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Italienische Novellen. Dritter Band
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Giovanni Crocebianca

Ottavio und Florida

Partenope, eine der Hauptstädte Italiens, erfreut sich eines Himmels, der, weil er sich immerdar gnädig zeigt, die Stadt nie durch Übermaß quält, weder in Kälte des Winters, noch in Hitze des Sommers. Freundlich öffnet sie ihren Busen dem Tyrrhenischen Meere, welches nicht undankbar ihr Vorteile bietet und sie mit Freuden bereichert. Auf den Fluren ihres Gebietes feiert zu jeder Zeit die Milde und hält das Entzücken seinen Triumph, in der Art, daß Himmel, Meer und Erde untereinander zu wetteifern scheinen, diese unvergleichliche Stadt für jeden zum Gegenstand der Verwunderung zu machen. Sie ist bewohnt von sehr umgänglichen Leuten, die aber schlau und abgefeimt in listigen Erfindungen sind. Sie ernährt eine zahlreiche Klasse von Rittern, wobei unter den ersten der edle Ottavio Franchi genannt ward, ausgezeichnet durch Reichtum und glänzend durch Tapferkeit und Schönheit. Er ward, als der einzige Sohn, in all der Zärtlichkeit aufgezogen, welche die Gemüter für die Lüste geneigt macht. Er hatte daher kaum das fünfzehnte Jahr vollendet, als er sich der Tyrannei Amors unterwarf.

In der Nähe seines Hauses wohnte Florida Albinelli, eine Dame von hoher Abkunft, aber unbedeutendem Vermögen; denn ihr Vater war mehr ein Freund des Scheines als des Wesens und hatte in Eitelkeit die Reichtümer vergeudet, welche die Stütze der Titel und Würden sind. Florida, ebenso von der Natur bevorzugt wie vom Glücke benachteiligt, entwickelte solche Schönheiten, daß für sie die Beinamen »die Himmlische«, »die Göttliche« keine Übertreibungen, sondern recht eigentlich gemeinte Bezeichnungen schienen. Mit diesen Ansprüchen erwarb sie sich täglich eine so große Zahl von Verehrern, daß Penelope niemals so viele Anbeter und keine der ägyptischen Frauen so viele Liebhaber zu besitzen sich rühmte. Aber unter der ganzen Schar ihrer Diener war keiner glühender und eindringlicher als unser Ottavio. Er liebäugelte lange mit ihr als seiner Nachbarin, dann betrachtete er sie als das Paradies seiner Augen, und zuletzt erkannte er sie für eine Hölle seiner Seele, indem er sich ebenso beseligt fühlte durch ihren Anblick wie gemartert durch die Sehnsucht nach ihr. Er gab bei sich selbst seiner Liebe eine gewisse Rechtmäßigkeit durch den Anspruch der Ehe; da sich also die Sinnlichkeit nicht durch das Gewissen die Zügel kurz gehalten sah, erreichte seine Leidenschaft in kurzem einen sehr hohen Grad.

Ottavio besuchte häufiger als gewöhnlich ein Gemach, das die Aussicht über Floridas Zimmer hatte, und wo er seinen Gedanken und seinem Kummer nachhing. Nie versäumte er die Gelegenheit, wenn er sie auf dem Balkon erscheinen sah, ihr stille Zeichen seiner Neigung zu geben, und sie bemerkte es bald zu ihrer Freude, war aber listig genug, sich zu stellen, als merke sie es nicht, damit die Sittsamkeit sie nicht nötige, sich ihm abgeneigt zu zeigen. Tausendmal war er auf dem Punkte, mit ihr zu sprechen, wagte es aber nie, da ihn die jugendliche Schüchternheit zurückhielt. Endlich, nach langem inneren Kampfe, schleuderte er ihr einen Brief zu, weil unter dem Schatten der Tinte die Scham nicht errötete. Der Brief hatte einen günstigen Erfolg, da Florida ihn mit Freundlichkeit aufnahm, mit Geschmack las und mit freundlichem Lächeln, an dem Fenster sich zeigend, darauf antwortete. Das war ein Lichtstrahl, der, wie das Sankt-Elmsfeuer, Ottavios im Meere der Leidenschaft wogendes Herz tröstete; er nahm es für ein gutes Vorzeichen und fing an, in kurzem die Beruhigung seines Strebens zu hoffen. Ganz erfreut also dankte er mit frommem Sinne seiner Göttin, die ihn so liebreich tröstete, wobei ihnen die Nachbarschaft ihrer Häuser die besten Dienste leistete, um sich verständlich zu machen. Sie war schon in Ottavios Vorzüge verliebt und fühlte eine Neigung in sich, noch ehe sie sich so herzlich geliebt wußte. Sie versäumte daher den günstigen Augenblick nicht, wo sie ihm ihre Leidenschaft enthüllen konnte, weshalb bei ihrem gegenseitigen Verkehr die Neigung beider übermäßig zunahm. Die Dame gestattete Ottavios Worten freien Lauf, welche bald alle Rücksicht ablegten und ihr um so willkommener waren, je zärtlicher sie wurden. Sie gaben sich das Versprechen der Ehe zu beiderseitiger Genugtuung: Ottavio war zufrieden, weil er eine ruhmreiche Verwandtschaft erhielt, Florida, weil sie große Vorteile an Vermögen zu erhalten hoffte.

