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In Florenz begegneten sie bei Gilli Hermann Honrader und Frau Christine.
Als Henry Felix die beiden im hinteren Zimmer erblickte, wo sie deutsche Zeitungen lasen, wollte er umkehren. Seine Frau bemerkte es und ging gerade deshalb in das gleiche Zimmer. Nun blieb ihrem Manne nichts anderes übrig, als die beiden anzureden und seiner Frau vorzustellen.
Hermann und Christine waren ersichtlich freudig überrascht, und Hermann insbesondere zeigte lebhafteste Herzlichkeit.
»Aber das ist ja herrlich!« rief er aus. »Nun bedauere ich wirklich nicht, meiner Frau nachgegeben zu haben, die mich zu den deutschen öffentlichen Papieren beinahe hat zwingen müssen, denn ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, hier keine deutsche Zeitung anzusehen.«
»Wie?« meinte Berta, »das ist aber sehr undankbar von Ihnen, denn gerade jetzt sind die deutschen Blätter voll von Ihnen. Tausend Zungen singen das Lob Ihres letzten Gedichtbandes.«
Hermann lächelte.
»Das freut mich natürlich,« sagte er, »denn man weiß sich gerne gelobt, zumal wenn man, wie ich, eine Zeitlang ein bißchen schlecht behandelt worden ist. Ich habe auch gerade so ein Lob genossen. – Doch, wir reden ja von Literatur! Ich wollte eigentlich nur sagen, daß ich die Zeitungen nicht aus Geringschätzung vermeide, sondern aus einer Art Kunstpolitik. Ich spinne mich ein, von der Gegenwart ab, ganz ins lebendige Vergangene. Lese die prachtvollen alten Italiener, die nicht lebten, um zu schreiben, sondern schrieben, um das Leben noch einmal erhöht zu leben. Sie lügen mit der wunderbarsten Naivität und gelangen dabei zu einem dichterischen Realismus, der die innersten Wahrheiten des Lebens aufdeckt. Sie dichten wie Kinder und sind dabei von der entzückendsten Verruchtheit.«
»Und Sie selber schreiben nichts?« fragte Berta, die mit dem größten Interesse zugehört und keinen Blick von Hermann verwandt hatte.
»O ja,« antwortete der, »ich schreibe sogar viel zu viel. Ich bin nun mal vom Laster der Arbeit besessen und müßte mich Sünden fürchten, hätte ich nicht eine so gute und gescheite Frau, die mir täglich Absolution erteilt. – Ach,« fuhr er nach einer Weile fort, und seine blauen Augen leuchteten, »welch ein Vergnügen, hier zu arbeiten, wo soviel Licht und Schönheit ist! Ich bin Ihrem Manne, Frau Gräfin, mehr Dank schuldig als ich je abtragen kann. Denn ohne ihn säße ich noch im Nebel.«
Er gab Henry Felix die Hand, dem aber bei alledem nicht wohl zumute war. Er spürte, daß Berta verglich.
»Sie sind auf der Hochzeitsreise?« mischte sich Frau Christine ins Gespräch. »Wir sind ganz erstaunt, unsern Freund als Ehemann zu sehen.«
– Unsern Freund? – Henry Felix runzelte die Brauen. Die gute Frau Christine schien ihm denn doch etwas sehr gemütlich zu sein. Auch fand er, daß sie wenig elegant angezogen war.
Aber Berta schien an alledem gar keinen Anstoß zu nehmen. Sie antwortete in einem herzlicheren Tone, als den er von ihr gewohnt war: »Ja. Hochzeitsreise. Und nun gehts wieder nach Hause. Wenn auch Sie zurückgekehrt sein werden und einmal nach Berlin kommen, hoffen wir, Sie bei uns zu sehen.«
»Nach Berlin? Sind Sie nach einem andren Regiment versetzt worden?« wandte sich Hermann an den unangenehm betroffenen Freund.
»Habe den Dienst quittiert,« antwortete er kurz.
