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Neuntes Kapitel.


Noch nie war ein Genuß des Vergleichs mit dem Entzücken würdig gewesen, welches ich jetzt empfand. Das schnell erschlaffende Leben schien mit erneuter Kraft zurückzukehren; meine Mattigkeit, meine peinigende Hitze verschwanden sogleich und ich fühlte mich bereit, die Arbeit eines Herkules zu übernehmen. Nachdem ich den Anforderungen der Natur in dieser Beziehung Genüge geleistet hatte, kehrte ich zum Nachdenken über die nähern Umstände meiner Lage zurück. Der Weg, welcher sich um den Berg schlängelt, war jetzt frei von jedem Hinderniß, was blieb mir noch weiter zu thun übrig, wie meine Flucht zu beschleunigen? Ich konnte mich schnell aus dem Bereich jeder Gefahr setzen, ein gastfreundliches Obdach erreichen, wo es möglich war, mich von meiner Ermattung zu erholen und meine Wunden heilen zu lassen, und eben so konnte ich meinen Beschützern rechtzeitige Nachricht von den Feinden geben, die ihre Vernichtung beabsichtigten.

Ich sann über der Zustand des unglücklichen Mädchens nach, welches ich in der Gewalt der Wilden zurückgelassen hatte. War es möglich, sie zu retten? Konnte ich sie nicht von ihren Fesseln befreien, und zur Gefährtin meiner Flucht machen? Das Unternehmen war gefährlich, aber doch nicht unausführbar. Es lag etwas Feiges und Schändliches darin, wenn ich mich von der Gefahr entfernte und ein hilfloses Mädchen derselben ausgesetzt ließ; vielleicht genügte eine einzige Minute, um sie dem Tode oder der Gefangenschaft zu entreißen. Vielleicht verdienten die Eltern, daß ich mein Leben für ihr Kind wagte oder sogar opferte.

Nach einigem Zaudern beschloß ich nach der Höhle zurückzukehren und die Rettung des Mädchens zu versuchen. Das Gelingen dieses Planes hing von der Fortdauer ihres Schlafes ab. Ich mußte mich vorsichtig nähern und auf das geringste Zeichen achten, welches ihren Zustand verrathen konnte. Ich kroch auf dem Wege vorwärts und strengte die Ohren an, um jeden Laut zu erhaschen, der sich hörbar machen würde, ich vernahm nichts, wie das halberstickte Schluchzen des Mädchens.

Ich trat langsam und mit der höchsten Vorsicht ein und fand Alles in seinem früheren Zustande. Das Mädchen bemerkte mein Eintreten mit einem Gemisch von Entsetzen und Freude; meine Geberden und Blicke ermahnten es zum Schweigen. Ich bückte mich nieder, nahm eine zweite Axt und zerschnitt die Riemen von Hirschhaut, mit welchen ihre Arme und Beine gebunden waren, dann gab ich ihr ein Zeichen, aufzustehen und mir zu folgen.

Sie kam bereitwillig meinen Anweisungen nach, aber ihre betäubten Glieder und zerschnittenen Muskeln versagten ihr den Dienst. Es war keine Zeit zu verlieren, ich nahm sie daher auf die Arme und ging, so schwach und hinfällig ich auch war, mit dieser Last auf dem außerordentlich rauhen Wege an dem gefährlichen Abgrund entlang.

Ich hoffte, daß eine geringe Anstrengung sie in den Stand setzen werde, den Gebrauch ihrer Glieder wieder zu erlangen; ich stellte sie daher auf die Füße, redete ihr zu, zu gehen, so gut sie konnte, und versprach ihr meinen gelegentlichen Beistand. Es fehlte dem armen Mädchen nicht an Eifer, und sie eilte bald mit leichten, schnellen Schritten vorwärts. Wir erreichten in kurzer Zeit den Fuß des Berges.

Keine Phantasie kann ein wilderes, öderes Schauspiel heraufbeschwören wie das, welches sich uns jetzt darbot. Der Boden war fast ganz mit scharfen Steintrümmern bedeckt und zwischen diesen wuchsen Brombeeren und Schlingpflanzen, deren Ranken sich durcheinander flochten, und eine Verbindung mit den Unebenheiten unter ihnen machte das Gehen unendlich schwer. Ueber diesen Raume waren einzelne Cedern mit scharfen Nadeln und Moosguirlanden, und Gruppen von Zwergeichen zerstreut, die mir einen neuen Beweis der Unfruchtbarkeit lieferten.