Sie baten daher gleichmäßig den Himmel um einen glücklichen Ausgang dieses Eheverlöbnisses, als Odoardo (so hieß Ottavios Vater) die Liebschaft seines Sohnes bemerkte, der, wie junge Leute meistens, mehr glühend als vorsichtig in seiner Liebe war. Er war darüber höchlich erzürnt, nicht weil ihm die Schwiegertochter mißfiel, sondern weil er die Verwandten fürchtete, die das Mädchen schon in der Wiege einem andern bestimmt hatten. Er tat übrigens nicht, als merke er den Umgang seines Sohnes, um nicht eine strenge Miene gegen ihn annehmen zu müssen, und befahl ihm, nur alles Nötige vorzubereiten, um sich zu Beendigung seiner bereits begonnenen Studien nach Bologna zu verfügen, wobei der Vater hoffte, Pallas mit ihren Künsten werde dort den Knoten lösen, den Venus in Partenope geschürzt hatte. Dieser Beschluß seines Vaters war für Ottavio ein tödlicher Schlag; der Abschied war ihm wie ein Übergang vom Leben zum Tode. Er grämte sich, seufzte, klagte, verwünschte das Geschick, die Wissenschaften und den Willen des Vaters. Er fand tausend Entschuldigungen, um den Abschied zu verzögern; aber es half ihm nichts: denn er mußte gehorchen. Florida war bei der Nachricht von der bittern Trennung bestürzt; dann über überließ sie sich den Gefühlen des Schmerzes, wie sie die leichte Erregbarkeit eines Weibes und die Torheit einer Verliebten nur immer haben kann. Gar zu gern wäre sie ihm gefolgt, hätte sie nicht gefürchtet, ihn zugrunde zu richten, indem sie sich selbst in ihrem Ruf und ihrer Ehre gefährde. Sie blieb also zurück, ganz abgestorben gleich der Sonnenblume, wenn sie am Abend sich von den Strahlen der Sonne trennen muß.

Ottavio nahm Abschied und zog kummervoll weiter, oftmals mit Tränen den Boden badend, den sein Fuß betrat. Als er in Bologna angelangt war, hatte er in dem süßen Frieden der Wissenschaften den grausamsten Krieg mit seiner Neigung zu führen; er schwur also, der Satz sei falsch, daß die Ferne die Liebesleiden heile. Seine eigenen Gedanken wurden seine Henker und marterten ihn beständig mit der Erinnerung an das so sehr ersehnte teure Glück. Die Vorlesungen und die gelehrten Zusammenkünfte, die den Wackeren so erwünscht sind, schienen ihm, der vom Schmerz bedrückt mit seinem Gemüt in Todesnöten lag, Leichengesänge, und die Universität kam ihm in der Tat vor wie das Grab des Lebens. Der Nektar der Weisheit sättigte ihn nicht, da an Zügellosigkeit leidende Seelen bei der Aneignung von allem Guten zu leiden pflegen. Er blieb also in Bologna, besuchte den Unterricht nur zum Schein, hörte aber in der Tat die Lehrer so wenig wie eine Schlange und zog Nutzen von ihnen wie ein Klotz. Er war Student nur dem Namen nach, unter den Fleißigen ohne Eifer, bei den Übungen müßig und so verzweifelt, daß er gerade da das Leben verlor, wo sich andere die Unsterblichkeit erwerben, bei dem Ruhm der Wissenschaften.

