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Viertes Kapitel.


»Sie fordern ein Geständniß meiner Verbrechen von mir. – Wie merkwürdig ist mein Schicksal! Ein menschliches Wesen stellt unter den jetzigen Umständen diese Forderung, und ich werde durch eine unwiderstehliche Macht angetrieben, ihr nach zu kommen! – Hier soll also mein fortwährendes Unglück enden! – Hier fordert mich mein Schicksal auf, mich nieder zu legen und in einer so weit von dem Schauplatze meiner Verbrechen entfernten Gegend zu sterben – in einer so großen Ferne von allen, was ihre Folgen gesehen und ertragen hat!«

»Sie halten mich für einen Mörder – Sie fordern mich auf, die Gründe darzulegen, welche mich veranlaßt hätten, den Unschuldigen zu verderben. So lange Sie dies glauben und dies erwarten, dürfen Sie meines Gehorsames gewiß sein. – Ich könnte jeder andern Forderung wie dieser widerstehen.«

»Zu welchem Zwecke bin ich hierher gekommen? Um meine Geschichte zu erzählen? Soll ich ruhig hier sitzen und die Ereignisse meines Lebens wiederholen, wird meine Kraft dieser Aufgabe gewachsen sein? Gestatten sie, daß ich mir die Beweggründe wieder in das Gedächtniß zurückrufe, welche mich leiteten, als ich diesen Entschluß faßte – vielleicht wird durch sie ein Drang geweckt werden, den ich sonst nicht erwarten darf, um ihretwillen verstehe ich mich dazu, das Gespenst der Vergangenheit, wieder herauf zu beschwören und eine Erzählung zu beginnen, deren Vollendung ich bei einer Kraft, wie die meine jetzt ist, nicht mit Sicherheit erwarten darf.«

»Sie kennen den Mann, der vor Ihnen steht. Die Folgerungen, welche Sie in Bezug auf meine Absichten und mein Benehmen gezogen haben, sind ein Gewebe von verderblichen Irrthümern – Sie sind, wie Andere, gegen die gewichtigsten Folgen Ihrer eigenen Handlungen blind – Sie sprechen davon, daß Sie Trost bringen wollen – Sie rühmen sich Ihrer guten Absichten – Sie fassen den Entschluß, mir eine Wohlthat zu erweisen. – Was sind die Folgen Ihres eingeleiteten Eifers und Ihrer blinden Bemühungen? Sie haben mein Leben zu einem jammervollen Ende gebracht, Sie haben die letzte Scene desselben in Blut gehüllt, Sie haben das Siegel auf mein Verderben gedrückt.«

»Ich habe größeren Jammer erduldet, wie er jemals das Loos eines Sterblichen gewesen ist, aber es fängt erst an: so vieles Rauhe sich auf meinen gegenwärtigen Pfade auch befindet, so ist er doch besser, wie derjenige, welchen ich betreten muß, wenn ich diesen verlasse. Wenn meine Pilgerschaft länger gewesen wäre, so würde ich vielleicht in einer späteren Zeit Hoffnung gefunden haben; in Folge Ihrer Einmischung bleibt sie mir auf immer versagt: mein Dasein ist von jetzt an unabänderlich – das Elend, welches mir beschieden ist, gestattet eben so wenig eine Erleichterung, wie eine Unterbrechung.«

»Ich bin nicht hierher gekommen, um Ihnen Vorwürfe zu machen – ich bin nicht gekommen um Andere anzuklagen, sondern mich selbst. Ich kenne die Vergeltung für Verbrechen, wie die meinigen; sie ist gerecht. Ich schaudre vielleicht beim Anblick meiner Strafe und bebe beim Erdulden derselben, aber ich werde einen Theil meiner Qual meinem Verstande zuzuschreiben haben, der mir lehrt, daß meine Strafe gerecht ist. Warum sollte ich mein Schicksal hinausschieben und meine Last zu erleichtern suchen? Es ist nicht mehr wie recht und billig, daß sie mich zerschmettert. Eine Verzögerung ist unmöglich und ich fühle den Schlag bereits – ich trinke schon jetzt den Becher der Vergeltung – eine Veränderung des Daseins kann meine Leiden nicht mildern, bis dahin, wo das Bewußtsein selbst erloschen ist, wird der nagende Wurm niemals sterben.«

