fallen gebracht hatte, aber es fanden sich nur drei Musketen vor.

Die Waffen wurden gesammelt und das Mädchen von ihrem Vater in das nächste Hans gebracht. Ihr Zustand schien Genesung zuzulassen und der Kummer und die Verwunderung, welche ich über Ihren früheren, außerordentlichen Tod fühlte, hielt mich nicht ab, einen Versuch zur Herstellung der Gesundheit dieses unglücklichen Opfers zu machen; ich bedachte ferner, daß durch die Auskunft, welche durch ihre Erzählung zu erhalten sein würde, einiges Licht auf diese so geheimnißvollen Vorfälle geworfen werden könne.

Es waren zahllose Fragen und Andeutungen nothwendig, um ihr eine zusammenhängende und verständliche Erzählung zu entlocken. Sie war, wie es schien, meilenweit von ihren Ueberwindern fortgeschleppt worden, die endlich in einer Höhle Halt machten, um Ruhe zu finden. Alle schliefen bis auf Einen, der horchend da saß, er wurde durch irgend etwas hinweggeführt und im nämlichen Augenblick waren Sie halb nackt und ohne Waffen im Hintergrunde der Höhle erschienen. Den letzteren Mangel hatten Sie augenblicklich dadurch beseitigt, daß Sie die Flinte und den Tomahawk desjenigen ergriffen, der hinausgegangen war und unvorsichtigerweise seine Waffen zurückgelassen hatte. Dann waren sie über die Körper der Schlafenden hinweggestiegen und aus der Höhle geeilt.

Dann erzählte sie von ihrer unerwarteten Rückkehr, ihrer Befreiung und Flucht und ihrer Ankunft in der Hütte Deb's. Sie hatten am Herde gewacht und sie war auf dem Bett eingeschlafen. Aus diesem Schlafe wurde sie durch grausame Schläge geweckt. Sie blickte auf, Sie waren fort und das Bett umwogten die Männer, denen sie vor so kurzer Zeit entflohen war. Einer schleppte sie aus der Hütte und richtete die Flinte auf ihre Brust; in dem Augenblick, wo er den Drücker berührte, kam eine Kugel aus einer unbekannten Gegend und er sank zu ihren Füßen nieder. Der folgenden Ereignisse erinnerte sie sich nur unzusammenhängend – die Indianer wurden nach und nach getödtet und Sie waren zu ihr gekommen und hatten sie befragt und getröstet.

Sie waren auf Ihrem Wege nach der Hütte bewaffnet gewesen; dies erklärte die Sache einigermaßen – aber wo waren Ihre Waffen? Es wurden nur drei Musketen gefunden und diese gehörten unzweifelhaft Ihren Feinden an.

Jetzt hatte ich Muße, über ihr Schicksal nachzudenken. Ich war in diesem Lande nur zeitig genug angekommen, um den Tod zweier Wesen zu sehen, die ich herzlich liebte. Beide wurden fast zu gleicher Stunde von dem nämlichen Schicksal betroffen; die nämliche Hand hatte vielleicht den Tod des Onkels und des Neffen herbeigeführt.

Jetzt fing ich jedoch an, Hoffnung zu hegen, daß ihr Zustand nicht unabänderlich sein könne. Nachdem das Schießen vorüber gewesen war und Ihre Feinde aufgehört hatten, mit ihnen zu kämpfen, waren sie gegangen und hatten gesprochen. Es war ihnen unzweifelhaft vorher eine Wunde beigebracht worden – ich hatte voreilig geschlossen, daß die Wunde tödtlich sei und daß das Leben nicht wieder zurückgerufen werden könne. Da ich mit der Beachtung der Klagen des Mädchens beschäftigt und von Kummer und Verwirrung erfüllt gewesen war, so hatte ich einer Ansicht Raum gegeben, die ich unter andern Umständen nicht angenommen haben würde. Meine Bekanntschaft mit Wunden würde mir gelehrt haben, eingesunkene Muskeln, Blässe und Aufhören des Pulses nur als eine Andeutung von Ohnmacht und nicht als Zeichen des Todes zu betrachten.

Mein Irrthum war vielleicht wieder gut zu machen; wenn ich nach der Hütte eilte, konnte ich mich von Ihrem Zustande überzeugen und wenigstens Ihre Ueberreste nach einer Wohnung bringen und Ihnen ein anständiges Begräbniß verschaffen.

Von zwölf am vorhergehenden Tage bemerkten Wilden waren jetzt zehn getödtet – jetzt blieben wenigstens noch zwei übrig, deren Verfolgung eifrig fortgesetzt wurde. Die Aufmerksamkeit für das verwundete Mädchen hatte mich von der Gesellschaft entfernt und ich fand jetzt Zeit, zu dem Schauplatz dieser Unglücksthaten zurückzukehren. Die Sonne war aufgegangen und ich eilte in Begleitung von zwei Anderen dorthin.