Bei all diesem Kummer ward Ottavio endlich durch das Glück getröstet, das die in einen Goldregen verwandelte Freigebigkeit seines Vaters ihm mittels einiger Kaufleute in den Schoß fallen ließ. Reich mit Geld versehen, flog er nun nach Partenope, um Florida zu besuchen, die süße Ursache seiner bittern Qualen. Er kam unbekannt an, und ohne beim Vater abzusteigen, veranstaltete er, daß sie seine Ankunft gewahr wurde, und im freundlichen Dunkel der Nacht begab er sich an ein Fensterchen ihres Hauses, um ihr dort seine Verehrung darzubringen. Es ist überflüssig zu erzählen, welche Worte der Höflichkeit sie wechselten und wie viele Tränen sie aus Rührung vergossen, da jeder weiß, welche Regungen ein unvorhergesehener Zufall in zwei einander zärtlich liebenden Herzen weckt, die lange vom Verlangen, sich wiederzusehen, geplagt worden sind. Aber diese Freuden dauerten nur wenige Nächte; denn Ottavio wollte das Glück nicht allzusehr auf die Probe stellen, da er schon erfahren hatte, daß Fortunas Rad sich schnell umdreht im Glücke, langsam im Unglück. Er entfernte sich also und nahm wegen der neuen Trennung neue Schmerzen mit. Kaum war er in Bologna angelangt und hatte für das Notwendige gesorgt, daß der Handel nicht entdeckt würde, so begab er sich von neuem auf den Weg nach Partenope. So lebte er ein ganzes Jahr lang immer abwechselnd unter Reisen und Ausruhen, Freude und Qual.

Kaum war das Jahr zu Ende, so verfiel Ottavio, während er in Bologna war, in ein Fieber, das zwar nicht gefährlich, aber von langer Dauer war und ihm großen Kummer im Herzen bereitete, da es ihn in seinen Reisen störte. Unterdessen brachte Horatio, Floridas Vater, ihre Vermählung in Richtigkeit mit Don Fernando, Markgrafen von Tuedos, der ihr schon zugedacht war, als sie noch in den Windeln lag. Es war ein Aragoner, er stammte von herzoglichem Geblüte, besaß wenig Vermögen, aber um so mehr Verwandte und Ansprüche die Fülle. Man vermutete bei ihm größere Reichtümer als er besaß, hielt ihn für wackerer als er war, und für liebenswürdiger als er schien. Er hatte eine untersetzte Statur, stolze Haltung, dunkle Hautfarbe und war so hinkend, daß die schöne Florida dem Fernando geben so viel war, als von neuem eine Venus einem Vulkan überlassen. Dies war der Bräutigam, den Horatio ausfand, nicht um seine Tochter zu versorgen, sondern um sich Vorschub zu verschaffen am kastilischen Hofe. Verwünschter Eigennutz, du verkehrter, grausamer Dämon, der die Menschen zwingt, dir selbst die eigenen Kinder zu opfern!

Als Florida den Abschluß der Ehe erfuhr, betrübte sie sich; dennoch zeigte sie sich gegen den Vater zufrieden, und wenn sie Schmerzenstränen vergoß, so konnte man sie für Tränen der Freude nehmen. Den Tag darauf meldete sie sich krank und bat, jede öffentliche oder häusliche Feier wegen ihrer Vermählung bis zu ihrer Wiederherstellung zu verschieben. Unterdessen fertigte sie an Ottavio einen Brief ab, der folgende Gedanken enthielt: »Mein Herr, der Wille meines Vaters nötigt mich, Euch mein Wort zu brechen, meinem Genius Gewalt zu tun, nicht mehr Euch anzugehören. Er hat mich dem Markgrafen Don Fernando versprochen, einem Ritter, dem ich einen Königsthron wünsche, um mich Euch getreuer zu erweisen, indem ich Euch zuliebe eine königliche Partie ausschlage. Ich fürchte, der Zorn des Vaters wird an mir zum Mörder, sobald er unsere Liebeshändel entdeckt. Darum kommt, Herr Ottavio, aber kommt schnell, um Eure Florida zu besuchen, welche geneigt ist, mit Euch zu leben oder für Euch zu sterben. Kommt und hört meine kläglichen Nänien statt der Epithalamien und seht, wie ich froh in das Grab steige, wenn das Schicksal mir nicht erlaubt, in Euer Bett zu gelangen! Erinnert Euch zuweilen, mein Gebieter, wenn ich Euch nicht mehr sehen sollte, Eurer Schwüre und unserer wechselseitigen Neigung und seid versichert, daß bis zum Tode, wenn es dahin kommt, Euch treu bleibt Eure Florida.«