»Wie gern möchte ich von dieser Aufgabe verschont bleiben – wie freudig würde ich die Handlungen meines Lebens in Vergessenheit begraben, aber nein – mein Schicksal ist unwiderruflich; der Dämon, welcher mich von Anfang an getrieben hat, besitzt noch seine wilde Macht; ich bin in seinen Banden gefangen, und jeder Versuch zum Entschlüpfen, den ich mache, stürzte mich nur noch tiefer in das Verderben. Ich brauche nichts zu verhehlen, denn alle Folgen der Enthüllung machen sich schon bemerkbar. Ich kann eine grundlose Beschuldigung nicht antragen, obgleich ich, um mich von derselben zu befreien, noch furchtbare Beschuldigungen heraufbeschwören und bestätigen muß. Meine Geschichte kann wenigstens kurz sein. Wenn die Qual der Erinnerung aufs Neue geweckt werden muß, so lassen Sie mich Alles, was an mir liegt, thun, um sie abzukürzen.«

»Ich bin in der Grafschaft Armagh geboren. Meine Eltern gehörten der besten Classe von Bauern an, und waren im Stande, mir die ersten Kenntnisse mittheilen zu lassen. Ich würde unzweifelhaft in ihre Fußtapfen getreten sein und mein Leben mit Bebauung ihrer wenigen Acker verbracht haben, wenn sich nicht ein Ereigniß zugetragen hätte, das ich lange Zeit für das glücklichste meines Lebens hielt, das ich aber jetzt für die List eines Sendboten der Hölle und für die erste Ursache aller meiner Leiden halte.«

»Das Pachtgut meines Vaters bildete einen Theil der Besitzung eines Mannes, der größtentheils in der Hauptstadt lebte und die Verwaltung seiner Güter seinem Bevollmächtigten und seinen Untergebenen überließ. Dieser Mann heirathete eine Dame, welche ihm einen großen Zuwachs an Vermögen mitbrachte. Ihr Reichthum war ihre einzige Empfehlung in den Augen ihres Gatten, dessen Verstand die Vorurtheile der Ueppigkeit und des Ranges verderbt hatten, war aber in der Schätzung verständiger Wesen ihr geringster Reiz.«

»Sie lebten einige Jahre zusammen. Wenn ihre Vereinigung für die Dame nicht eine Quelle des Elends war, so verdankte sie ihre Ruhe der Stärke ihres Geistes. Sie wurde in der That bei jeder Handlung ihres Lebens in den Vorschriften der Pflicht geleitet, während ihr Gatte nur der Aufforderung der schändlichsten Ausschweifung Gehör schenkte, er war in alle Laster versunken, welche aus dem Reichthum und einer falsch geleiteten Erziehung hervorgehen. Zum Glück für seine Gattin war seine Laufbahn nur kurz. Er gerieth über die Untreue seiner Maitresse, deren Liebe er durch Verschwendung von zwei Dritteln seines Vermögens zu erkaufen gesucht hatte, in Wuth; er forderte den Geliebten, durch welchen er verdrängt worden war, heraus, es fand ein hartnäckiger Kampf statt, der mit dem Tode des Herausforderers endigte.«

»Dieses Ereigniß befreite die Dame von vielen lästigen und demüthigen Verpflichtungen. Sie beschloß von ihrer wieder erlangten Unabhängigkeit Nutzen zu ziehen – von jetzt an ihren Begriffen von Recht nachzuleben, den Ueberrest ihres Vermögens durch Sparsamkeit zu bewahren und zu vergrößern und es zu Verbreitung der Güter zu verwenden. Ihre Pläne machten es nothwendig, daß sie ihre Besitzungen in den entfernten Gegenden besuchte.«

»Während ihres Aufenthaltes in dem Schlosse, dessen Vasall mein Vater war, besuchte sie seine Hütte. Ich war damals ein Kind; meine Lebhaftigkeit und Gewandtheit gefiel ihr, und sie beschloß, mich unter ihren persönlichen Schutz zu nehmen. Meine Eltern willigten freudig in den Vorschlag und ich reiste mit ihr nach der Hauptstadt.«