Eine scharfe Biegung des Weges am Anfang des Feldes zeigte uns ein überraschendes Schauspiel. Ein durch vielfache Bajonnet- und Kugelwunden verstümmelter Indianer wurde entdeckt; seine Muskete war in die Erde gesteckt worden, um die Aufmerksamkeit auf diesen Ort zu lenken. Ich war einige Stunden vorher über diesen Platz gegangen und es hatte sich nichts Derartiges gezeigt; sämmtliche Streifpartien waren nach entfernten Richtungen davon geeilt, eine unsichtbare Macht schien zu unserer Vertheidigung thätig zu sein und die Benutzung unsrer Waffen unnöthig zu machen.

Wir begaben uns nach der Hütte. Die Wilden fanden sich vor, aber Edgar war aufgestanden und entflohen! Jetzt erschien nichts mehr unglaublich. Sie hatten drei Feinde erschlagen und die Waffe, womit Sie den Sieg errangen, war verschwunden. Sie waren vom Tode erstanden, hatten einen der überlebenden Feinde angegriffen, zu seiner Vernichtung Kugel und Dolch verwendet, mit denen Sie nur durch übernatürliche Mittel versehen sein konnten und waren verschwunden. Wenn irgend ein Einwohner von Chetasco das gethan hätte, so würden wir es gehört haben.

Aber wie nun? Sie lebten noch; Ihre Kraft war genügend, um Sie von diesem Orte hinwegzutragen. Warum blieben Sie noch immer unsichtbar und welchen Gefahren waren Sie nicht vielleicht ausgesetzt, ehe Sie sich aus dem Labyrinth dieser Wildniß entwirren konnten.

Ich veranlaßte auf's Neue eine unermüdliche Nachforschung nach Ihnen – sie wurde bis zum Anbruch des Abends fortgesetzt und blieb erfolglos. Wir fragten zweimal in dem Hause, wo Sie Nahrung und Auskunft erhielten – beim zweiten Besuch wurde ich von Erstaunen oder Freude über die Nachricht erfüllt, welche ich von der Frau erhielt. Ihre Person, Ihr Benehmen und Ihre Waffen wurden beschrieben und Ihr Entschluß, über den südlichen Kamm zu steigen und mit der größten Schnelligkeit den Weg nach Solebury einzuschlagen, erwähnt.

Der größte Theil meiner Besorgnisse wurde hierdurch beseitigt – Sie waren im Stande, zu essen und zu gehen und es stand wenig zu bezweifeln, daß am folgenden Morgen ein Zusammentreffen zwischen uns stattfinden werde. Inzwischen beschloß ich, mich denen anzuschließen, welche die noch übrigen Feinde verfolgten. Ich folgte ihnen auf dem Wege, welchen sie eingeschlagen haben sollten, und gelangte bald zu einem zahlreichen Trupp, der diejenigen aufsuchte, die in der vergangenen Nacht eine in der Nähe liegende Pflanzung angegriffen und die Bewohner ermordet hatten. Ich brauche nicht bei unsern Wanderungen und Bewegungen zu verweilen. Die Feinde wurden bis zu dem Hause Selby's verfolgt. Sie waren hineingegangen, hatten den Fußboden angezündet, wurden aber gezwungen, ihre Beute fahren zu lassen. Ihre Anzahl war nicht zu erfahren, aber einer, der hinter seinen Kameraden zurückblieb, wurde am Eingang des Waldes und an dem Orte niedergeschossen, wo Sie auf ihn trafen.

Das Haus Selby's war leer, das Feuer verlöschte, ehe es Fortschritte gemacht hatte. Der erbärmliche Trunkenbold, mit dem Sie zusammentrafen, war vermuthlich von seiner nächtlichen Schwelgerei zurückgekehrt, nachdem wir den Ort verlassen hatten.

Die fliehenden Feinde wurden mit erneutem Eifer verfolgt. Wir erkannten an verschiedenen Zeichen, daß sie über den Fluß gegangen waren und die Berge erstiegen hatten. Wir folgten ihnen auf den Fersen. Als wir das von Ihnen beschriebene Vorgebirge erreichten, machten mich die Beschwerden der Nacht und des Tages unfähig, weiter zu gehen – ich beschloß, daß dies das Ende meiner Wanderung sein solle. Es lag mir daran, eine Zusammenkunft mit Ihnen zu erlangen – und wenn ich hier nicht Halt machte, würde ich nicht im Stande gewesen sein, das Haus Inglefield's am Morgen so zeitig zu erreichen, wie ich es wünschte. Zwei Andere stimmten mir in diesem Entschlusse bei und wir schickten uns an, zu diesem Hause zurückzukehren, das von seinen Bewohnern verlassen worden war, bis die Gefahr vorüber sein würde, und welches wir zum Versammlungsort gewählt hatten.

