Ludwig Bechstein
Deutsches Sagenbuch
Ludwig Bechstein

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247. Schnabelschuhe

Zur selben Zeit, als die Teufelsbeschwörung durch die zwölf Johannesse in Königsberg sich zutrug, hatte der Modenteufel ein tolles Tragen spitzer Schuhschnäbel auf die Bahn gebracht. Die wurden getragen erst eines Fingers lang, dann einer Spanne lang, und mancher trug sie eine halbe Elle lang und meinte damit so vielen Staat zu machen wie hernachmals die Kriegsleute mit Pluderhosen und in neuer Zeit die Vornehmen mit chinesischen Fingernägeln. Da trug sich's zu, daß eines Hauptmanns Sohn aus Marienburg vom Teufel besessen ward, und wurde dieser Teufel, der den Jüngling besaß, beschworen, auszufahren; da redete der Teufel aus dem Junker heraus: Ausfahren will ich wohl, aber ich muß erst wissen, wo ich darauf hineinfahren soll. Wollt Ihr mir nicht vergönnen, in die Schnabelschuhe zu fahren? Ich vermeine, es sei für zehntausend Teufel Platz in selbigen, und da man dem Teufel so viel in die Schuhe schiebt, kann er sich auch einmal selbst in die Schuhe schieben. – Das wurde dem Teufel vergönnt, und er fuhr in die Schnabelschuhe. Als das nun ruchbar wurde im Lande Preußen, da wollte kein Mensch mehr solche Schuhe tragen, und die Mode kam in Abnahme und hörte zuletzt ganz auf. Wo aber hernachmals dieser Teufel hingefahren ist, als es keine Schnabelschuhe mehr gab, davon ist keine gewisse Kunde aufbehalten, er müßte denn in das Kreuztor zu Königsberg gefahren sein, das am Ende der Burgfreiheit stand, da wo der Roßgarten anfängt; nebenan zur Rechten im Winkel stand ein altes Klostergebäu zum heiligen Kreuz, und das Tor war stets verschlossen. Als aber hernachmals die Mönche vertrieben wurden, fuhr der Teufel in das Tor und machte, daß es immer offen stand, wie sorgsam man es auch verschlossen halten wollte. Endlich ist es im Jahre 1705 ganz abgebrochen worden.

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