Dieser Brief war ein Zauber, der Ottavio aus der Unterwelt, geschweige aus dem Federbette, aufgejagt hätte. Er fühlte sich plötzlich von seiner Krankheit befreit, und sobald er den Brief gelesen hatte, stand er auf, Heß sich ein Pferd satteln und machte sich auf den Weg nach Partenope, geführt von der Wut und begleitet von der Verzweiflung. Manchmal wünschte er in seinem wütenden Herzen sich lebendig, nur um sich an seinem Nebenbuhler zu rächen; dann wieder bat er mit verzweifelter Stimme den Himmel, ihn mit dem Blitze zu treffen, um nicht Florida als Opfer des Todes oder als Gemahlin Fernandos zu sehen. Aber das Geschick, das ebenso die Toren und die Verzweifelten zu bewachen pflegt, führte auch den Unglücklichen glücklich nach Partenope. Er kam in das Haus seines Vaters Odoardo, und ehe er vom Pferde stieg, sah er die schöne Florida am Fenster und grüßte sie mit einer mit Zorn vermischten Freude, da er nicht wußte, ob er seiner eigenen oder einer fremden Braut seine Achtung bezeige. Das Geschick wollte, daß er das Haus leer fand: sein Vater war kaum zuvor in häuslichen Geschäften ausgegangen; er konnte daher leicht von dem gewohnten Zimmer aus mit seiner Teuern sprechen, die ihm sogleich Zeichen unaussprechlicher Freude gab. Nachdem die ersten Begrüßungen vorüber waren, bestätigte sie ihm die große Gefahr ihres Lebens, ihre noch größere Treue und ihre allergrößte Neigung zu ihm.

»Wenn Ihr wüßtet, Herr Ottavio«, fügte sie hinzu, »wie gern ich für Euch in den Tod gehe, so würdet Ihr mir vielleicht, ohne daß ich Euch schwöre, glauben, daß ich kein Verdienst bei Euch anspreche. Wenn aber Eure Höflichkeit mit Rücksicht auf sich selbst mir über Euch einige Gewalt einräumt, so will ich diese doch nur zu der Bitte an Euch ausdehnen, daß Ihr niemals, wenn mir ein trauriger Zufall begegnen sollte, dem Schmerz Raum gebet, Euch zu bedrücken; denn wofern überhaupt den Toten Kunde vergönnt ist von den Schicksalen der Lebenden, so glaubt mir, daß Eure Qualen immer meine Hölle sein werden.«

Ottavio schmolz vor Wonne über so tiefempfundene Zuneigung; an der Beantwortung dieser Reden wurde er aber durch die Ankunft seines Vaters verhindert, weshalb er Abschied nahm, um ihm entgegenzueilen. Odoardo umarmte seinen Sohn mit einer Zärtlichkeit, die man nur eine väterliche zu nennen braucht, um ihr hohes Maß zu bezeichnen. Er freute sich doppelt, weil er seinen Sohn vom Fieber hergestellt sah und weil er ihn völlig geheilt glaubte von der Krankheit der Liebe, so daß er sich für den Glücklichsten unter den Lebenden hielt. Als er endlich müde, wenn auch nicht satt war, ihn zu küssen und ihn nach seiner Gesundheit und seiner Reise zu fragen, erzählte er ihm verschiedene Neuigkeiten aus der Stadt und sagte ihm auch unter anderem, er komme gerade recht, um die Festlichkeiten mitzumachen, die für Floridas Vermählung vorbereitet werden.

