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Italienische Novellen. Dritter Band
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Pietro Fortini

Der ungeschickte Schwiegersohn

In Siena lebte vor nicht langer Zeit eine Witwe, die noch jung war und ziemlich schön aussah; sie war auch nicht von zu niedriger Herkunft. Als ihr Mann gestorben war, war sie mit einem kleinen Töchterchen zurückgeblieben. Nun war dies Mädchen in das Alter gekommen, wo sie sich andere Gesellschaft wünschte als die Mutter; da diese aber in dieser Welt kein größeres Gut kannte als ihre Tochter, wollte sie sie so gut wie möglich durchs Leben begleiten. Sie teilte daher einigen ihrer nächsten Verwandten mit, sie sollten in der Stadt herumhorchen und sich umschauen, ob sie einen jungen Mann fänden, der geeignet sei, der Ehegatte dieser ihrer Tochter zu werden. Es traf sich nun, daß unter verschiedenen, die ihr vorgestellt wurden, einer ihr gefiel, der Biagio hieß, weil er alleinstand, in guten Verhältnissen war und aus ziemlich guter Familie stammte. Und nachdem sie alle ihre Verwandten nach ihrer Meinung gefragt hatte, war sie fest bei sich entschlossen, ihre Tochter keinem anderen als diesem zu geben, um so mehr, als Biagio wünschte, eine Schwiegermutter zu finden, die ihn in ihr Haus aufnahm, und sie ihrerseits sich nicht von ihrer Tochter trennen wollte.

Nachdem sie sich so entschieden hatte, wollte sie Biagios Meinung kennenlernen. Sie schickte nach ihm und ließ ihn in ihr Haus kommen; und als er bei ihr war, begann sie: »Biagio, ich habe nach dir geschickt nur, um deine Meinung über diese unsere Angelegenheit zu hören. Du siehst, du stehst allein da, wie wir auch; du hast keinen Berater, der dir sagt, was für dich gut ist, und uns geht es ähnlich. Obwohl wir Vermögen haben, haben wir doch niemanden, der es verwaltet und unsere Geschäfte führt. Wenn du zu mir in ein näheres Verwandtschaftsverhältnis treten und meine Tochter zur Frau haben willst, dann würde es auch uns recht sein, zu dir in ein näheres Verwandtschaftsverhältnis zu treten, indem ich dir zur Mitgift gebe alles, was wir besitzen und was wir noch erwerben werden, unter der Bedingung jedoch, daß du hier in unser Haus ziehst; sonst würde ich es nicht tun, denn ich liebe meine Tochter zu sehr.«

Während die Witwe so sprach, dachte Biagio, daß sie vielleicht seine Frau werden sollte und nicht die Tochter, weil er sie nicht dort sah, und er sprach zu sich selbst: »Wenn die Tochter so ist wie die Mutter, liegt sicher kein Grund vor, sie sich entgehen zu lassen«; und wegen ihrer liebenswürdigen Versprechungen und wegen des guten Empfanges und weil er sein Herz schon von den Worten der Witwe klopfen fühlte, begann er: »Frau Lukrezia (– denn so hieß sie –), mir gefällt alles, was Euch und Eurer Tochter gefällt, und ich danke Gott, daß er mir dies Glück beschert hat. Ich will keine andere Mitgift suchen, denn ich weiß, Ihr werdet mir halten, was Ihr mir versprochen habt; so daß ich weiß, was mein ist, wird Euch gehören, und was Euer ist, wird mir gehören, und Ihr werdet, das glaube ich, für meine Angelegenheiten sorgen wie für Eure eigenen.« So gaben sie sich das Wort und verabredeten den Tag, an dem sie die Hochzeit feiern sollten.

Nachdem Biagio weggegangen war, dachte er mehr an seine Schwiegermutter als an seine Frau, und er konnte gar nicht die Zeit abwarten, da es ihm tausend Jahre zu dauern schien, bis er das Eigentum seiner Schwiegermutter und das seiner Frau besaß und alles verwaltete. Nachdem er seine Angelegenheiten geordnet hatte, konnte er, wie es die meisten jungen Leute tun, nicht abwarten, bis der Tag gekommen sei, den sie verabredet hatten; sondern er ging ins Haus seiner Schwiegermutter und ließ sogleich einen Notar kommen, um den Ehevertrag aufzusetzen. Während er diesen erwartete, hatte er keinen andern Gedanken, als den Besitz des Vermögens seiner Schwiegermutter zu erlangen.

Wie sie sich so über dies und jenes unterhielten, kam der Notar. Die Zeugen wurden gerufen, sie schlossen den Ehevertrag, und nachdem Ginevra – denn so hieß das Mädchen – gerufen worden war, gab ihr Biagio den Ring, wie es Brauch ist, und verlobte sich mit ihr; dann verabschiedeten sie den Notar und die Zeugen. Biagio blieb bei seiner Frau, und sie begannen die ersten Liebeskämpfe. Als aber die Stunde des Abendessens gekommen war, verließ Biagio sie, um zum Abendessen in sein Haus zu gehen, weil diesen Abend die Witwe nicht, wie sie gern gewollt hätte, eine Mahlzeit vorbereitet hatte. Sie verabredeten, am kommenden Morgen die Messe zusammen zu hören, und am folgenden Morgen sollte er sie heimführen, oder vielmehr sie ihn heimführen; aber viel lieber hätte Biagio die Schwiegermutter heimführen wollen, oder vielmehr von ihr heimgeführt werden wollen, so daß sie gleichmäßig an einem Joche pflügten.