»Sie besaß einen einzigen Sohn von meinem Alter. Ihre Absicht in Bezug auf mich war die, daß ich mit ihrem Kinde erzogen werden sollte, und daß auf diese Art in mir eine Liebe zu meinem jungen Gebieter geweckt werden könnte, welche mich, wenn wir das Mannesalter erreichten, zu einem seiner treuesten und ergebensten Untergebenen machen würde. Ich erfreuete mich aller Vortheile der Erziehung in demselben Grade wie er; es gab gewisse Stufen der Bildung, die mir verschlossen blieben, weil man sie für ungeeignet zu meinen Rang und Stand hielt. Ich durfte Andere erreichen, welche sie, wenn sie von dem wahren Verständniß geleitet worden wäre, vielleicht weit unvereinbarer mit einer untergeordneten Stellung gefunden haben würde. Es stand zu erwarten, daß ich in demselben Grade wie mein Ideenkreis durch die Geschichte und Wissenschaft verfeinert und ausgedehnt würde, einen Durst nach Unabhängigkeit und einen Widerwillen gegen Unterordnung und Armuth erlangen werde.«

»Als die Knaben- und Jünglingsjahre vorüber waren, hielt sie es für angemessen, ihren Sohn nach dem Continent zu schicken, um durch den Aufenthalt auf denselben sein Wissen zu erhöhen, und seine Sitten abzuschleifen. Dieser junge Mann war mit herrlichen Talenten begabt; seine Fehler entsprangen aus seiner Stellung; alle Mittel, welche mütterliche Sorgsamkeit und Klugheit ersinnen konnten, wurden in Anwendung gebracht um ihn zu einem nützlichen Staatsbürger zu machen. Vielleicht legten für diese Weisheit die großen Vorzüge, welche er wirklich besaß, Zeugniß ab, und daß sein Charakter nicht unbefleckt war, bewies nur, daß keine Anstrengungen ihn vor den Lastern bewahren konnten, die mit Rang und Reichthum verknüpft sind, und aus dem Schauspiel allgemeiner Entartung hervorgehen.«

»Was mich anbetrifft, so würde es Thorheit sein, zu leugnen, daß ich aus den mir gebotenen Gelegenheiten mir Bildung anzueignen, keinen Nutzen gezogen hätte. Ich erfüllte die Erwartungen meiner Gebieterin in einer Hinsicht. Ich war tief von Liebe zu ihrem Sohne und Ehrfurcht gegen sie durchdrungen. Vielleicht zeigte sich die Macht der Erziehung in diesem Umstande, ohne daß sie den Leitern derselben größere Ehre machte; das, was sie als Vorzüge betrachteten, verdiente vielleicht den Namen von Fehlern; meine unerfreulichen Eigenschaften wurden wie die meines Herren meinen Verhältnissen zugeschrieben, obgleich der Unterschied vielleicht zu meinen Gunsten war, da die Laster der Dienstbarkeit weniger hassenswerth, wie die der Tyrannei sind.«

»Es wurde beschlossen, daß ich meinen Herrn als Lieblingsdiener auf seine Reise begleiten solle. Meine Grundsätze waren gleichviel, was ihre Richtigkeit sein mochte, harmonisch und fügsam; ich hatte mein Leben dem Dienste meines Gönners geweiht – ich hatte einen Begriff von dem erlangt, was seinen Interessen wirklich nützlich war, und konnte durch den trügerischen Schein nicht irre geleitet werden. Wenn meine Liebe auch meinen Fleiß nicht angespornt hätte, so würde ich doch in dem Verhalten seiner Mutter genügende Gründe gefunden haben; sie ließ sich herab, ihr Vertrauen auf meine Rechtlichkeit und meinen Verstand auszusprechen, sie schämte sich nicht, beim Scheiden die Zärtlichkeit einer Mutter zu zeigen, und einzugestehen, daß ihre Thränen nicht alle für ihren Sohn vergossen wurden. Ich hatte an der Trauer, welche sie hervorrief, Antheil.«