»Fürwahr, mein Herr«, antwortete Ottavio, »in Horatios Hause wird man vielleicht eine Leiche statt einer Hochzeit sehen können.«

Hiernach entdeckte er ihm die ganze Geschichte seiner Liebe, den Entschluß Floridas und seinen eigenen festen Willen, sie zu gewinnen, koste es auch Leben und Ehre. Der Vater war ganz betroffen über diese unerwartete Erzählung und den tollkühnen Vorsatz; dann aber brach er in heftigen Zorn aus, ging heftig, mit den Füßen stampfend, durch das Zimmer und rang die Hände.

»Geduld«, sagte er, »o Schicksal! Ich selbst habe, indem ich einen Sohn zeugte, dir das Werkzeug in die Hand gegeben, mich zu töten und zu bekümmern.«

Nach diesen Worten zog er sich in ein anderes Gemach zurück und Heß Ottavio in großer Verwirrung allein. War Odoardos Bestürzung groß, so war an jenem Abend noch viel größer Horazios Wut: denn Florida hatte durch Ottavios Nähe sich ein Herz gefaßt, während sie in seiner Abwesenheit ganz mutlos gewesen war, und ihrem Vater keck ihr zartes Vergehen gestanden. Was aber das väterliche Gemüt am meisten in Raserei brachte, das war Floridas fester Vorsatz, Fernando nicht zum Gemahl anzunehmen. Horatio hätte sie im Augenblicke durchstochen, hätte er nicht geglaubt, ihr damit noch einen Gefallen zu tun, während sie ihn mit künstlichen Tränen bat, sie lieber dem Tode als dem Spanier in die Hände zu liefern. Nach vielen Schelt- und Drohworten fiel es ihm ein, sie wie ein Kind zu schlagen; doch kam ihm wieder das Mittel zu gemein vor für einen so verzweifelten Fall, so daß er um so mehr vor Grimm zitterte, je weniger er Mittel fand, ihn zu besänftigen. Er brachte die ganze Nacht damit hin, auf Rache zu sinnen, denn Rache ist die echte Tochter der Wut und die unrechte Genugtuung einer edeln Seele.

An dem Tage, der dieser stürmischen Nacht folgte, sperrte er Florida in ein Nonnenkloster, wo auch Bellasia, ihre Schwester, lebte, um seinerzeit den Schleier zu nehmen und dem Berufe sich zu widmen, zu dem sie der Geiz und die Grausamkeit des Vaters bestimmt hatte. Sobald Ottavio die Nachricht von dieser Gefangenschaft vernahm, konnte er die Tränen nicht zurückhalten noch dem Schmerze widerstehen. Es half weder der Rat der Freunde noch die Bitten der Verwandten etwas, um ihn zu trösten, so daß sein unglücklicher Vater die feste Überzeugung gewann, er werde das Heil seines Sohnes an der Klippe der Verzweiflung Schiffbruch leiden sehen. Er verfehlte aber auch nicht ihm zuzusprechen, daß er von dieser Leidenschaft ablasse, mit Warnungen, welche lauter Salz für die Klugheit waren; aber er bemerkte bald, daß er Salz gesät hatte, denn er erntete keine Frucht. Fernando dagegen erglühte bei diesem Vorfall von Zorn, schwur Rache an Ottavio, drohte Verheerungen, prahlte mit Keckheit und begehrte Zweikämpfe. Auf diese Weise aber verpuffte die Wut, die sich in Taten hätte äußern sollen, in Worten, dem Himmel gleich, der manchmal um so heftiger donnert, je weniger er zu blitzen beabsichtigt.