In diesem Augenblick näherte ich mich niedergeschlagen und ermüdet dem Absatz, der das Vorgebirge von dem Berge trennte. Ich bemerkte eine am Boden, auf dem Orte wo Sie lagen, ausgestreckte Gestalt. Ein Hausthier würde nicht hierher gewandert sein und sich an diesem Ort ausgestreckt haben, außerdem lag in dem Aussehen des Gegenstandes etwas, was verrieth, daß es ein Mensch sei, aber wenn es ein Mensch war, so mußte es unwiderleglich ein Wilder und ein Feind sein – ich beschloß daher, Sie durch eine Kugel zu wecken.

Mein Entschluß war vielleicht thöricht; ich hätte mir genauere Ueberzeugung verschaffen sollen, ehe ich mir vornahm, Sie zu tödten: dem sei jedoch wie ihm wolle, ein Augenblick des Zauderns von Ihrer Seite würde vermuthlich verhängnißvoll geworden sein. Sie sprangen auf und feuerten. Sehen Sie hier das Loch, welches Ihr Schuß ins Blaue durch meinen Aermel gemacht hat, dies war gewiß ein Tag, der sich durch oftmaliges, genaues Entrinnen vom Tode auszeichnen sollte.

Ihre Handlung schien meine Voraussetzung unwiderleglich zu bestätigen. Alle eilten herbei und verlangten eifrig darnach, einen Feind zu vernichten; keiner zauderte zu glauben, daß vier von den auf Sie gerichteten Schüssen ihr Ziel erreicht haben und daß Sie untergesunken wären, um nie wieder aufzutauchen. Die Flinte, welche abgeschossen und weggeworfen worden war, wurde aufgehoben und untersucht. Sie war meine Begleiterin auf gar manchem mühseligen Gange gewesen – sie hatte mich und meine Freunde vom tausendfachen Tode errettet; um sie zu erkennen, brauchte ich sie nur anzugreifen und zu handhaben; ich erkannte augenblicklich, daß ich die Flinte in der Hand halte, welche ich Ihnen beim Scheiden zurückgelassen, womit sich Ihr Onkel bewaffnet gehabt hatte und welche ihm von einem Wilden entrissen worden war. Was sollte ich hieraus in Bezug auf die Person des letzten Besitzers schließen?

Die Fragen, welche ich Ihretwegen an die Frau richtete, deren Milch und Brod Sie verzehrt hatten, waren ausführlich gewesen; sie sagte, Sie wären mit einer Axt und einer Flinte in der Hand hereingekommen. Während Sie aßen, hätten Sie die Flinte auf den Tisch gelegt; sie saß dabei und das Gewehr wurde ein Gegenstand ihrer aufmerksamsten Betrachtung. Sie beschrieb den Schaft und die Läufe in Ausdrücken, welche mir keinen Zweifel ließen, daß dies die Flinte sei.

Eine Vergleichung der Umstände setzte mich in den Stand, die Art und Weise zu verfolgen, wie Sie in den Besitz dieses Werkzeugs gekommen waren: – Einer von denen, welche Sie in der Höhle trafen, war der Mörder Ihres Onkels; dem Bericht des Mädchens zufolge hatten Sie, als Sie Ihr Versteck verließen, ein herrenloses Gewehr ergriffen und dieses war zufällig das Ihrige gewesen.

Seine beiden Läufe waren vermuthlich die Ursache Ihres Sieges in jenem ungleichen Kampfe bei der Hütte Mab's. Als Sie aus der Betäubung erwachten, fanden Sie es, wo Sie es hatten fallen lassen, ohne daß es von dem später angekommenen Trupp erblickt oder geahnt worden wäre. Waren Sie auf Ihrem Wege nach dem Flusse wieder in feindliche Hände gefallen, oder hatten Sie sich verirrt, dieses Vorgebirge erreicht und einen Trupp Freunde für eine Bande Marodeurs gehalten?

Die eine Voraussetzung war so furchtbar wie die andere; letztere war die wahrscheinlichste. Es ließ sich kein Grund denken, welcher einen der Flüchtlinge veranlaßt haben konnte, hier diese bemerkbare Stellung einzunehmen, während die Straße, welche Sie nach dem Gipfel des Hügels an den Ort führte und das Hinabsteigen nach der Flußstraße möglich machte, nur von denen gefunden werden konnte, die gewöhnt waren, sie zu begehen. Die Auskunft, welche Sie von Ihrer Wirthin verlangt hatten, bewies Ihre frühere Bekanntschaft mit dieser Gegend.