»Während unserer Abwesenheit war ich der beständige Begleiter meines Herrn. Ich correspondirte mit seiner Mutter, und machte das Verhalten ihres Sohnes zum Hauptthema meiner Briefe. Ich hielt es eben so für mein Recht, wie für meine Pflicht, Richter über seine Handlungen zu sein, meine Meinungen ohne Rücksicht auf eigennützige Gedanken zu bilden, und sie auszusprechen, sobald dies von Nutzen war. Ich gestattete ihm, jeden Brief, welchen ich schrieb, und besonders diejenigen, in welchem sein Benehmen offen besprochen wurde, durchzulesen. Ich verstand mich unter keiner Bedingung dazu, eine Unregelmäßigkeit zu begünstigen, oder daran Theil zu nehmen, und übte weiter keine Aufsicht aus, wie diejenige, welche aus der Vermeidung jeder Täuschung und den offenen Ausdruck meiner Meinungen hervorging. Der Jüngling besaß einen edlen Geist, aber seine Festigkeit wankte – er gab sich Versuchungen hin, welche ein anderer Censor vielleicht für verzeihlich oder sogar lobenswerth gehalten haben würde. Meine Pflicht forderte von mir, daß ich ihm die Folgen seiner Handlungen vorstellte, und seiner Mutter rechtzeitig und unparteiisch Nachricht davon gab.«

»Er konnte keinen Mahner vertragen – jemehr es des Tadels bedurfte, desto unerträglicher wurde er ihn. Meine Gesellschaft wurde ihm jeden Tag unangenehmer, bis endlich die Nothwendigkeit einer Trennung vorzuliegen schien. Wir schieden – aber nicht als Freunde – ich verlor seine Achtung nie; er erwies sich in den Mittheilungen an seine Mutter als gerecht gegen meinen Charakter und meinen Dienstleistungen, man ließ mein Abgehen meinem Glücke nicht schaden und seine Mutter sah diesen Vorfall nur als einen neuen Beweis der unerschütterlichen Festigkeit meiner Grundsätze an.«

»Sie schlug mir bei dieser Veränderung in meiner Stellung vor, ein Mitglied ihrer eigenen Familie zu werden. Kein anderer Antrag hätte mir so willkommen sein können. Ich kannte den Charakter dieser Dame vollkommen, und hatte nichts wie Ungerechtigkeit und Launenhaftigkeit zu fürchten. Ich betrachtete sie nicht mit kindlicher Vertraulichkeit, aber meine Achtung und Ehrerbietung würde diesem Verhältniß Ehre gemacht haben. Ich versah bei ihr den Dienst eines Haushofmeisters; ihre Besitzungen in der Stadt wurden unter meine Leitung gestellt; sie setzte das unbedingteste Vertrauen in meinen Verstand und meine Rechtlichkeit, und überließ mir die Bezahlung und bis zu einem gewissen Grade die Auswahl und Leitung ihrer Dienerschaft. Meine Stellung war die eines Dieners, aber die Mehrzahl der Uebel der Dienstbarkeit blieb mir unbekannt, und meine persönliche Bequemlichkeit und Unabhängigkeit erlitten weniger Einschränkungen wie die derjenigen, welche für die freiesten Mitglieder der Gesellschaft galten. Durch das Einnehmen und Ausgeben des Geldes erhielt ich eine gewisse Autorität und Würde – die Pächter und Schuldner der Dame waren in gewisser Hinsicht die meinigen, denn ihre Behandlung hing zum großen Theile von meiner Nachsicht und Gerechtigkeit ab. Der Haushalt der Dame war groß und reich eingerichtet, ihre Dienerschaft war die meine und mir untergeordnet. Ich hatte viele freie Zeit, und mein Gehalt war bedeutend genug, daß es mir jede werthvolle Möglichkeit zur Ausbildung oder für das Vergnügen ermöglichte.«

»Dies waren Gründe, aus denen ich mit meinem Schicksal zufrieden sein konnte, und diese Umstände allein würden es wünschenswerther, wie jedes Andere gemacht haben, aber es besaß noch weitere und viel größere Vorzüge, welche aus den Charakter der Mrs. Lorimer und aus der Stellung hervorgingen, welche sie mir gegen sie einzunehmen gestattete.«