Horazio hatte sich in der Tat die Hoffnungen seiner Vorteile mit dem Bande dieser Ehe befestigt, und als er mit Auflösung desselben jene entweichen sah, gedachte er sich zu rächen, indem er sich einen Meuchelmörder suchte, der Ottavio ermordete. Eine besonnenere Überlegung hielt ihn jedoch zurück und brachte ihn darauf, Verstellung anzuwenden, das gewöhnliche Netz, womit Feinde ohne Geräusch beseitigt werden. Er schützte also das Bedürfnis einer Luftveränderung vor wegen einer ihn häufig befallenden Unpäßlichkeit und verließ Partenope, jede Verhandlung vorläufig abbrechend. Unterdessen beschloß Odoardo, um nicht seinen Sohn zu verlieren, der schon in die tiefste Schwermut versunken war, mit ihm zugrunde zu gehen, indem er ihm versprach, alles anzuwenden, um ihm die Erreichung seiner Wünsche zu sichern. Bei diesen Versprechungen atmete Ottavio wieder auf von seinem Kummer; er hatte sich bald mit Bewaffneten versehen zu seinem Gefolge und begann durch die Stadt zu streifen. Der Zufall führte ihm Fernando in den Weg, der sich aber gar nicht rührte, sei es, weil der brave Ritter die Schwüre vergessen, sich zu rächen, oder weil er sich besann, daß Schwüre, Böses zu tun, nichts gelten. Da also Ottavio sich ohne Kampf als Sieger sah, setzte er jede Besorgnis beiseite und fing an, Floridas Kloster zu besuchen, angeblich von Frömmigkeit getrieben: es war aber ein Götzendienst, nicht Gottesfurcht die Ursache. Er hielt sich täglich daselbst auf, um die schöne Gefangene zu sehen; aber bewacht von ihren Obern, erschien sie nie, so daß der Arme gerne seine Menschheit mit der Natur des Luchses vertauscht hätte, um sich die Augen zu verschaffen, deren Blick die Mauern durchdränge, die sein liebstes Gut verschlossen hielten. Endlich, nachdem er viel versucht und noch mehr gewünscht hatte, fand er Zutritt zum Gespräche mit Bellasia, die, da sie in kurzem Nonne werden sollte, die Freiheit genoß, an die Fenster zu kommen, um sich von der Welt zu verabschieden. Ottavio erzählte ihr von Anfang an seine Liebesgeschichte und übertrieb seine Leiden so gewaltig, daß das Mädchen nicht umhin konnte, sich etwas gerührt zu zeigen, um nicht unmenschlich zu erscheinen. Sie hatte so aufrichtig allem Weltlichen entsagt, daß sie lieber den Tod sich hätte gefallen lassen, ehe sie zu einer der Sittsamkeit zuwiderlaufenden Tat mitgeholfen hätte. Dennoch meinte sie, wenn sie Ottavio bei seiner Liebe helfe, so sei das eben, als wenn sie der Gerechtigkeit diente, da Florida ihm zu gebühren scheine, nachdem er sie um den Preis so vieler Tränen- und Schweißperlen erkauft habe. Sie bot ihm daher ganz bescheiden ihre Dienste an und schwur ihm, daß sie Fernando ebenso als Schwager, wie Florida ihn als Mann verabscheue. Ottavio dankte ihr und stammelte in übergroßer Freude innige, aber verwirrte Worte dankbarer Verbindlichkeit und bat sie sodann, Florida einen Handkuß zu bringen; sie übernahm es sogleich und überredete ihren Geliebten, ihr künftig Briefe, Botschaften und Geschenke für ihre Schwester anzuvertrauen.

