Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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47. Wormser Wahrzeichen

Am westlichen Portal des uralten Domes Unserer Lieben Frauen zu Worms ist als ein steinern Bildwerk ein Weib mit einer Mauerkrone zu erblicken, reitend auf einem seltsamen vierfüßigen Tiere – das wird eines der Wahrzeichen der Stadt Worms genannt und ist vielfach ausgedeutet worden. Manche meinen, das Frauenbild stelle dar die Babylonierin der Apokalypse, andere die triumphierende christliche Kirche; noch andere meinten, es sei Brunhild, die Gemahlin des Austrasierkönigs Siegberth, über welche, nachdem sie bereits achtzig Jahre alt geworden, ein furchtbares Strafgericht ihrer Herrschsucht wegen gehalten ward. Drei Tage lang wurde Brunhild gemartert, alsdann auf ein Kameel gesetzt und allem Volke zur Verspottung darauf umhergeführt, endlich an eines wilden Hengstes Schweif gebunden und dahingeschleift über Stock und Steine. Ein anderes Wahrzeichen findet sich am Dome außerhalb als seltsames Steingebilde, das stellt den Teufel dar mit seiner Großmutter, und zwar sucht das liebholde Enkelchen etwas, was man nicht gerne nennt, vom Kopf der Großmutter zu entfernen.

Weiter zeigt sich auf freier Straße westlich vom Dom nach St. Andreaspforte zu ein Felsstück, das warf vom Rosengarten, einer Insel im Rhein, welche berühmt ist durch das alte Heldenbuch, ein Recke bis herein in die Stadt. Ohnweit davon ward eine Stange aufbewahrt, so auch lange zu sehen, war groß wie ein Weberbaum, war spitz und dreiundzwanzig Werkschuh lang. Das soll, wie die Sage geht, der Weberbaum gewesen sein, mit welchem der hörnene Siegfried den Drachen erschlug, wie im Volksbuche zu lesen. Eine andere Riesenstange, sechsundsechzig Werkschuh lang, ward vordessen im Dome aufbewahrt, auch hat man lange Jahre hindurch bis zum großen Brande zu Worms des hörnen Siegfrieds Grab gezeigt.

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