Ich war mit der Gegend vor mir ganz unbekannt, es zeigte sich keine Spur des Bewohntseins oder der Cultur und keine Andeutung von menschlichen Schritten.

Ich wußte kaum, in welcher Gegend des Erdspalts ich mich befand; ich war auf so unerklärliche Weise hierhergekommen, daß ich eben so sehr im Zweifel schwebte, ob ich durch einen Fluß oder durch den Ocean von meiner natürlichen Wohnung getrennt sei.

Ich fragte meine Begleiterin, aber sie war nicht im Stande, zusammenhängend zu sprechen; sie beantwortete meine Fragen durch Schluchzen, Weinen und Bitten, dem Schauplatz des Jammers zu entfliehen. Ich erfuhr jedoch von ihr endlich, daß das Haus ihres Vaters am Abend vorher angegriffen und die ganze Familie bis auf sie ermordet worden sei; seit diesem Unglück hatte sie schnell und sehr weit gehen müssen, wußte aber nicht, wie weit oder in welcher Richtung.

In einer solchen Wildniß lag meine einzige Hoffnung darin, daß ich auf irgend einen durch das Vieh gemachten Pfad traf. Mittlerweile verfolgte ich immer die gleiche Richtung und bemühte mich, die lästigen Hindernisse zu überwinden, welche uns im Wege lagen. Die Erde wurde durch das Gebüsch verdeckt und eine unaufhörliche Folge von Vertiefungen und Erhöhungen setzte uns ins Verlegenheit und ermüdete uns stark; einmal stürzten wir fast in eine Grube – dann stießen wir wieder mit den Füßen an harte Steine. Die Aeste der Eichen schlugen uns in das Gesicht oder schlangen sich um unsere Beine, und die unsichtbaren Dornen brachten uns tausend Wunden bei.

Unter diesen schwierigen Verhältnissen mußte ich nicht allein mich, sondern auch meine Begleiterin aufrecht erhalten. Ihre Kraft war durch den nächtlichen Marsch übermäßig angestrengt worden, und die Furcht, daß wir eingeholt werden konnten, peinigte sie fortwährend.

Wir trafen zuweilen auf Pfade, welche uns das Gehen erleichterten und uns Muth zum Vordringen einflößten. Diese hörten an einem Bache oder in einem Sumpfe auf, und wir sahen uns wieder genöthigt, auf's Geradewohl vorzudringen.

Einer von diesen Pfaden wurde allmählig betretener und ließ endlich die Spuren von Rädern sehen. Auf diesem blieb ich, da ich hoffte, daß er uns endlich nach einer Wohnung führen werde. Das Unterholz von Sträuchern und Gebüsch nahm zu beiden Seiten seinen Fortgang wie vorher; zuweilen zeigten sich kleine Stellen, die vor Kurzem durch das Feuer gelichtet worden waren. Endlich zeigte sich ein leerer Raum von größerem Umfange wie die, auf welche wir bisher getroffen waren, meinen Augen: es war ein Feld von einigen Ackern, welches augenscheinlich eine Bearbeitung mit der Hacke erfahren hatte. Am Rande dieses Feldes stand ein Häuschen.

Bei diesem Anblick klopfte mein Herz voll Entzücken; ich eilte mit der Hoffnung, daß sich meine Ungewißheit, meine Mühseligkeiten und Gefahren jetzt ihrem Ende näherten, darauf zu. Diese Wohnung paßte zu der Armseligkeit und Verödung, welche sie umgaben: sie bestand aus einigen unbehauenen Stämmen, die neun bis zehn Fuß hoch über einander gelegt waren, einen viereckigen Raum von gleichem Umfange einschlossen und ein Strohdach hatten. Es fand sich kein Fenster vor, da die Spalten zwischen den Stämmen genügendes Licht einließen; letztere waren früher leicht mit Lehm beworfen gewesen, aber die Luft und der Regen hatte den größten Theil dieses rohen Bewurfes aufgelöst und weggespült. In der einen Ecke zeigte sich etwas wie eine aus halbgebrannten Ziegeln gebildete Esse, Die Thür war mit einem an einen Pflock befestigten Lederriemen geschlossen. Darin war Alles still und dunkel. Ich klopfte an die Thür und rief, aber Niemand rührte sich oder antwortete – der Bewohner war abwesend. Seine Erlaubniß war nicht zu erlangen und ich trat daher ohne dieselbe ein. Der Herbst war schon etwas vorgerückt und die Luft frostig und scharf; mein Geist und meine Muskeln hatten in der letzten Zeit so große Anstrengung machen müssen, daß ich die Kälte nicht fühlte. Das Aufhören der Beschwerden rief jedoch meine Empfindlichkeit in dieser Beziehung schnell wieder zurück. Aber das unglückliche Mädchen klagte, daß es halb erfroren sei.