Schon war unter den Neugierigen Partenopes die Ursache der Gefangenschaft Floridas bekannt zum allgemeinen Staunen und zum Vergnügen derjenigen, welche fremde Handlungen immer schlimm auslegen und sich jedes kleinen Anlasses bedienen, um Stoff für Verleumdungen zu haben und Satiren zu verbreiten. Als aber die gemeinschaftlichen Freunde Horazios und Odoardos sahen, daß sich zwischen den beiden Häusern ein Feuer des Hasses erzeuge, das nicht ohne Blut gelöscht werden könne, dachten sie nach, wie es in der Geburt erstickt werden könne. Sie schrieben daher an Horazio, um ihn zur früheren Rückkehr in die Stadt, als er anfänglich beabsichtigte, zu bestimmen. Als er nun kam, unterhandelten sie eifrigst die Versöhnung, und Horazio war, wiewohl mit großem Widerstreben, endlich einverstanden, wenn nur Ottavio Florida dem Fernando abtreten und anstatt ihrer Bellasia zur Frau nehmen wolle. Diese Vorschläge wurden Ottavio mitgeteilt, der zwar keineswegs damit zufrieden war, aber dennoch sich einverstanden erklärte, weil er nur auf diesem Wege seine Dame aus dem Kloster befreien zu können meinte. Es wurde also der Friede geschlossen und die Hochzeit verabredet mit den falschen Versprechungen des Liebhabers, der kurz darauf nach seiner Gewohnheit im Kloster anlangte und, um Florida einen Beweis seiner nie unterbrochenen Treue zu geben, Bellasia einen Brief überreichte. Diese war schon mit seinen Zusagen in dem Friedensvertrag bekannt und hielt ihn nun für ihren Bräutigam, verweigerte also die Überlieferung und bat ihn, sie zu entschuldigen, da sie fortan ihm unter keinem andern Titel als dem seiner Gattin zu dienen beabsichtige. Ottavio seufzte und fühlte sich sehr unglücklich über diese Äußerung; aber als noch weit unglücklicher bejammerte sich Florida, als sie sich verraten glaubte und für verschmäht von ihrem angebeteten Geliebten hielt. Sie verzweifelte daher ohne Rettung; denn die Unterredung mit ihrem Grausamen war ihr fortan unmöglich, und an ihn zu schreiben war ihr von Bellasia verboten, die nunmehr ihre mißtrauische und eifersüchtige Nebenbuhlerin geworden war. Voll Niedergeschlagenheit schlich sie daher in den Klostergängen umher, über ihre verzweifelten Hoffnungen weinend und das Geschick verwünschend, das um eines Undankbaren willen sie dahin gebracht habe, ihr Leben zu begraben und so lange Zeit ihre Freiheit zu verlieren. Mehr als alles aber quälte sie fortwährend das Andenken an ihren Ottavio, den sie noch liebte, wiewohl sie ihn für einen Verräter hielt.

Fernando befand sich in Rom, als die Versöhnung zum Abschluß kam, die übrigens ganz mit seiner Beistimmung unterhandelt wurde. Während er nun also die Vollziehung der Doppelheirat abwartete, stattete Ottavio ungehindert Bellasia seine Besuche ab und bestürmte sie fortwährend mit Bitten, um sie zu bewegen, ihn wie gewöhnlich bei Florida einzuführen. Bellasia widerstand jedoch allen Versuchungen, denn der Eigennutz machte sie standhaft, so sehr sie ein Weib war. Am Ende aber, als sie sah, daß sie mit ihrer eigenen Ausdauer die des andern nicht besiegen könne, änderte sie ihren Entschluß, sie ward gefällig und brachte von neuem ihrer Schwester Grüße, Botschaften und Briefe. Die beiden Liebenden atmeten nun auf bei diesem heitern Himmel des Schicksals, der so lange dauerte, als Fernando zögerte, nach Partenope zu kommen. Sobald er aber kam, ließ Bellasia in größter Eile Ottavio rufen und sagte zu ihm, Florida sei entschlossen, ihn dem Geschicke zum Trotz zum Gatten zu nehmen, und bitte ihn, sie in derselben Nacht nicht weit vom Klostertore zu erwarten, denn sie beabsichtige heute nacht mit ihm zu entfliehen. Der Liebende war erfreut, wie sich jeder denken kann, da er nunmehr auf dem Punkte war, glücklich die Früchte langer Mühen zu ernten. Er ging hinweg und vertraute das Geheimnis einem seiner Diener, mit dem er sich in der Nacht auf den bestimmten Posten begab. Es fügte sich, daß Fernando an dem Tage, wo er in Partenope ankam, an demselben, wo Bellasia jene Weisung hatte ergehen lassen, seine Braut nicht mehr besuchen konnte, da ihn erst häusliche Geschäfte verhinderten und am Ende noch ein Vetter abhielt, der mit aller Gewalt ihn zum Essen mitnahm und bei der Mahlzeit behielt. Spät erst verabschiedete er sich von dem Verwandten, und um sich wider die unheimlichen Begegnisse der Nacht zu verwahren, dachte er an seine eigene Sicherheit durch eine zahlreiche Schar von Bewaffneten. Sein Weg führte ihn notwendigerweise am Kloster vorüber, so daß er Ottavio unbeweglich an der Tür stehen sah und ihn erkannte, ohne von ihm erkannt zu werden. Er dachte sich gleich, das Dastehen gelte einem Liebesdiebstahl, wollte die Wahrheit erforschen und stellte sich daher an die nächste Ecke auf die Lauer. Kaum hatte er dort eine Weile stillgehalten, als er die Tür öffnen hörte. Er trat einen Schritt vor und sah Ottavio, der mit der Dame daherkam. In größter Wut riß er den Degen heraus, fiel ihn an und setzte ihm so heftig zu, daß der Unglückliche sich genötigt sah, seine Beute preiszugeben, um nicht das Leben zu verlieren. Ganz zufrieden also über den Sieg, setzte Fernando seinen Weg fort, dem Schicksal höchst dankbar, das ihn so geschickt dahin brachte, sich an seinem Nebenbuhler zu rächen, indem er ihm die ihm zugesprochene Braut noch aus den Armen raubte. Als er aber in seine Wohnung kam, die Dame an der Hand haltend, die still und traurig ihm gefolgt war, so sah er beim Licht einer Fackel, daß er einem Trugbilde die Hand drückte: denn er hatte Bellasia, nicht Florida entführt. Er staunte, war bestürzt, zürnte, fragte das Kind um die Ursache, die sie bestimmt habe zu fliehen, und erhielt zur Antwort, da sie sich von Ottavio verschmäht gesehen habe gegen den Wortlaut seiner Zusagen, habe sie durch Täuschung von ihm zu erhalten gesucht, was seine starre Hartnäckigkeit ihr verweigert; daher habe sie sich für seine Geliebte Florida ausgegeben und sei mit ihm entflohen.

