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Der Monopoldampfer

Die Stürme hatten sich inzwischen gelegt, und wir kehrten nach San Christoval zurück. Die Zeit auf den südöstlichen Salomonen war wie im Flug vergangen. Mit Hilfe des weißen Zauberers hatte ich Sitten und Gebräuche der Eingeborenen kennengelernt, wie dies sonst nur während eines mehrjährigen Aufenthalts möglich ist. Ich hatte die ganze materielle Kultur mit meinen Zeichenstiften und Photoapparaten eingefangen und auch die Sprache eingehend bearbeitet. Ich konnte mit dem Erfolg zufrieden sein und nun nach den nördlichen Salomoninseln aufbrechen. Doch wieder tauchten Schwierigkeiten auf. Ich hatte kein eigenes Schiff gechartert wie vor Jahren auf den Bissagosinseln in Westafrika. Wann würde mir hier der Zufall ein Schifflein senden, das mich von meiner einsamen Insel entführen könnte?

Groß war daher meine Freude, als ich erfuhr, daß ein kleiner australischer Dampfer, der den Verkehr zwischen den Plantagen aufrechthält, in den nächsten Wochen auf San Christoval erwartet würde. Nach dem recht primitiven Leben, das ich nun eine Reihe von Monaten geführt hatte, nach den vielen Fahrten in Eingeborenenkanus und der winzigen Barkasse von Küper, freute ich mich sehr auf eine behagliche Dampferfahrt.

Meine Freude mäßigte sich allerdings, als ich den langersehnten Dampfer zu Gesicht bekam. Er sah aus, als ob er einem Altertumsmuseum entliehen worden wäre. Klein, schlecht gebaut, verrostet, wurde er nur über Wasser gehalten, indem man von Zeit zu Zeit zentnerweise Zement in seinen durchlöcherten Rumpf schüttete, um auf diese Art ein allzu starkes Lecken zu verhindern.

Meine Kabine – sofern man das dunkle, schmutzige Loch mit einem so vornehmen Namen bezeichnen konnte – lag tief unten im Bauche des Schiffes. Der gute Dampfer war wohl vor sechzig Jahren (so alt war er tatsächlich) als Walfänger für die Eismeere und nicht für die Tropen erbaut worden. Von Ventilation war keine Spur, und die Quecksilbersäule meines Thermometers stieg bis auf 92 Grad Celsius! Dieser Dampfer hielt jedenfalls den Weltrekord, was Schmutz betrifft. Ich hatte dergleichen noch nie gesehen und auch nicht für möglich gehalten.

Die schwarze Bedienungsmannschaft hielt ich anfangs für Eingeborene aus den nördlichen Teilen des Protektorats, wo sich diese durch eine tiefschwarze Hautfarbe auszeichnen. Doch als Tiliko, mein hellhäutiger Polynesier, bald in gleicher Weise gefärbt erschien, stellte ich fest, daß es nur eine dicke, undurchdringliche Kruste von Kohlenstaub, Maschinenöl und allerlei anderen, zumeist »wohlriechenden« Bestandteilen war, die nicht nur die Menschen, sondern alles an Bord, von den Wänden bis zu den Sitzgelegenheiten, überzog. Wenn ich von Sitzgelegenheiten spreche, muß ich hinzufügen, daß nur ein einziger alter, halb zerbrochener Korbstuhl vorhanden war und dieses kostbare Möbelstück dem Kapitän vorbehalten blieb. Gewöhnliche Sterbliche hatten sich irgendwo hinzukauern.

Ganz besonders hatte ich mich auf das Badezimmer gefreut, denn ich brannte darauf, meine müden Glieder zu kühlen. Doch das winzige Kämmerchen, das als Waschraum diente, war ebenso heiß wie meine Kabine und ebenso schmutzig wie das Deck. Ich war aber fest entschlossen, mich durch nichts abhalten zu lassen, und seifte mich in der schwülen Hitze ein. Als ich mich abspülen wollte, stellte sich heraus, daß das Wasser gerade nur genügt hatte, meinen Körper zu benetzen, jetzt rann kein Tropfen mehr. Fast gleichzeitig verlöschte das elektrische Licht, denn um 21 Uhr wurde es einfach aus Sparsamkeitsgründen ausgeschaltet, wie ich später erfuhr. Da auf mein Rufen niemand erschien, mußte ich mir die mit Schweiß gemischte beißende Karbolseife mit meinem Handtuch vom Leibe reiben. – Das hatte ich mir anders vorgestellt!

Da man in der Kabine unmöglich schlafen konnte, gab mir der Kapitän gnädig die Erlaubnis, mein Feldbett auf der Brücke aufzustellen. Dort aber schliefen alle weißen Angestellten des Schiffes eng aneinandergedrängt, und das Schnarchen der Schläfer übertönte das Rattern der altersschwachen Maschine. Kaum war ich endlich eingeschlafen, ließ ein tropisches Gewitter ganze Bäche von Regen auf uns herabströmen. Nun war ja wohl die Brücke von allen Seiten mit Zeltblachen geschützt, doch erst jetzt machte ich die peinliche Entdeckung, daß die Blachen verfault und mit meterlangen Rissen so reichlich versehen waren, daß sich die Sintflut ungehindert über mein Bett ergießen konnte. Was sollte ich tun? Auf dem Deck war ja jedes Plätzchen von einem Menschenknäuel belegt und bei 90 Grad in den unteren »Gemächern« Schutz zu suchen, war völlig ausgeschlossen. Todmüde, überreizt und resigniert, mit einem Gefühl seltenen Unbehagens zog ich mir ein, leider viel zu kleines, Stück Zeltblatt über die Ohren und erwartete schlaflos das Anbrechen des jungen Tages.

Endlos dauerte die Fahrt, und als ich in Tulagi eintraf, war ich aufs unangenehmste überrascht, als mir für diese Art der Beförderung der gleiche Betrag berechnet wurde wie für die erste Klasse eines modernen Ozeanriesen! Der Monopolbetrieb, den eine australische Schifffahrtsgesellschaft in der Hand hat, scheint trotz aller Wirtschaftskrisen ein gutes Geschäft zu sein.


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