Das Feuer war daher das erste, was ich suchte.

Auf dem Herde fanden sich glücklicherweise einige glühende Kohlen nebst Kartoffelkrant und Spänen, und ich zündete mit dessen Hülfe ein Feuer an, das unsern bebenden Gliedern einige Wärme mittheilte. Der Schein desselben setzte mich in den Stand, während ich an der Erde saß, das Innere dieser Wohnung zu überblicken.

Die von den Aesten befreiten und an den Enden durch Weidenruthen zusammengebundenen Stämme bildeten eine Art Bettstelle, die sich auf einem Steine über dem Boden erhob; über diese zogen sich Stücke hin, auf welchen eine Decke lag, und dies bildete das Bett. Ein Bret, dessen eines Ende auf der Bettstelle ruhte, während das andere zwischen die, die Wand bildenden Stämme geschoben war, trug die harten Ueberreste eines Roggenbrotes; ein Eimer von Cedernholz, der durch Weidenruthen anstatt der Reisen zusammengehalten wurde und ein wenig Wasser von Abfällen von dem Dache der ertrunkenen Einsiedelei enthielt, ein Paar zierlich geflochtene Körbe und eine Hacke, durch welche anstatt des Griffes ein Pflock geschoben war, bildeten das ganze sichtbare Geräthe.

Nach der Beseitigung der Kälte war der Hunger jetzt das heftigste Bedürfniß, durch welches wir bedrängt wurden. Der Augenblick war nicht dazu geeignet, Bedenklichkeiten Gehör zu schenken, und wir theilten daher ohne Weiteres das Brot und Wasser unter uns. Jetzt hatte ich Zeit, der Zukunft einige Berücksichtigung zu widmen.

Diese Ueberbleibsel von Wasser und Brot überzeugten mich, daß diese Hütte für gewöhnlich bewohnt sei und daß sie vor kurzem verlassen worden war. Irgend eine Beschäftigung hatte vermuthlich den Bewohner hinweggerufen. Seine Abwesenheit konnte in wenigen Augenblicken aufhören oder auch die ganze Nacht dauern. Ich zweifelte nicht daran, daß ich bei seiner Rückkehr im Stande sein würde, die Entrüstung zu beschwichtigen, welche er vielleicht über die Freiheit empfand, welche ich mir genommen hatte. Ich war geneigt, zu glauben, daß es ein Mann sei, der uns leicht jede Auskunft und Hülfe gewähren konnte, deren wir bedurften.

Ich beabsichtigte meinen Weg weiter zu verfolgen, wenn er bis zum Sonnenaufgang nicht zurückgekehrt sein würde. Durch das reichliche Mahl, welches wir gehalten hatten, und ein paar Stunden Ruhe würden wir bedeutend gestärkt und erfrischt sein und der Weg mußte uns nach einer gastfreundlicheren Wohnung führen.

Meine Gefühle waren zu stürmisch und meine Lage zu bedenklich, als daß sie mir gestattet hätten, zu schlafen. Das Mädchen versank jedoch bald in süße Vergessenheit aller ihrer Sorgen. Sie legte sich auf meinen Rath auf das Bett und ließ mich ungestört nachdenken.

Ich war nicht ganz frei von Furcht vor Gefahr. Ich konnte nicht sagen, welchen Einfluß das wilde, einsame Leben, welches der Bewohner dieser Hütte führte, auf denselben gehabt haben werde, ebensowenig vermochte ich zu errathen, wie bald die Indianer erwachen und welchen Weg sie einschlagen würden. Es war keineswegs unmöglich, daß sie meinen Schritten folgten und in Zeit von wenigen Minuten an diese Thür klopften. Es war meine Schuldigkeit, jede mögliche Vorsichtsmaßregel gegen unangenehme Ereignisse zu ergreifen.