»Wie soll ich auf dieses Thema eingehen? Wie soll ich mich über Vorzüge aussprechen, die ich in ihrem wahren Lichte sehen, mit unermeßlicher und unerlöschlicher Gluth anbeten durfte, und zu deren Vernichtung mich doch mein unglückseliges Schicksal führte? Aber ich verlange keine Schonung; ich werde in der Erzählung neue Veranlassung zum Schmerz finden, ich verdiene das höchste Elend und will mir das volle Maaß dieser bitteren Vergeltung nicht entziehen.«

»Niemand war besser geeignet, über ihre Vorzüge zu urtheilen, wie ich. Ein flüchtiger Beobachter würde vielleicht ihre Schönheit und die Würde ihres Benehmens bewundert haben, und konnte aus der Betrachtung derselben Veranlassung nehmen, sie zu lieben, oder zu achten. Das Alter hatte ihren Teint durchaus nicht gebleicht, oder die Zartheit ihrer Haut vermindert. Aber kein Alter konnte ihr die Lieblichkeit und den Verstand rauben, die ihre Züge belebten. Ihre angeborene Wohlthätigkeit sprach sich in jedem ihrer Blicke aus. Sie suchte stets die Gelegenheit, Gutes zu thun, sie dachte fortwährend an Scenen des Glückes, dessen Schöpferin sie war, oder des Kummers, dem sie Erleichterung bereiten wollte, die starrste Unempfindlichkeit wurde eine Zeit lang überwältigt und der Verderbteste von Reizen hingerissen, für welche er bei einer andern Person unempfindlich geblieben sein würde.«

»Ein zufälliger Besucher erfreute sich vielleicht an ihrer Unterhaltung, schenkte der Richtigkeit ihrer Ansichten, der Fülle ihrer Beredtsamkeit und ihrer Gewandtheit in Allen Erfordernissen der Artigkeit seinen Beifall, aber nur derjenige, welcher fortwährend unter ihrem Dache lebte, konnte die unerschütterliche Consequenz ihrer Handlungen und Ansichten, ihre unendliche Herzlichkeit, Heiterkeit und Wohlthätigkeit erkennen, nur Jemand, der ihr Benehmen zu jeder Stunde, in Krankheit und Wohlsein ihrer Verwaltung jenes wichtigen Werkzeuges des Guten und Bösen, – des Geldes – ihrer Behandlung ihres Sohnes, ihrer Dienerschaft und ihrer Verwandten, war im Stande, ihre Verdienste richtig zu würdigen.«

»Unser Verkehr war lebhaft, aber eigenthümlicher Art. Mein Amt in ihrer Familie veranlaßte mich oft, sie zu sehen, ihr Pläne zur Prüfung vorzulegen und ihre Anweisungen in Empfang zu nehmen. Bei solchen Gelegenheiten behandelte sie mich auf eine Weise, die in einem gewissen Grade dem Unterschiede des Ranges und niedrer untergeordneten Stellung angepaßt, und doch weit verschieden von derjenigen war, welche andere unter solchen Umständen angenommen haben würden – die Behandlung war nicht die einer Gleichgestellten und einer Freundin, aber noch viel weiter von der einer Gebieterin entfernt. Sie zeichnete sich nur durch Leutseligkeit und Herablassung aus, aber als solche kannte sie keine Grenzen.«