Biagio dachte darüber nach, ob er auf gute Weise seine Schwiegermutter bekommen könnte. Als er am Abend zum Schlafen mit Ginevra ins Bett gegangen war, legte sich jeder von ihnen, weil es Sommer war oder weil einer von ihnen übel aus dem Munde roch oder weil sie in dieser Sache wenig erfahren waren, in sein eigenes Bett, wobei sie nicht das mindeste machten und fast kein Wörtchen redeten, und so lagen sie bis zum Morgen.

Als der Tag gekommen war, ließ die Schwiegermutter, wie es üblich ist, einige Eier kochen, die ihr nötig zu sein schienen, und schickte oder vielmehr brachte sie ihnen selbst ans Bett. Obwohl sie sie eigentlich nicht nötig hatten, weil sie ja nichts gemacht hatten, nahmen sie sie doch zu sich, und nachdem sie noch einige Zeit im Bett lagen, stand Biagio auf und ging irgendwohin zu seinen Geschäften.

Die Witwe (wie es ja nach Aussage der Frauen ihr gewöhnlicher Brauch ist, sie zu fragen, wie, auf welche Weise, wie oft und ähnliche Dinge) stellte diese Fragen an ihre Tochter. Die Einfältige, die nicht verstand, was die Mutter meinte, lachte. Da war die Mutter sehr vergnügt und sagte mit größter Sehnsucht: »Mein Herz, es ist also gut gegangen?«

»Allerdings«, erwiderte die Tochter, »ich dachte zwar, er würde mich nicht schlafen lassen, aber ich habe besser geschlafen als jemals, und er ebenfalls. Wir sind erst heute früh aufgewacht, als Ihr die Eier brachtet.«

»Ihr habt also nichts anderes gemacht als schlafen?« fragte die Mutter.

»Nein«, erwiderte die Tochter kichernd. »Was sollen wir denn gemacht haben?«

Wie die Mutter sie von neuem fragte: »Umarmte er dich nicht? Küßte er dich nicht? Sagte er nichts zu dir?« antwortete die Tochter: »Nein, nichts.«

Da legte Lukrezia, die es nicht glauben konnte, ihr die Hand auf den Mund und fand, daß sie die Wahrheit sagte; denn er war ganz trocken. Da weinte Lukrezia und sprach: »O weh, mein Töchterchen, an wen habe ich dich verheiratet! Weh mir, die ich nie im Leben mehr glücklich sein werde! Das ganze Gegenteil von dem, was ich suchte, ist mir begegnet«, und so jammerte sie und beabsichtigte, Biagio ihre Meinung zu sagen.

Als sie abends gespeist hatten, rief Lukrezia Biagio beiseite und sagte zu ihm: »Was soll das heißen, Biagio, daß du heute nacht nicht die Ehe mit deiner Ginevra vollzogen hast?«

Biagio stellte sich, als ob er nicht verstünde, was sie meinte, und sagte: »Wie macht man denn das?«

Lukrezia erwiderte: »Wie man das macht? Man umarmt sich, man springt auf sie hinauf, man beißt manchmal, und dann fragt man sie mit süßen Worten: ›Ist das schön?‹«

Biagio wurde nicht müde, seine Schwiegermutter zu betrachten, und sprach: »Ja, ich habe verstanden, laßt mich nur tun!«, zog sich aus und legte sich ins Bett. Als Ginevra gekommen war, sagte er zu ihr: »Zieh dich aus, denn ich möchte nicht, daß deine Mutter sich über mich beklagt.«

Als sie sich zu ihm gelegt hatte, begann er sie so fest zu umarmen, daß die Arme kaum atmen konnte; dann sprang er auf sie hinauf, stieß sie mit den Knien, biß sie mit solchen Küssen, daß sie Spuren zurückließen, wenn er den Mund von ihr fortnahm, und sagte zuweilen zu ihr: »Honig, Zucker, Marzipan, ist das schön, meine Seele ?«

Das Mädchen hätte gern »Nein« geantwortet, wenn ihr nicht die Mutter vorher gesagt hätte: »Halte still und laß ihn alles tun, was er will! Wenn er dich fragt: ›Ist das schön?‹ so antworte ihm: ›Ja!‹«

So vertrieb Biagio ihr mit solchem Spiel die Zeit bis zum Morgen, so daß das arme Mädchen nicht wußte, ob sie mehr ein Tier als ein Fisch war.