Ich hatte mich weder von der Flinte getrennt, deren ich mich in der Höhle zuerst bemächtigte, noch von der Axt, die ich später dazu benutzt hatte, die Fesseln des Mädchens zu zerschneiden; diese waren zu gleicher Zeit meine Trophäen und meine Vertheidigungsmittel; es würde unbesonnen und thöricht gewesen sein, denn jetzt beruhte mein Vertrauen hauptsächlich auf ihnen.

Jetzt untersuchte ich zum ersten Male die Beute, welche ich gemacht hatte. Bis jetzt war ich durch andere Rücksichten verhindert worden, das Gewehr in Augenschein zu nehmen, und ich konnte nicht umhin, zu bemerken, daß es zwei Läufe hatte und leichter und kleiner war wie eine Muskete. Der Schein des Feuers setzte mich jetzt in den Stand, es mit sehr viel Aufmerksamkeit zu betrachten.

Ich hatte kaum die Augen auf den Lauf gerichtet, so bemerkte ich Zeichen, die mir nicht fremd schienen. Die Form, die Verzierungen und die Zahlen waren augenscheinlich die nämlichen wie bei dem Gewehre, welches ich oft in der Hand gehabt hatte. – Die Kennzeichen waren der Art, daß ich mich nicht täuschen konnte. Dieses Gewehr war mein, und als ich das Haus meines Onkels verließ, stand es, wie ich glaube, in dem Schranke in meinem Zimmer.

Du kannst Dir leicht denken, welche Folgerungen ich aus diesem Umstande zog. Mein Haar sträubte sich und meine Zähne klapperten vor Entsetzen – mein ganzer Körper war wie versteinert. Ich ging auf und ab und schritt mit der frisch eingetretenen Wuth eines Wahnsinnigen von dem Herde nach der Thür und von der Thüre nach dem Herde.

Ich brauchte keinen unwiderleglicheren Beweis für das Unglück wie diesen. Mein Onkel und meine Schwestern waren ermordet, die Wohnung geplündert worden, und dies bildete einen Theil des Raubes. Ihre unbarmherzigen Feinde hatten sie im Schlafe und während sie keiner Vertheidigung fähig waren, angegriffen, und ich, der ich ihr Vertheidiger hätte sein sollen, war in unermeßliche Ferne versetzt und durch einen entsetzlichen Zufall verhindert worden, ihnen den Beistand zu leisten, dessen sie bedurften.

Ich schwebte eine Zeit lang in Zweifel, ob ich bei dieser Katastrophe nicht Zeuge und Theilnehmer gewesen sei – ich hatte keine Erinnerung an die Umstände, welche meinem Erwachen in der Höhle vorausgegangen waren. Stand nicht die Veranlassung dazu, daß ich in diesen Abgrund geworfen worden war, in irgend einer Verbindung mit dem Verderben meiner Familie, war ich nicht von den Wilden dorthin geschleppt und durch ihre Bosheit in jenen bewußtlosen, unempfindlichen Zustand versetzt worden? War ich zu einem schlimmern Schicksal geboren, das nie ermüdete, mich zu verfolgen? So hatten meine Eltern und ihr junges Kindchen Untergang gefunden und so ging das Schicksal aller derjenigen in Erfüllung, an denen meine Liebe hing und die das erste Unglück verschont hatte.

Bis jetzt war der Tod des Wilden, den ich mit meiner Axt erlegt hatte, nicht ohne Reue vor meinem Gedächtniß aufgestiegen – nun erlitten meine Gefühle eine vollständige Veränderung: ich fand einige Beruhigung in dem Gedanken, daß so viel von der nothwendigen Rache ausgeführt worden sei. Wenn ich an die Nachsicht dachte, die ich ausgeübt hatte, so viel als in meiner Macht stand, erwachte ein neues, lebhafteres Bedauern in mir; die Bösewichter waren sämmtlich in meiner Gewalt gewesen und ich hatte an ihren ausgestreckten Körpern leicht und sicher blutige Widervergeltung ausüben können.

Jetzt war es zu spät. Welcher Trost oder welche Hoffnung blieb mir noch? Ich dachte mit Abscheu an die Rückkehr nach meiner alten Wohnung, die jetzt mit Blut befleckt oder nichts wie eine dampfende Ruine war – das Leben in Verbindung mit der Erinnerung an mein Unglück war mir zuwider. – Ich dachte nicht mehr an die Flucht – ich konnte es nicht ertragen, an eine andere Veränderung der Scene zu denken wie die, mit welcher jedes Bewußtsein aufhörte.

