Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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753. Der Farrensamenfinder

Manche mühen sich um den Farrensamen, auch Fahrsamen geheißen, und suchen ihn zu erlangen durch böse Kunst und höllischen Beistand, wie der Jäger zu Benshausen, und andere, die ihn nicht suchen, finden ihn. Der Farrensame, zu rechter Zeit und Stunde gefunden und gesammelt, hat nicht nur die Eigenschaft, Glück zu bringen, unfehlbare Schüsse auf Wild und anderes, sondern er macht auch unsichtbar. Einem Manne zu Berka an der Werra ging es damit gar wunderlich. Sein Fohlen hatte sich im Walde verlaufen, und er suchte es und trat unversehens auf der Waldwiese auf reifendes Farnkraut, und es fiel ihm etwas von dem Samen in die Schuhe. Er lief lange im Walde herum, fand das Füllen nicht, kam erst früh am Morgen wieder nach Hause, ging in die Stube und setzte sich verdrießlich und müde hinter den Kachelofen auf den Lehnstuhl. Frau, Kinder und Gesinde gingen ab und zu, hantierten und plauderten, und keins sprach guten Morgen zu ihm, das nahm ihn wunder; endlich sprach er: Ich habe das Fohlen nicht gefunden! Alle erschraken, niemand wußte, woher plötzlich die Stimme kam; alle sahen einander an, ihn sah niemand. Jo Mann, wo steckst du denn? rief fragend die Frau. Da erhob sich der Mann, trat mitten in die Stube und sagte: Da bin ich ja, närrische Frau, ich stehe ja vor dir! Nun erschraken die Seinen noch mehr, denn sie hatten ihn aufstehen und gehen hören und sahen doch noch immer nichts von ihm. Da merkte der Mann, daß er unsichtbar geworden, wünschte aber nicht, solches zu bleiben, entsann sich, daß ihm etwas in die Schuhe gefallen war, das ihn drückte wie Sand, zog die Schuhe alsbald aus und klopfte sie aus, und da fiel der Wünschelsame heraus, aber niemand sah ihn, weil seine Findestunde vorüber war, der Finder aber stand wieder sichtbarlich vor allen da.

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