Als Biagio aufgestanden und aus dem Hause gegangen war, fragte die Mutter wie vorher die Tochter: »Nun, wie hat er dich heute nacht behandelt?«

»Schlecht hat er mich behandelt, Mama.«

Die Mutter dachte, weil sie noch sehr jung war, er hätte irgend etwas Häßliches gemacht, und fragte sie: »Inwiefern hat er dich schlecht behandelt?«

Worauf das Mädchen antwortete: »Er hat mich gestoßen, gebissen, gekniffen, so daß Ihr Mitleid mit mir haben werdet, wenn Ihr Euch meinen geschundenen Körper anseht. Heute nacht hat er mich überhaupt nicht schlafen lassen.«

»O ich Unglückliche«, rief da Lukrezia, »sicher brauchte er keine Unterweisung.«

Darauf fragte die Tochter: »Mama, was sagt Ihr, brauchte er nicht?«

Die Mutter erwiderte: »Die Männer haben ein gewisses Etwas zwischen den Beinen. Hast du es an ihm gesehen?«

»0 ja, Mama, ja, das hat er: etwas sehr Langes, Dickes, wie ein Bein sieht es aus. Stellt Euch aber vor, er machte nicht den mindesten Gebrauch davon.«

Man kann sich vorstellen, als die Mutter sie so reden hörte, daß ihr das Wasser im Munde zusammenlief, und bis Biagio zum Essen nach Hause kam, schien es ihr tausend Jahre zu dauern, um sich diese Phantasievorstellung aus dem Kopfe treiben und sich darüber Gewißheit verschaffen zu können.

Als Biagio nun zum Essen heimgekehrt war, hatte er kaum seinen Mantel ausgezogen, als seine Schwiegermutter nicht die Geduld hatte, ihn ablegen zu lassen, sondern ihn ins Zimmer rief und, nachdem sie ihrer Tochter gesagt hatte, sie sollte das Essen zurechtmachen, folgendermaßen zu ihm zu reden begann: »Was soll das heißen, Biagio, daß du mit deiner Ginevra nicht die Freuden genießt, die die Männer gewöhnlich mit den Frauen genießen? Ich möchte gern wissen, ob die Schuld an dir oder an ihr liegt; denn wenn es etwas sein sollte, das man gutmachen kann, sollten wir doch so schnell wie möglich das beste Heilmittel anwenden.«

Darauf gab Biagio zur Antwort: »Schwiegermutter, ich wüßte nicht, wie ich es anders machen sollte; ich habe alles getan, was Ihr mir gesagt habt, und kann sie noch immer nicht zufriedenstellen. Wenn Ihr mich andere Arten lehren könnt, lehrt sie mich, denn ich will alles gern tun.«

»Nun wohlan«, sagte die Schwiegermutter, »da ich es dich lehren soll, je früher, um so besser!«, und sie näherte sich der Bettstelle, zog die Hausschuhe aus und rief Biagio. Er, der nichts anderes wünschte, sprach zu ihr: »Hier bin ich – was soll ich tun?«

Die Witwe antwortete: »Zieh dir Schuh und Strümpfe aus und nimm deinen Bruder in die Hand!«

Er, der ihn sehr gut in Ordnung hielt, nahm ihn in die Hand und sagte: »Was soll ich damit tun?«

Die Frau erwiderte: »Warte!«, und nachdem sie die Kleider hochgehoben und, soweit sie konnte, heraufgezogen hatte, zeigte sich der höllische Schild, und sie sagte zu Biagio: »Herein mit ihm!«

Biagio dachte sich, sie hätte gesagt: »Herein in den Hosenlatz!«, und er steckte ihn wieder dahinein.

Die Frau hatte sich mittlerweile mit den Schultern und dem Kopf auf das Bett fallen lassen, um das Spiel besser fühlen als sehen zu können, und sie wartete nun darauf, daß Biagio seine Lanze an ihrem Schilde brach: »Biagio, was machst du?«

Biagio antwortete: »Ich warte.«

Da hob die Frau den Kopf, und da sie sah, daß er die Waffe wieder eingesteckt hatte, forderte sie ihn von neuem zum Kampfe auf; und um nicht länger in ihrer mißlichen Lage zu bleiben, holte sie seine Waffe selbst heraus, richtete sie direkt auf das Ziel und sagte: »Jetzt warte und rühre dich nicht, bis ich dir sage, was du zu tun hast!« – und sie legte ihren Kopf zurück, um sich besser auf die Steigbügel setzen zu können.

Jetzt sagte Biagio, der wohlgerüstet dastand, da es ihm so vorkam, als ob sie zögere und nunmehr er in Bedrängnis wäre, während er doch Lust hatte, loszustürmen: »Was soll ich jetzt tun?«

Darauf sagte die Schwiegermutter: »Nun stoße so zu, daß die Lanze gut trifft, und daß dein Sattel sich mit meinem berührt!«

Kaum hatte sie das gesagt, als Biagio so stark vorzustürmen begann, daß sie beide in einem und demselben Augenblick das Gleichgewicht verloren.

Die Witwe fragte ihn: »Hast du nun gelernt, wie man's tut?«

Er antwortete: »Ich glaube wohl.«

Man kann sich vorstellen, daß es nicht das letztemal war, daß Lukrezia den Biagio lehrte, die Ehe zu vollziehen.


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