Bei diesem düstern Brüten stieg plötzlich der Gedanke in mir auf, mit der größten Schnelligkeit nach der Höhle zurückzukehren. Es lag die Möglichkeit vor, daß die Mörder noch schliefen. Derjenige, welcher wachen und zur rechten Zeit das Zeichen zur Fortsetzung ihres Marsches geben sollte, war auf immer verstummt; es erschien nicht unmöglich, daß sie ohne dieses Zeichen bis zur Morgendämmerung schlafen würden, aber wenn sie erwacht waren, so konnte ich sie einholen oder treffen, und wenn ich eine geeignete Stellung einnahm, wenigstens zwei Opfer zum Falle bringen. Der Ausgang würde unzweifelhaft für mich verderblich werden, aber mein eigener Tod war eher ein Gegenstand des Verlangens, wie der Furcht – so zu sterben und nachdem denjenigen, die bereits erschlagen waren, eine Sühne gebracht worden war, erschien süß.

Der Weg nach dem Berge war beschwerlich und lang, aber ich konnte die Felsen von der Thüre der Hütte aus deutlich sehen und ich hoffte, daß mich ein glücklicher Zufall nach der Stelle führen werde, wo meine Beute zu finden war. Ich ergriff die Flinte und den Tomahawk mit gieriger Hast und als ich die erstere untersuchte, fand ich, daß beide Läufe scharf geladen waren.

Dieses Gewehr war von ausgezeichneter Arbeit. Sarsefield hatte es als Vermächtniß von einem in Bengalen verstorbenen englischen Officier erhalten. Es war nicht für die Jagd, sondern für den Krieg gebaut. Der Künstler hatte es zu einer Anhäufung von Rohren und Federn gemacht, die der Vertheidigung und dem Angriff in jeder Hinsicht wirksam dienten – es befand sich eine Dolchklinge daran, welche am Ende befestigt werden und die zerstörenden Zwecke eines Bajonnets erfüllen konnte. Mein Freund hinterließ es mir bei seiner Abreise von Solebury als Zeichen seiner Zuneigung. Ich hatte es bisher dazu benutzt, nach dem Ziele zu schießen, um meine Sicherheit zu erhöhen – jetzt sollte ich auf andere Weise daraus Nutzen ziehen.

So bewaffnet, schickte ich mich an, meinen abenteuerlichen Gang zu beginnen. Vielleicht würden auf dem jetzigen Sturme meiner Leidenschaften bald nüchterne Ansichten gefolgt sein; ich hätte allmählig die romantische und verbrecherische Schönheit meines Planes, das Thörichte der Rache und die Pflicht, mein Leben zum Besten der Menschheit zu bewahren, eingesehen, an der Richtigkeit meiner Folgerungen gezweifelt und einigen Bedenken über das Unglück, von dem ich glaubte, daß es meinem Onkel und meinen Schwestern zugestoßen sei, Raum gegeben, mich wenigstens dazu verstanden, mich mit eigenen Augen von ihrem Zustande zu überzeugen und zu diesem Zwecke in die Hütte zurückkehren und geduldig warten können, bis mir das Morgenlicht gestatten würde, meinen Weg zu verfolgen.

Dieses Vorhaben wurde durch einen neuen Vorfall verhindert. Ehe ich die Thür öffnete, sah ich durch eine Spalte der Mauer und erblickte drei menschliche Gestalten am andern Ende des Feldes. Sie näherten sich dem Hause. Obgleich ich sie nur undeutlich sah, überzeugte mich doch etwas in ihrer Haltung, daß es die Indianer seien, welche ich vor kurzer Zeit verlassen hatte. Ich wurde überrascht, aber nicht entmuthigt, mein Rachedurst war noch immer mächtig und ich glaubte, daß der Augenblick seiner Befriedigung herbeieile. Sie würden nach kurzer Zeit ankommen und in das Haus treten. Auf welche Weise sollte ich sie empfangen?

