Otto Julius Bierbaum
Prinz Kuckuck
Otto Julius Bierbaum

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Der Mann mit der goldenen Maske

Diesen Brief las Henry dreimal, – den geheimnisvollen Schluß aber so oft, daß er ihn auswendig herzusagen wußte bis an sein Lebensende.

Es war ihm jetzt völlig klar, daß seine Phantasien auf der Reise nach Jena das Rechte geahnt hatten, daß sie eine Erleuchtung gewesen waren.

Er entnahm sofort den seidenen Schlafrock dem Koffer, legte ihn an und stellte den reitenden Kosaken vor sich auf. Man rief ihn zum Abendessen, das ihm zu Ehren feierlich gestaltet werden sollte. Er bat, ihm eine Tasse Tee aufs Zimmer zu schicken und ihn zu entschuldigen, da er nach Kenntnisnahme des Vermächtnisses seines Papas außerstande sei, unter Menschen zu gehen.

»Was habe ich mit diesen Leuten zu schaffen!« sagte er laut zu sich selbst und streichelte den Kosaken, den er mit dem Titel Kamerad beehrte.

Er hätte am liebsten Goldmünzen mit seinem Porträt prägen lassen. Wenn er nicht soeben die Millionen verschenkt hätte, so hätte er es jetzt sicherlich getan – aber mit mehr Allüre und Aplomb, nicht so knabenhaft bescheiden und mit Dankesfloskeln.

Er dachte allen Ernstes daran, für »seinen väterlichen Freund und Lehrer Henry Hauart« ein Denkmal in Auftrag zu geben. Der »Papa« war zum Hofmeister geworden. An die Mama aber dachte er mit Gefühlen einer wunderlichen Rührung, die nicht ohne Sentimentalität war. »Die arme Frau! Ich war nicht einmal ihr rechtes Kind, und doch hat sie mich so geliebt.«

Seine Empfindungen waren überhaupt mit einer sonderbaren Art Sentimentalität untermischt. Ich bin ein Prinz, sagte er sich, und bin es doch nicht. Ich bin so etwas wie der Mann mit der eisernen Maske. Nur, gottlob, meine Maske ist aus Gold.

Ob wohl, außer der geheimnisvollen Frau (er küßte die schwarze Perle) jetzt irgendwer um mein Geheimnis weiß?

– War die herrliche Frau etwa von einem – Hofe gesandt?...

– Warum erscheint sie mir heute nicht?

Er hätte sich nicht im mindesten gewundert, wenn sie plötzlich hinter den Gardinen seines Zimmers hervorgetreten wäre.

Seine Phantasie war jedem Wunder gewachsen.

Dennoch phantasierte er nicht bloß.

Er stellte auch ganz ruhig Betrachtungen über sein Verhältnis zu den Menschen an, zu denen er Beziehungen hatte.

Dieses Verhältnis, sagte er sich, ist von nun an nicht mehr dasselbe. Im Grunde hat überhaupt niemand ein Verhältnis zu mir – außer jener Frau. Ich stehe außerhalb aller normalen Verhältnisse. Meine Heimat ist in einer Höhe und Weite, die keinerlei Berührung mit den Kreisen hat, in denen ich etwa verkehren werde. Ich bin ein versprengtes Stück aus fremden, hohen Sphären. Ich muß ewig einsam sein.

Er dachte an die Familie Kraker und lächelte. Damit war sie erledigt.

Er dachte an Hermann und Frau Christine – und sann nach.

– Wie habe ich nur jemals glauben können, mit diesem zwar sehr talentvollen, aber doch grundplebejischen Menschen verwandt zu sein! sagte er bei sich. Welten liegen zwischen mir und ihm. Und Frau Christine? – Das alles war ein Abglanz von Mama. Aber auch mit Frau Klara habe ich ja innerlich nichts zu tun.

– Auch dieses Leipziger Leben war eine Verirrung, nicht weniger, als die törichte Farce in Jena!

– Aber es war die letzte. Von nun ab kann es solche Irrtümer nicht mehr geben. Der Mann mit der goldenen Maske muß überall bewußt der Herr sein, keiner Institution untertan, keines Meisters Jünger. – Welche unwürdige Rolle habe ich unter diesen törichten Literaten gespielt!

– Was aber nun?

– An irgend etwas anknüpfen muß ich. Meine Bestimmung ist es, mir einen Thron zu errichten, und seis auf dem Misthaufen.

– Mit dem bescheidenen Zuhören ist es vorbei, meine Herren! Jetzt wollen wir mal sehen, ob ihr Talent habt, nach meiner goldenen Pfeife zu tanzen!


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