»Ach?« meinte Frau Christine; »und wir dachten Sie so glücklich im militärischen Berufe.«
»Dann haben Sie geirrt,« erwiderte ärgerlich der ehemalige Reiteroffizier. »Ich bin vielmehr sehr glücklich, ihn hinter mir zu haben.«
Berta lächelte ein Lächeln, das ihrem Manne übel gefiel. Er fuhr fort: »Natürlich bin ich gerne Offizier gewesen, und wenn wir uns, wie die Italiener jetzt, mit den Abessiniern zu schlagen hätten, würde ich es auch heute noch gerne sein. Aber ein Beruf, der immer nur aus Vorbereitung zu Handlungen besteht, die alle Welt durchaus vermeiden möchte, ja dessen Sinn es eigentlich ist, das hintanzuhalten, wofür er sich unausgesetzt vorbereitet, ist im Grunde etwas Absurdes und kann auf die Dauer nicht nach meinem Geschmacke sein, da ich etwas Positives wirken möchte.«
»Das ist zu begreifen,« sagte Hermann. »Die heutigen Offiziere sind Beamte des bewaffneten Friedens, und ein Beamtendasein paßt zu Ihnen kaum. Übrigens empfinden vermutlich alle Offiziere wie Sie, und je länger die Friedenszeit dauert, um so widerwilliger werden sie so empfinden. Es wird daher sicherlich ein Tag kommen, wo das Wetter loskracht. Gesammelte Elektrizität muß sich einmal entladen. Und die bei allen friedlichen Tendenzen doch auf den Krieg gerichteten Empfindungen und Gedanken Hunderttausender von Menschen der kräftigsten Art sind Elektrizität. Es ist gegen alle menschliche Natur, sich ewig fruchtlos abzustrapazieren, ohne daß gleichzeitig der Wunsch gesteigert würde, nun auch einmal zu beweisen, was man gelernt hat, wie stark und geschickt man geworden ist. Das Volk selbst, das zweifellos nirgends den Krieg will, hetzt die Offiziere unbewußt in eine Art kriegerischer Ungeduld, indem es sie mit kaum verhehltem Spott verfolgt. Der Offizier wird zur komischen Figur in den Witzblättern. Das ist ungerecht, aber psychologisch erklärlich, wie es auch psychologisch erklärlich ist, daß viele Offiziere zum Kultus wirklich komischer Äußerlichkeiten gelangen. Aber aus diesen scheinbaren Lustspielelementen ballt sich eine dramatische Handlung zusammen, obwohl die gegenwärtigen Fürsten samt und sonders unkriegerisch sind. Sie werden es in dem Momente nicht mehr sein, wo die ungeheure Waffe in ihrer Hand so mit Elektrizität geladen ist, daß die Hand von ihr bewegt wird.«
»Sie irren sich,« entgegnete Henry Felix mit dem Tone eines Sachverständigen; »unsere Offiziere sind nicht so vom Kriegsdurst geplagt, wie Sie meinen. Sie haben sich an die bevorzugte Stellung von prachtvoll uniformierten Friedensbeamten völlig gewöhnt. Der Dienst hat sie phlegmatisiert, und der zunehmende Luxus in den Kasinos wird von ihnen, die ja jetzt schon von Haus aus an mehr Komfort gewöhnt sind, als etwa die Generation von vor 1870, mit zuviel Talent für alles Angenehme genossen, als daß sie wünschen möchten, dafür die Unbequemlichkeiten eines Feldzugs einzutauschen, nach dem sich höchstens die jüngsten Leutnants noch momentweise sehnen, wenn die Langeweile des ewigen Einerleis in Kaserne und Kasino ihnen mal auf die Nerven fällt. Vom Ruhm ist bei deutschen Offizieren nie die Rede. Immer nur von der Pflicht, der großen Beamtentugend. – Sie vergleichen die Armee mit einem Schwerte. Sie ist aber eine Maschine. Nun, sie funktioniert ja sehr sauber und wird gewaltig losstampfen, wenns einmal befohlen wird. Ich bin aber sehr fest davon überzeugt, daß wir das nicht mehr erleben werden. Eher die Abrüstung aus Langerweile.«