Ich dachte nicht an meine eigne Sicherheit; meine Wünsche zielten dahin, meine sämmtlichen Feinde zu tödten; aber nachdem ich dies gethan gehabt hätte, war ich gleichgültig gegen die Folgen – es lag mir nichts daran, ob ich am Leben blieb, um die That zu erzählen oder mich ihrer zu rühmen.

Das Hinausgehen war gefährlich und nutzlos. Es blieb mir nichts weiter übrig, wie der Thür gegenüber an der Erde sitzen zu bleiben und auf jeden Eintretenden zu schießen. Bei dem hastigen Ueberblick, den ich auf dieses Gemach geworfen hatte, war ein Gegenstand übersehen oder unvollkommen beachtet – dicht neben dem Heerde befand sich eine Oeffnung, die zum Theil durch eine Aushöhlung in der Wand und in der Erde hervorgebracht wurde; es war der Eingang eines Ofens, der von außen einem Erdhügel glich, und mit dürrem Kartoffelkraut und anderem Unrath gefüllt war.

Es war unmöglich, meinen Körper dort hineinzubringen. Ich konnte aus dem Reisig eine Art Versteck herstellen und eine bedächtigere, wirksamere Verheerung unter dem Feinde anrichten. Ich dachte nicht über das Vortheilhafte dieses Planes nach, sondern drang hastig in diese Höhlung ein. Ich fand augenblicklich, daß sie für meinen Zweck ganz ungeeignet sei, aber es war zu spät, meinen Fehler wieder gut zu machen.

Diese Mauer der Hütte war an den Rand einer Sandbank gestellt; der Ofen stand dicht an der Kante; und da diese aus einem lockeren, beweglichen Boden bestand, so konnte sie meine Last nicht tragen; sie rutschte ab und ich sank mit ihr hinab. Der Abhang war drei bis vier Fuß hoch, so daß ich, obgleich ich erstaunt und verwirrt war, keine Verletzung erhielt. Ich hielt meine Flinte noch immer fest und kam augenblicklich wieder zum Stehen.

Was war jetzt zu thun? Die Anhöhe schützte mich vor den Blicken der Wilden; das Dickicht war ganz in der Nähe, und wenn mir etwas an der Flucht lag, so hatte ich deutlich einen sicheren Weg dazu vor mir; aber obgleich ich allein und durch Anstrengungen, Hunger und Krankheit geschwächt war und obgleich mich die Feinde an Zahl und Stärke so sehr übertrafen, war ich doch entschlossen, den Kampf zu erwarten und herbeizuführen.

Außer dem heftigen Antriebe der Leidenschaft wurde ich noch durch den Gedanken an die Gefahr, welche dem schlafenden Mädchen drohte und welcher sie in Folge meiner Flucht schutzlos ausgesetzt bleiben mußte, beherrscht. Wie seltsam ist das Schicksal, welches den Menschen leitet! Ich hatte die Folgen davon, daß ich mich in dieser Höhlung verbarg, nicht vorausgesehen; es war ein Unternehmen, zu welchem mich der Muth und nicht die Feigheit veranlaßte, und doch das einzige Mittel, durch welches die Flucht möglich gemacht wurde – wenn ich durch die Thür hinausgegangen wäre, so würde ich der Gefahr nur entgegen gegangen und ihr nicht ausgewichen sein.

Mein erster Gedanke trieb mich an, durch diese Oeffnung wieder in die Hütte zu dringen, aber dies konnte nicht zuverlässig und schnell geschehen. Was blieb mir also zu thun übrig? Während ich überlegte, näherten sich die Männer und traten nach augenblicklichem Zögern ein, da die Thüre zum Theil offen stand.

Das Feuer auf dem Herde setzte sie in den Stand, das Gemach zu überschauen; einer von ihnen stieß einen plötzlichen Ruf der Verwunderung aus, dieser war leicht zu deuten; – sie hatten das Mädchen, welches vor kurzer Zeit ihre Gefangene gewesen war, schlafend auf dem Bett liegen sehen – man kann sich ihr Erstaunen darüber, daß sie dasselbe hier und in diesem Zustande fanden, leicht denken.

Jetzt fiel mir ein, daß ich mich, ohne bemerkt zu werden, in der Nähe des Eingangs an einer Ecke der Hütte aufstellen und auf jeden Einzelnen, der herauskam, schießen könne. Ich bemerkte, daß die Erhöhung mit zwei Seiten des Gebäudes parallel lief und daß ich die Aussicht auf die Vorderseite und auf den Eingang würde erreichen können, ohne mich der Beobachtung blos zu stellen.