»Sie fand kein Bedenken darin, mich bei jeder Geldangelegenheit um Rath zu fragen, meine Gründe anzuhören und nach dem zu entscheiden, was sich in Folge genügender Besprechung und Berathung als recht zeigte. Wenn die erste Veranlassung unseres Gesprächs beseitigt war, so entfernte ich mich natürlicherweise noch nicht – es stand allerdings in ihrem Belieben, mich zurückzubehalten, oder zu entlassen, aber wenn keine Abhaltung hindernd dazwischen trat, so pflegte sie in ein allgemeines Gespräch überzugehen. Es gab keine die mit größerer Sicherheit für sich selbst die Welt hätte zum Vertrauten nehmen können, aber der gesellschaftliche Zustand in welchem sie lebte, setzte ihrer Offenheit gewisse Grenzen. Bei ihrem Verkehr mit mir herrschte geringerer Zwang wie bei anderen Gelegenheiten; meine Stellung hatte mich genauer mit häuslichen Dingen, ihren Ansichten in Bezug auf ihren Sohn, und mit dem Fuß vertraut gemacht, auf welchem sie mit denen stehen wollte, denen alte Bekanntschaft oder Verwandtschaft ein Recht auf ihre Freundlichkeit gaben. Außer diesen Gründen zu einer ungenirten Behandlung meiner gab es noch andere, die ihre Wirksamkeit, ihrer mütterlichen Zuneigung für mich, und dem arglosen, ungekünstelten Edelmuth ihres Charakters verdankten.«

»Ihre Stunden waren mit der größten Regelmäßigkeit eingetheilt, und dem besten Zwecke gewidmet. Sie wählte ihre Gesellschaft ohne Rücksicht auf andere Eigenschaften, wie Rechtschaffenheit und Talent – ihre Gäste waren zahlreich und ihre Abendunterhaltungen wurden durch Alles verschönert, was die Sinne erfreuen, oder den Verstand bilden konnte. Dies war ein gewähltes Feld für die Darlegung ihrer Prachtliebe, aber in ihren Luxus mischte sich keine Prahlerei, und in ihren Ernst kein Stolz.«

»Von diesen schloß mich meine Stellung aus, aber in der Zwischenzeit fand ich in der Freiheit unseres Verkehrs Ersatz. Sie fand ein Vergnügen daran, mir die Vorfälle zu erzählen, welche sich bei dieser Gelegenheit zutrugen, die Gespräche zu wiederholen und Charaktere zu schildern. Außer werthvoller und merkwürdiger Belehrung lag in ihrer Darstellung ein ungewöhnlicher Antheil dramatischer Größe.«

»Dieses Verhalten brachte fortwährend nur eine Wirkung hervor; ich hielt es alle Tage für unmöglich, daß meine Anhänglichkeit einen neuen Zuwachs erhalten könnte, aber der folgende brachte gewiß ein neues Gefühl der Achtung oder der Dankbarkeit mit, und stellte die unvergleichlichen Vorzüge dieser Dame in ein neues und günstigeres Licht. Ich dachte an keine Veränderung in meiner Lage. Die Nothwendigkeit eines Wechsels würde, die Folge hätte sein mögen, welche sie wollte, Veranlassung zu bitterem Schmerze geworden sein. Ich würde mein Leben für ein geringfügiges Opfer in ihrem Dienste gehalten haben und keine Zeit hätte genügt, die Schuld der Dankbarkeit abzutragen, welche ich gegen sie hatte, und doch wuchs sie fortwährend an. Wenn jemals ein peinlicher Gedanke in meiner Brust erwachte, so entsprang er aus dieser Quelle.«

»Es war keine schwere Aufgabe, die mir angewiesenen Funktionen zu erfüllen. Aus dieser Quelle konnte mir kein Verdienst erwachsen – ich war keiner Versuchung ausgesetzt – ich hatte die Fieberzeit der Jugend hinter mir, und meine Grundsätze waren durch kein verderbliches Beispiel befleckt worden; ich hatte den Lockungen der Sinnlichkeit und Ausschweifung, die meinem Alter eigen sind, Widerstand geleistet. Ich lebte in Glanz und Pracht. Ich hatte ein hinlängliches Vermögen gesammelt, daß es mir im Fall eines unvorhergesehenen Ereignisses ein Auskommen sicherte. Meine geistigen Fähigkeiten waren nicht gering zu schätzen, und die äußerlichen Mittel geistiger Befriedigung unbegrenzt. Ich erfreute mich eines unbefleckten Rufes, mein Charakter war in den Kreisen, welchen meine Gebieterin angehörte, nicht allein durch ihre günstige Darstellung, sondern auch durch zahllose Gelegenheiten, Andern persönliche Dienste zu leisten, wohlbekannt.«


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