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Befestigte Dörfer

Alle Dörfer, die wir untersuchten, sind in gleicher Weise erbaut und befestigt. Sie liegen stets auf der Spitze eines Hügels, der einen weiten Ausblick über Täler und Höhen bietet. Wie mittelalterliche Ritterburgen sehen sie aus mit ihren doppelten Verteidigungszäunen. Primitiv und sinnreich zugleich ist die Konstruktion dieser Befestigungen. Man hat in 20 Zentimeter Abstand voneinander starke Holzprügel tief in den Boden eingerammt und die Zwischenräume mit spanischem Rohr ausgefüllt. An der Innenseite dieses Zaunes sind nun einige ganz dichte Querlagen dieses Rohrs befestigt, und endlich schließt noch eine senkrechte Schicht nach innen ab. Infolge der übersichtlichen Lage ist ein unvorhergesehener Überfall so gut wie ausgeschlossen. Mit den Waffen der Steinzeit sind diese Festungen nicht zu nehmen.

Die einzelnen Häuser sind rund, auffallend niedrig und mit Gras gedeckt. In der Mitte des einzigen Raumes brennt das Feuer. Die Krieger liegen auf geflochtenen Matten um das Feuer herum, die Füße gegen die Feuerstelle gerichtet. Die unverheirateten Männer aber leben stets in sogenannten »Junggesellenhäusern« zusammen, die den Familienhäusern gleichen.

Da jedes Haus von der Spitze des stark abfallenden kegelförmigen Daches bis zum Fußboden nur 1,70 Meter mißt, kann man sich innerhalb der Hütte nur kriechend fortbewegen. Doch schlafen in dem kleinen Raum, dessen Wände mit Bogen und Pfeilen geradezu gespickt sind, immerhin an die zwanzig Krieger.

Innerhalb der Palisaden sind noch einige Gerüste aufgestellt, an denen die Unterkiefer von Schweinen hängen. Hier werden die Opfertiere geschlachtet.

Der Hausrat in den Hütten ist recht spärlich. Auf roh geschnitzten flachen Holzschüsseln liegen Nahrungsmittel, hohle Bambusstäbe dienen als Wasserbehälter. Einige davon sind mit Brandmalerei oder Ritzzeichnungen versehen, das sind die Trinkgefäße; geflochtene Tragnetze, welche die Frauen um die Stirn tragen und die sowohl als Kinderwiege als auch zum Einbringen der Ernte verwendet werden, Steinbeile, Knochenmesser und Stricke aus den Fasern einer hanfartigen Pflanze hängen an den Wänden. Zwischen den Häusern senkrecht in den Boden gerammte ausgehöhlte Baumstämme enthalten die Steine zum Kochen. Hiermit wäre fast die ganze materielle Kultur dieses Papuastammes beschrieben, zumal Bastkleidung und Schmuck aus den Bildern ersichtlich sind.

Die Menschen, die aus den Strohhütten hervorkrochen, waren häßlich. Ihre gedrungenen dunkelbraunen Gestalten entbehrten jedes Ebenmaßes. Ein kurzer Lendenschurz aus geschlagenem Bast war ihre einzige Bekleidung, primitive Knochenringe ihr einziger Schmuck. Mit unförmigen Knochennadeln nähen sie ihre Grasmatten, mit kleinen Messern aus Knochen schneiden sie das von der Natur gespendete Material zurecht. Aus Stein sind ihre Werkzeuge, sie gebrauchen Drillbohrer mit Steinsplitterspitzen und Steinbeile, die sie auf einfachen Schleifsteinen zuschleifen. Sie entfachen das Feuer, indem sie zwei Holzstäbe aneinanderreiben, bis ein kleiner, glimmender Funke entsteht.

Einige Jahrtausende ist es her, daß auch auf europäischem Boden die Menschen nicht viel anders gelebt haben. Nur eine Sitte dürfte unseren Vorfahren fremd gewesen sein: die Trauerkleidung der Witwen. Sie ist höchst seltsam. Den Kopf rasiert, den Körper mit Lehm beschmiert, führen sie den Schädel des verstorbenen Gatten in einem Tragnetz stets mit sich herum.

Es fiel mir auf, daß die Krieger eigenartig geschwungene, biegsame Rohrstäbe um den Hals trugen, und ich fragte sie nach deren Bedeutung. Da befeuchteten einige ihr Rohr mit Speichel und begannen es unter würgenden Schlingbewegungen hinunterzuschlucken. Sie fingen von der Mitte aus an, wobei sie aber immer die beiden Enden des dünnen Stabes in den Händen hielten. Sie schlangen und schluckten und schienen einen kaum stillbaren Brechreiz niederzukämpfen, die Augen traten weit aus ihren Höhlen. Endlich hatte die Rohrbiegung den Magen erreicht. Die beiden gespannten, federnden Enden verzogen den halboffenen Mund zu einer greulichen Fratze. So war ich Zeuge einer der Selbstkasteiungen geworden, durch die der junge Krieger seine Selbstbeherrschung beweisen muß, so daß er würdig ist, in den Stamm aufgenommen zu werden.

Das Dorf Sigoyabu war von Gärten umgeben, wie sie mich schon vom Flugzeug aus durch ihre kunstvolle Anlage in Erstaunen gesetzt hatten. Die Gartenwirtschaft dieses Papuastammes ist bedeutend höher entwickelt als die der Melanesier, und es scheint, daß nur diese intensive Bodenbewirtschaftung eine so dichte Besiedlung des Landes ermöglicht hat. Auf den mit Zäunen eingefaßten, fürsorglich angelegten Beeten wachsen die verschiedensten Nutzpflanzen. Mehrere Arten Zuckerrohr, Hülsenfrüchte, Yam, Taro, Betelnüsse und Papaya und noch manches andere, dessen Name mir unbekannt blieb. So sah ich viele zwiebelartige Pflanzen und spinatartiges Gemüse. Am seltsamsten aber berührten mich die vielen Zierblumen, die überall angepflanzt waren und der ganzen Anlage das Gepräge eines europäischen Bauerngartens verliehen.

So ist jedes dieser befestigten Dörfer ein Reich für sich. Die Menschen sind nicht auf Handel angewiesen, sondern können sich innerhalb ihrer »Burg« ernähren und verteidigen.


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