Ich nahm diese Stellung ohne Zeitverlust ein. Die Erhöhung ging mir bis an die Brust; es war daher leicht, mich an derselben niederzukauern, mein Auge dicht an den Rand zu bringen und, indem ich die Flinte an demselben in das Gras legte und die Mündung auf die Thüre richtete, geduldig ihr Herauskommen abzuwarten.

Meine Augen und Ohren richteten sich mit gleicher Aufmerksamkeit auf Alles, was vorging – in der Hütte wurde ein leises, murmelndes Gespräch geführt. Gleich darauf hörte ich einen schweren Schlag fallen. Ich schauderte und mein Blut stockte bei diesem Tone. Ich zweifelte nicht, daß es der Schlag einer Axt gegen den Kopf oder die Brust der hülslosen Schlafenden sei.

Hierauf folgte ein lauter Schrei und die Fortdauer des Geschreis bewies, daß der Schlag nicht augenblicklich tödtlich gewesen sei. Ich erwartete, eine Wiederholung desselben zu hören, aber das Geräusch, welches jetzt folgte, glich demjenigen, welches dadurch hervorgebracht wird, daß man etwas am Boden hinschleppt – das Geschrei dauerte inzwischen in Jammertönen fort. Mein Herz bebte und ich sah ein, daß ich mich gewaltig anstrengen müsse, um die Festigkeit meiner Glieder und meiner Nerven zu bewahren – von der mächtigen Anstrengung und der glücklichen Gewandtheit eines Augenblicks hing Alles ab.

Der Eine ging jetzt nach der Thür und kam heraus, wobei er das Mädchen, das er an den Haaren gepackt hatte, hinter sich herschleppte. Ich weiß nicht, was mich abhielt, ihn bei seinem ersten Erscheinen niederzuschießen; dies war zuerst meine Absicht gewesen – meine Hand berührte den Drücker, und die Flinte war, während er fortging auf sein rechtes Ohr gerichtet. Vielleicht bewog mich die mögliche Folge eines Mißlingens, zu warten, bis das Aufhören seiner Bewegungen mein Ziel sicherer gemacht haben würde.

Nachdem er das jämmerlich schreiende Mädchen zehn Schritte aus dem Hause geschleppt hatte, schleuderte er sie gewaltsam von sich. Sie stürzte zu Boden, und als sie ihn sein Gewehr auf ihre Brust richten sah, erneuerte sie ihr Flehen in noch durchdringenderem Tone. Der erbärmliche Bösewicht ahnte nicht, daß ihre Befreiung nahe und sicher sei. Ich machte mir Vorwürfe über mein langes Warten; ich feuerte und mein Feind stürzte, ohne zu zucken, zu Boden.

Bis hierher war mir das Glück in diesem ungleichen Kampfe günstig gewesen. Der nächste Schuß mußte mich fast machtlos lassen. Aber wenn dieser eben so sicher war wie der erste, so wurden die Gefahren einer Niederlage vermindert. Da die Wilden im Hause die Absichten ihres Kameraden in Bezug auf das gefangene Mädchen kannten, so hielten sie den Knall, welchen sie gehört hatten, wahrscheinlich für den seines Gewehrs. Ihr Irrthum mußte jedoch bald dem Zweifel weichen und sie würden herauskommen, um sich von der Wahrheit zu überzeugen. Es war meine Schuldigkeit, demjenigen, der sich zunächst zeigte, einen ähnlichen Empfang zu bereiten.

Was ich erwartete, geschah, meine Augen hatten sich kaum wieder auf den Eingang gerichtet, als sich ein braunes, furchtbares Gesicht voll Besorgniß heraussteckte. Dies war das Zeichen für seinen Tod. Seine wild und schnell im Kreise umhergeworfenen Blicke fielen auf mich und auf das nach seiner Stirn gerichtete Todeswerkzeug. Er strengte sofort seine Muskeln an, um den Kopf zurückzuziehen und seinem Kameraden eine Warnung zuzurufen, aber seine Bewegungen waren zu langsam – die Kugel drang über seinem Ohr ein – er stürzte, des Bewußtseins, wenn auch nicht des Lebens beraubt, zu Boden, und hatte nur die Kraft, sich zu winden und zu murmeln.

Ende des zweiten Bandes.



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