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Flug in die Steinzeit

So interessant das Leben in den Goldfeldern auch war, für meine Arbeit war ich auch hier zu spät gekommen. Die Eingeborenen hatten im Verkehr mit den Goldsuchern in unglaublich kurzer Zeit ihre alte Kultur aufgegeben. Nur einige seltsame Steinäxte, die ich im Besitz einzelner Flieger fand, erinnerten daran, daß hier die Menschen noch vor kurzer Zeit in der Steinzeit gelebt hatten. So zog es mich denn hinein in das unbekannte Innere der riesigen Insel.

Durch die Freundlichkeit des Distriktsbeamten in Salamaua wurde mein Wunsch erfüllt.

Bald waren die nötigen Formalitäten erledigt, und eine einmotorige Junkersmaschine stand bereit. Mein Ziel war der Oberlauf des Purariflusses, an dem vor kurzem ein kleiner Notlandungsplatz angelegt worden war. Wir verfolgten aber nicht die direkte Flugstrecke, sondern bogen weit nach Süden aus, um möglichst viel des unerforschten Geländes überfliegen zu können. Anfangs ging es in fast zweitausend Meter Höhe über dicht bewaldetes Gebiet, und es war daher kaum möglich, Einzelheiten auf der Erde zu erkennen. Doch das Gelände stieg immer mehr an. Sobald wir das Hochgebirge überflogen hatten, stand ein Wolkenmeer hinter uns. Vor uns aber lag ein offenes, flaches Flußtal, das nach allen Seiten hin von hohen Gebirgen umschlossen war. Nur wenige Bäume waren zu sehen, eine endlose Grassteppe dehnte sich unter uns aus. Die Landschaft erinnerte an die grasigen Länder Ostafrikas, und nicht nur die Landschaft, auch die Dörfer der Eingeborenen hatten afrikanisches Gepräge. Zahlreich wie Termitenhaufen breiteten sie sich als kleine kugelige Gebilde gruppenweise über dem Boden aus. Doch im Gegensatz zu allen Häusern, die ich im melanesischen und papuanischen Gebiet bisher zu Gesicht bekommen hatte, waren diese hier länglich oder rund wie afrikanische Negerhütten. Außerdem lagen sie viel dichter und zahlreicher beisammen. Die Dörfer, die meist aus vierzig bis sechzig solcher Hütten bestanden, konnten höchstens vier bis sechs Kilometer voneinander entfernt sein. Wie ein Netz überzogen sie, so weit das Auge reichte, die Steppe, und es war nicht schwer, abzuschätzen, daß etwa zwanzigtausend Eingeborene dieses Tal bewohnten. Meine Aufnahmen sind die Beweise für diese Behauptung. Noch niemals ist im Innern von Neuguinea eine so zahlreiche Bevölkerung entdeckt worden, und gerade dieses Tal galt bis jetzt als unbewohnt.

Zwischen den Dörfern dehnten sich weitläufige Gartenanlagen aus. Auch diese waren von den bisher beobachteten Gärten der Eingeborenen grundverschieden. Sie bekundeten eine intensive Bodenbewirtschaftung und erinnerten mit ihren abgeteilten Beeten mehr an europäische Gemüsegärten als an Felder primitiver Eingeborener.

Im Nu war dieses Tal unseren Blicken entschwunden, und wir überflogen nochmals ein dicht bewaldetes Gebirge. Auf den Gipfeln der Berge lagen einige mit Flechtzäunen umgebene kleine Dörfer. Diese Hütten jedoch waren nicht rund, sondern viereckig und geräumig wie die der Eingeborenen am Schlangenfluß. Dann folgte wieder ein ausgedehntes Waldgebiet, bis von neuem die Steppe begann. Auch dieses Gebiet war dicht besiedelt, und hier, zwischen den Dörfern, wollten wir niedergehen. In hundert Meter Höhe kreisten wir noch einige Male über den Siedlungen, um jede Gelegenheit zu Aufnahmen wahrzunehmen, konnte man doch jetzt jede Bananenstaude genau unterscheiden.

Dann wendete der Pilot, flog einem niederen Hügel zu und setzte den Vogel zwischen abgeernteten Eingeborenenfeldern sanft auf die Erde nieder. Dies war eine bewunderungswerte Leistung, denn das Gelände war zwar langgestreckt, aber äußerst schmal, und es gab kein Gegen-den-Wind-Landen und -Aufsteigen, wie man es so schön in der Fliegerschule gelernt hat. Man konnte nur in einer einzigen Richtung anfliegen und mußte sehen, wie man mit dem widrigen Seitenwind fertig wurde.

Kaum war der Motor abgestellt, als auch schon eine dichte Menschenmenge herbeistürzte. Mit Pfeilen und Bogen bewaffnete seltsame Gestalten umgaben uns und schnatterten in einer unbekannten Sprache aufgeregt durcheinander. Sie trugen geschlagenen Bast um die Hüften, und ihr Haar war in eigenartiger Weise frisiert. Die Männer hatten Steinäxte geschultert, und mit Freude nahm ich dies als ein Zeichen, daß es mir diesmal gelungen war, ein Gebiet zu finden, wo die primitive Kultur der Eingeborenen noch durch keine fremden Einflüsse gestört worden ist.

Ein junger schlanker Europäer trat auf uns zu und begrüßte uns auf das herzlichste. Es war ein Patrouilleoffizier, den die Regierung vor kurzem hergeschickt hatte, um die Verhältnisse zu untersuchen. Bald saßen wir in seinem Zelt gemütlich beisammen.

Da meine Geldmittel nicht ausreichten, das Flugzeug warten zu lassen, hieß es, vom Piloten Abschied zu nehmen. Wir vereinbarten eine Zeit, nach Ablauf welcher mich das Flugzeug an derselben Stelle wieder abholen sollte. Bald surrte der Motor, zum Start bereit, Eingeborene hielten einen Flügel des Vogels fest, um ihm das Wenden zu ermöglichen. Doch obwohl der Pilot verzweifelt winkte, hielten sie noch immer fest, als der Äroplan bereits in der gewünschten Richtung stand. So drehte sich die Maschine langsam weiter, und erst als sie quer zu stehen kam, ließen die Eingeborenen los. Der Pilot stellte rasch den Motor ab, doch vergeblich. Das Gelände war nach dieser Seite stark abfallend, und der Wind hatte die Flügel schon von hinten erfaßt. Mit Bangen sahen wir den großen Vogel über den Flugplatz hinausrollen und, wie ein unbeholfenes Tier über die Unebenheiten des Geländes springend, sich einem steilen Absturz nähern. Im letzten Augenblick aber, als wir Flugzeug und Führer schon verloren glaubten, verhütete ein niedriger Strauch, der inmitten des hohen Steppengrases stand, das Schlimmste, und wir konnten den Flieger aus seiner gefährlichen Lage befreien. Diesmal aber hielten wir Weißen den Flügel, und ruhig und majestätisch schwang sich die wohnliche große Junkersmaschine, die mir hier ein Stück meiner Heimat bedeutete, in die Lüfte und ließ uns allein in der Wildnis zurück, ohne jede Verbindung mit der Welt, der wir angehörten.


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