Das wurde sehr schön und in einem ein wenig dumpfen Tone resignierter Überzeugung vorgetragen, aber Hermann war nicht der Mann, sich gleich für überwunden zu erklären, wenn es galt, zu disputieren. Er war nicht umsonst als Student Mitglied verschiedener sozialdemokratischer Diskussionsklubs gewesen, und dann war er ja wirklich der Sohn des seligen Hauart, von dem er zwar nicht die Millionen, aber die Lust am Theoretisieren geerbt hatte. Und so antwortete er: »Alles was Sie sagen, mag auf Ihr Offizierkorps zustimmen, aber allgemeine Gültigkeit hat es kaum. Gewiß, wir Deutschen sind nicht ruhmsüchtig, aber, wie untermischt mit anderen Rassen wir auch sein mögen, der Grundstoff unseres Blutes ist germanisch, und die Germanen sind von Natur kriegslustig. »Wo kühne Kräfte sich regen, da rat ich offen zum Krieg« läßt Richard Wagner singen, und Nietzsche weiß es noch besser und deutscher: »Der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt.« Wenn wir heute eine verhältnismäßig lange Friedenszeit hinter uns und gewiß auch noch für eine ziemliche Weile Frieden vor uns haben, so liegt der Grund dafür gewiß zum Teile in dem Geiste des Behagens, der allen Erben eigentümlich ist. Aber der Hauptgrund dafür liegt in dem Gefühle der Unsicherheit unserer Herrschenden: Was wird aus uns, wenns schief geht? Die internationalisierende Tendenz der Sozialdemokratie ist ein mächtigeres Schwergewicht gegen den Krieg, als die großen Heere. Ich für mein Teil bin aber überzeugt, daß der Furor teutonicus auch die Sozialdemokraten ergreifen wird, wenns einmal zum großen Donnerwetter kommt. Auch ein unglücklicher Krieg würde bei uns keine Kommüne zur Folge haben, vielmehr würde gerade er dazu beitragen, bei unsern Leuten den sozialen Idealismus zurückzudrängen und den kriegerischen zu steigern. Die deutschen Fürsten müßten sich persönlich schon sehr erbärmlich benehmen, wenn sie nicht selbst durch einen unglücklichen Krieg an Anhänglichkeit beim Volke gewännen. Es wäre nur dann für sie verspielt, wenn aus dem Volke ein Napoleon wider sie erstünde, – ein Held, ein Genie der Tat. Der würde im deutschen Heere, im deutschen Offizierkorps, trotz aller Pflicht, reichliches Material zu Marschällen finden. Darauf können Sie sich verlassen.«
Henry Felix lächelte geringschätzig: »In Deutschland ist nur ein Bismarck möglich, kein Napoleon. Oder ein – theoretischer Napoleon, wie Nietzsche, der im Grunde etwas unsäglich Kümmerliches hat.«
»Wie mein Bruder Karl in seinem Tagebuche fast wörtlich sagt,« warf Berta ein und sah ihn verächtlich an.
Ihr Gatte biß sich auf die Lippen und runzelte die Stirne. Hermann sowohl wie Christine bemerkten es wohl, daß er einen Schlag mitten ins Gesicht bekommen hatte, und zumal Christine fühlte mit voller Schärfe, wie problematisch es um diese Ehe stand.
Es trat eine Pause ein, bis Hermann das Wort fand: »Sie sind eine Schwester Karl Krakers, Frau Gräfin?«
»Ja,« antwortete sie kurz.
»Und Sie besitzen Tagebücher von ihm?« fuhr Hermann, aufs höchste interessiert, fort. »Die müssen Sie herausgeben, Henfel! Ich glaube, daß jede Zeile dieses genialen Menschen ein Wertstück für die Öffentlichkeit ist.«
Christine wollte ablenken, aber Berta ließ es nicht geschehen. Sie schien es darauf abgesehen zu haben, ihren Mann zu demütigen und sich vor Hermann als die legitime Erbin der Karlschen Gedankenwelt aufzurichten.