Ich stimmte dieser Ansicht mit schwerem, niedergeschlagenem Herzen bei. Das Schicksal hatte uns in ein Labyrinth geführt, welches nur mit der Vernichtung des Einen oder des Andern endigen konnte. Ich war mit genauer Noth dem Tode von Ihrer Hand entgangen; das nämliche Glück war Ihnen nicht zu Theil geworden. Ich hatte Sie nach meinen mühseligen Forschungen verlassen, verirrt, vor Kälte und Hunger sterbend getroffen – anstatt Sie zu erkennen und, Ihnen Erleichterung zu gewähren, zwang ich Sie, aus der gefährlichen Höhe in den Fluß zu springen, und ich hatte meine Verfolgung nun aufgegeben, nachdem Sie durch mich des Lebens beraubt und in die Tiefe des Flusses gestürzt worden waren.

Die Gründe, aus welchen ich nach Amerika gekommen bin, sind zahlreich und mannigfaltig. Ich komme mit Vermögen und einer besseren Gabe als dieses in der Hand. Ich beabsichtigte, Ihnen Beides – nicht allein ein Auskommen zu geben, sondern auch eine Gabe, die Ihnen dies theuer machen – jeden Genuß durch die Theilnahme an demselben theuer machen würde.

Meine Pläne waren jetzt zu Ende – Sie waren aus dem Bereich meines Wohlwollens und meiner Gerechtigkeit verschwunden – ich hatte Ihre beiden Schwestern eines Freundes und Beschützers beraubt. Es gewährte mir einigen Trost, wenn ich bedachte, daß es in meiner Macht stand, in Bezug auf sie Ihre Stelle einzunehmen – daß ich sie der Armuth, Abhängigkeit und Demüthigung entreißen konnte, welchen sie Ihr Tod und der Ihres Onkels ausgesetzt hatte.

Jetzt war ich des Unternehmens, an welchem ich Theil nahm, doppelt müde und kehrte schleunigst nach diesem Sammelplatze zurück. Meine Gefährten sind fortgezogen, um sich mit dem Zustand der Familie bekannt zu machen, die unter diesem Dache wohnte, und haben es mir überlassen, die zögernden Stunden zu vertreiben, wie es mir beliebt.

Ich habe vergessen, einen Umstand zu erwähnen, der zwischen der Entdeckung Ihrer Flucht und unserm Aufbruch nach Chetasco stattgefunden hat. Nachdem wir zu einer wahrscheinlichen Vermuthung im Bezug auf denjenigen gekommen waren, der das lange Zimmer durchwandert hatte, lag die Folge auf der Hand, daß derjenige, welcher Ihre Manuscripte entwendet, und der Nachtwandler eine und dieselbe Person seien. Ebenso ließ sich leicht schließen, daß die Briefe in dem Cedernholzkasten oder an irgend einem andern Orte des Zimmers verborgen sein mußten. Aehnliche Vorfälle haben sich schon früher ereignet – es sind von Menschen angstvolle Momente im Suchen nach dem verbracht worden, was Sie in einer Laune des Nachtwandelns mit eignen Händen verborgen hatten.

Wir stellten sofort eine Nachforschung an und Ihre Briefe wurden sorgfältig zwischen den Sparren und Schindeln des Daches versteckt an einem Orte gefunden, wo sie, wenn nicht vorher ein Verdacht erregt worden wäre, geblieben sein würden, bis der Frühlingsregen und die Sommerhitze sie allmählig zerstört hätten. Ich nahm dieses Packet mit, da ich den Werth kannte, welchen Sie darauf legten und es keinen so sicheren Aufbewahrungsort gab, wie Ihren Secretair, der verschlossen war.

Nachdem ich, wie gesagt, dieses Haus erreicht hatte und allein gelassen worden war, erinnerte ich mich des Schatzes, den ich besaß. Ich wußte nichts von den Gründen, aus welchen diese Papiere so kostbar waren; vielleicht standen sie in einer mächtigen, innigen Verbindung mit Ihrer eignen Geschichte – in diesem Falle konnten sie für mich nicht von geringem Werthe sein und dieser Augenblick der Muße und des Bedauerns war mehr geeignet zu ihrer Durchsicht wie jeder andere. Ich holte sie daher herbei und legte sie in diesem Zimmer auf den Tisch.

Das Uebrige ist Ihnen bekannt. Sie kamen während meiner kurzen Abwesenheit herein. Gewiß hat noch nie ein Zusammentreffen alter Freunde auf so unerwartete, plötzliche Weise stattgefunden. Sie waren todt – ich trauerte um Sie, als um Jemanden, den ich geliebt und den das Schicksal meinen Augen auf immer entrissen hatte. Jetzt waren Sie in einer seligen Stunde wieder auferstanden, und mein Glück, indem ich Sie so umarme, ist zehnfach größer wie es gewesen sein würde, wenn nicht Zweifel und Gefahren unser Zusammentreffen verzögert hätten.«


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