»Mein Fräulein«, antwortete darauf Fernando, »rächt Euch auch Ihr an Euerm Verächter dadurch, daß Ihr ihn verachtet! Und da das Schicksal Euch mir als Beute in die Hände geführt hat, so werdet zur Räuberin an mir und fesselt mich mit dem Bande der Ehe und Gattentreue!«

Bellasia dankte ihm, und ungewiß, ob Ottavio nur noch lebe, fürchtete sie ganz ohne Bräutigam zu bleiben, nahm daher das Anerbieten an und brachte noch in selbiger Nacht die Ehe zum Abschluß, wiewohl ohne die Beistimmung ihres Vaters.

Ottavio andererseits verließ den Kampf voll Schmerz, hatte aber am ganzen Leibe keine Wunde erhalten, weshalb seine Seele doppelt durchbohrt war von Eifersucht und Scham. Welche Furien ihn diese Nacht umtrieben, zeigte sein Entschluß, aus Partenope zu fliehen, um nicht mehr den Himmel ansehen zu müssen, der ihm so grausam in seiner Liebe gewesen war.

Florida hörte auch von der Entweichung ihrer Schwester und wollte närrisch werden, denn sie hielt es für unzweifelhaft, daß sie mit ihrem treubrüchigen Ottavio entflohen sei. Aus Abscheu also vor solchen Betrügereien und Verrätereien dieser Welt beschloß sie bei sich, diese zu verlassen und Nonne zu werden, und hätte sich gern in der nämlichen Nacht noch das Haar abscheren lassen, wenn dieser Akt nicht eine öffentliche Feierlichkeit erfordert hätte. Aber der neue Tag, welcher folgte, verscheuchte heiter den schwarzen Verdacht der beiden Liebenden, hemmte ihre Schmerzen und zügelte ihre Entschließungen, da sich in der Stadt das Gerücht von der Täuschung und von der Verheiratung Fernandos verbreitete. Horatio aber, dem ebensowohl damit gedient war, Fernando durch Bellasia zum Eidam zu erhalten, wie durch Florida, ließ sich durch das nächtliche Ereignis nicht irremachen, sondern fügte sich in die Notwendigkeit und bewilligte Ottavio die heißersehnte geliebte Florida. So wurden denn froh beide Ehebündnisse gefeiert, und an Ottavio zeigte das Schicksal, daß es durch unbekannte Pfade den Menschen zum Besitze des Glücks führt, das er nicht durch irdische Klugheit erreichen kann.


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