Sie sagte, ganz langsam, als empfände sie eine Wollust dabei, den Schmerz, den sie ihrem Manne zufügte, zu verlängern, wenn auch nur um Augenblicke: »Ich glaube nicht, daß mein Mann darüber völlig so denken wird, wie Sie, wenn er einmal die Tagebücher meines Bruders gelesen haben wird. Zwar decken sich seine Meinungen mit denen Karls an der Oberfläche vielfach, in der Tiefe gibt es aber wesentliche Unterschiede, wie es nicht anders sein kann bei zwei Menschen, die im Wesen weit auseinandergehen. Ich glaube, daß die Herausgabe Ihnen, Herr Honrader, mehr liegen würde, als ihm.«
Henry Felix stand mit einem Ruck auf und schob das kleine Marmortischchen so heftig von sich, daß es ins Schwanken kam und das Geschirr herabgeglitten wäre, wenn Christine es nicht verhindert hätte. Seine Augen traten hervor; seine Lippen bebten. Er hatte die größte Mühe, seiner wütenden Aufwallung wenigstens insoweit Herr zu werden, daß er keinen öffentlichen Skandal machte. Er keuchte, indem er sprach: »Ich muß bitten, mich zu entschuldigen. Ich... wir reisen morgen. Ich habe bei Cookes zu tun.«
Er trat zum Handkuß an Christine heran, schlug die Hacken laut zusammen, gab Hermann die Hand und ging, ohne sich von seiner Frau zu verabschieden, schallenden Schrittes aus dem Teezimmer.
Draußen warf er sich in eine Droschke und schrie den Kutscher an: »Fahren Sie!«
– »Wohin?«
– »Wohin Sie wollen! Fahren Sie!«
– »Ma, Signore, no so...«
– »Herrgott, so fahren Sie doch! Fahren Sie mich...«
Plötzlich fiel ihm die Adresse eines »Casino« außerhalb der Stadt ein. Er nannte laut die Adresse und schlug die Wagentüre zu.
– Dio mio, dachte sich der Kutscher, warum diese Wut bei so liebevollen Absichten?
Die Polster der Droschke waren nicht sehr reinlich. Trotzdem biß Henry Felix hinein, daß der Sand zwischen seinen Zähnen knirschte. Dann riß er die Gardine in Fetzen und zerschlug eine Scheibe.
– Pazzo! dachte sich der Kutscher; hoffentlich demoliert er mir die ganze Karre. Er soll gut zahlen dürfen dafür. Gott aber gnade den schönen Damen draußen, die diesem wütenden Germanen in die Hände fallen. Hat man je so ein wildes Tier gesehen? Das kommt von den vielen Bistecche und dem dicken Bier. Diese reichen deutschen Hunde fressen und saufen zu viel. Totschlagen sollte man sie, diese geilen Nichtstuer, totschlagen!
Und er drosch seine soziale Empörung dem armen Gaul auf Rücken, Weichen und Hals, der wahrhaftig in seinem ganzen jammervollen Leben noch nicht geil und träge gewesen war. Das elende Tier, bestimmt, wenn nicht der Welt Sünde zu tragen, so doch die in Gier umgeschlagene Wut eines Menschen hinter sich herzuschleppen, der in diesem Momente viehischer empfand, als irgendein Vierfüßler, raste, mit Striemen überdeckt, davon, – ein Symbol der Allgerechtigkeit, mit der die Welt regiert wird.
Indessen nahm Berta, ruhig, als ob nichts geschehen wäre, das Gespräch wieder auf und lud das Ehepaar aufs neue ein, sie in Berlin zu besuchen.
»Sie sollen der Erste sein, der nach mir Einblick in das Tagebuch meines Bruders nimmt, Herr Honrader,« sagte sie.
»Ich fürchte nur,« warf dieser ein, »daß mir Ihr Mann das verübeln wird, und ich möchte das nicht, da ich ihm Dank schulde, wie keinem Menschen sonst.«
»Sie schulden ihm keinen Dank,« rief Berta aus und fuhr mit jäher Heftigkeit fort: »oder ich müßte sagen, daß auch mein Bruder ihm Dank geschuldet habe. – Nein, lassen Sie mich reden! Mir sitzt das Herz sonst nicht auf der Zunge. Ich kann fast übermenschlich schweigen. Sie sind der erste Mensch seit dem Tode meines Bruders, zu dem ich etwas von mir sage. O, es ist ein Glück, einmal reden zu dürfen, wenn man, wie ich, verurteilt ist, ewig einen Schwätzer anhören zu müssen, der mit der Unverschämtheit des Dummkopfs als Eigenes von sich gibt, was nichts ist, als hohler Widerhall aufgeschnappter Wahrheiten. – Kennen Sie ihn denn nicht? Wissen Sie nicht längst, wie leer und null er ist? – Ich begreife es, daß Sie die Unterstützung von ihm angenommen haben. Es war mehr als Ihr Recht, dies zu tun. Aber es ist mir unbegreiflich, daß ein Mann wie Sie, ein Geist, eine Kraft, dem unwürdigen Gedanken verfallen kann, einem Nichts Dank zu schulden. Mein Bruder hat ihn immer nur mißhandelt für seine sogenannten Wohltaten, und selbst seine Mißhandlungen waren unverdiente Geschenke für diesen Schmarotzer, der immer nur nimmt, nimmt, nimmt, stiehlt, stiehlt, stiehlt von Geburt an. Ich bin sein letzter Raub. Aber an mir soll er ersticken!«
Nicht sie sprach. Es sprach aus ihr. Sie hatte alle Besinnung verloren. Ihr wütender Haß tobte wilder, als ihres Mannes Wut, der sich jetzt an käuflichen Weibern ausließ, die er peitschte und mit Füßen trat.
Hermann und Christine brachten die wie vom Fieber geschüttelte ins Hotel.
Als sie bei sich, in der kleinen Villa über dem Friedhofe bei Trespiano, angelangt waren, schlang Christine die Arme um den Hals ihres Mannes und weinte.
»Wie entsetzlich das Leben ist!« sagte sie; »welches fürchterliche, trostlose Elend zwischen diesen Menschen des Reichtums. Wie ist es nur möglich, daß sie sich zusammengetan haben, daß sie zusammenbleiben können!«
Hermann streichelte das Haar seiner Frau und sah in ihre guten, klugen Augen: »Der Haß schnürt zusammen, wie die Liebe zusammenbindet. Ich sehe so wenig klar wie du. Aber ich ahne eines: Nemesis. Das Leben der Menschen ist meist wirr und verzerrt. Aber der Sinn des Lebens, der über all diesen tausend kleinen und großen Tragödien wartet, ist Harmonie. Er will Ausgleich, Ordnung, Wahrheit. Die Frau hat recht; ich fühle es: Henry ist ein Frevler an der vernünftigen Ordnung der Dinge, ein Nichts, das Würden und Genüsse beansprucht, die ihm nicht zukommen, ein Dieb, wie sie sagt. Es gibt deren Hunderttausende, die alle ebenso unbewußt freveln. Ich glaube, daß sie alle in sich ihren Lohn dahin haben, auch wenn sie nicht, wie er, mit ihrem Widerpart tragisch verknüpft sind.«
Der alte Hauart spintisierte in seinem Sohne weiter.
Christines ruhige, weiblich realistische Art, zu denken, ging darauf nicht ein.
Sie sagte: »Ich sehe bloß, daß es sehr traurig ist, wenn zweie durch den Haß und nicht durch die Liebe zusammenkommen. Der Sinn des Lebens ist scheußlich, wenn er unselig macht. Man sollte die beiden trennen. Mag sie immerhin recht haben. Er hat auch recht. Du weißt, ich halte ihn nicht für gut und wertvoll. Sie mag mehr Wert haben, als er. Aber sie ist grundböse. Wir wollen sie trennen, Hermann. Das soll dein Dank sein.«
»Was das Schicksal bindet, kann nur das Schicksal trennen,« entgegnete er bestimmt. »Nemesis. Die hat weder mit Moral, noch mit Glück etwas zu tun. Diese zwei Bösen sollen sich aneinander messen. Ich kann mir nicht helfen: Ich wünsch ihr den Sieg, obwohl meine Sympathie so wenig auf ihrer, wie auf seiner Seite ist. Wir wollen uns nicht dareinmischen und ruhig in unseren Bahnen bleiben, die mit dieser bösen Sphäre nichts zu tun haben. Auch die Guten sollen hart sein.«