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Italienische Novellen. Dritter Band
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Giovanni Battista Giraldi

Treulos, doch getreu

Vor nicht gar langer Zeit lebte in Pera ein Perote, namens Calisto, der eine Philotima genannte Griechin zum Weibe hatte. Wiewohl nun zwischen Peroten und Griechen von jeher wenige Übereinstimmung der Sitten stattfand, so herrschte doch zwischen Calisto und seiner Frau eine vollkommene Eintracht, und sie führten miteinander, in gegenseitiger Liebe und Treue, die friedsamste Ehe, die es geben konnte.

Da trug es sich zu, daß Philotima eines Tages zu einer Hochzeit eingeladen wurde und bei Tische einem jungen Griechen gegenüber zu sitzen kam, der so ausnehmend schön und anmutig war, daß man ihn hätte für einen dem Himmel entstiegenen Engel halten mögen. Philotima sah ihn unverwandten Auges an und konnte sich nimmermehr an seinem Anblicke sättigen, indem seine Blicke allmählich eine so energische Liebesglut in ihrem Busen entzündeten, daß sie am Ende ganz in Feuer und Flamme stand.

In ihrem Hause wieder angelangt, versah sie sich dessen, was wider ihren Willen mit ihr vorgegangen war, und schickte sich mit dem größten Ernste und Eifer an, das geschehene Übel womöglich wiedergutzumachen. Sie wendete ihr ganzes Sinnen und Trachten ihrem Gatten zu; und jedesmal, wenn ihr der Jüngling in die Gedanken kam, bildete sie sich ein, daß er Calisto sei, indem sie diesen in freiwilliger süßer Täuschung wie eine Neuvermählte mit tausend zärtlichen Liebkosungen überschüttete und also auf eine ehrbare, wiewohl vergebliche Weise ihre Leidenschaft einigermaßen durch ihn selbst zu lindern suchte. Alles, was sie inzwischen tat, um sich aus ihrer Verlegenheit zu befreien, verwickelte sie nur immer mehr darein, und da sie keinen Menschen hatte, dem sie ihren Kummer hätte klagen oder bei dem sie sich Rat und Trost hätte holen können, so empfand sie ihn um so schwerer, als sie ihn in ihr Inneres verschließen mußte. Die Arme hielt dafür, es sei das wirksamste Mittel gegen ihr Übel, dessen Urheber nicht mehr zu sehen, und erwählte damit in Wahrheit auch das beste Teil, da uns ja die Erfahrung unwiderleglich lehrt, daß man die Liebe nicht anders als durch Flucht vor ihr überwinden kann.

Nachdem sie diesen Entschluß gefaßt hatte, ging sie weder mehr aus dem Hause, noch ließ sie sich jemals wieder an Türe oder Fenster sehen, um ein für allemal den Anblick dessen zu vermeiden, für den sie sich so wunderbarerweise entzündet fühlte. Es sollte aber eben beispielsweise an ihr bewiesen werden, wie schwer man auf Erden einem schlimmen Geschicke entgehen kann. Denn ohne ihre Liebe irgend zu ahnen, schloß ihr Gatte eine enge Freundschaft mit jenem Jünglinge und begann, ihn nicht allein zum Mittags- und Abendessen mit sich nach Hause zu bringen, sondern auch überhaupt, als ob er sein Bruder gewesen wäre, jederzeit in seiner Gesellschaft zu sein. Das bedauernswerte junge Weib empfand darüber unendliches Mißvergnügen und wollte gar nicht vor dem jungen Manne erscheinen, indem sie, wie es in der Tat auch der Fall war, ihrem Gatten zu verstehen gab, daß ihr seine Gegenwart lästig falle, der sie wider seinen Willen ins Verderben stürzte. Calisto bildete sich dagegen ein, sie zeige sich dem Jünglinge nur um seiner Liebe zu ihm willen abgeneigt, und sagte deshalb zu ihr, sie täte sehr unrecht daran, ihn zu hassen, denn er verdiente in Wahrheit, von jedermann geliebt zu werden. Er verbreitete sich darauf weitläufig über dessen Tugenden und Vorzüge und schloß mit den Worten: »Philotima! Wenn du ihn einmal solltest singen und spielen hören, du würdest dafür halten müssen, er verdiene nicht, daß man ihn hasse.«

Die Frau, deren Sinn auf nichts anderes als darauf gerichtet stand, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen, fühlte sich auf das höchste geängstigt, als sie ihren Gatten so sprechen hörte, und erwiderte, um keine neue Veranlassung zu erhalten, ihn zu sehen und zu hören, daß ihr dies völlig gleichgültig sei, und daß er ihr kein größeres Vergnügen machen könne, als ihr den Jüngling nimmer wieder vor Augen zu bringen.

»Es ist wohl wahr, Philotima«, sprach Calisto, »daß die Frau die Freunde ihres Mannes in der Regel scheel ansieht. Aber über dich wundere ich mich dennoch, daß du, nachdem stets eine solche Eintracht zwischen uns obgewaltet hat, dich gegenwärtig meinen Wünschen so abgeneigt zeigst.«

»Diese Eintracht, von der du sprichst«, antwortete sie, »sollte dich im Gegenteile abhalten, mir um seinetwillen mißfällig zu werden.« Er brach hier das Gespräch mit seiner Gattin ab, nahm sich aber vor, auch fernerhin nach seinem eigenen Willen zu handeln, sie möge darüber so mißvergnügt sein, als sie wolle. Indem er nun seinen freundschaftlichen Umgang mit dem Jünglinge fortsetzte, ereignete es sich, daß dieser eben eines Tages zu ihm kam, als er mit Philotima, wie er des öfteren zu tun gewohnt war, sang und musizierte. Calisto war darüber sehr erfreut, weil er meinte, daß, wenn seine Frau ihn singen höre, sie wohl oder übel davon ablassen müsse, ihm seine Freundschaft zu dem jungen Manne zu verargen. Mit heiterem Angesichte sich demselben zuwendend, sprach er: »Ihr kommt gerade zu rechter Zeit, uns mit Eurem Tenore zu begleiten«, gab ihm eine Geige in die Hand und zeigte ihm die Noten des Liedes, das sie sangen. Sie fuhren dann alle drei fort zu singen und zu spielen, und der Jüngling trug seine Stimme so anmutig und harmonisch vor, daß er hätte Steine, geschweige denn Weiberherzen in sich verliebt machen müssen.

Philotimas Leidenschaft wurde zwar also auch ungemein gesteigert; mit ihrer Ehrbarkeit gewaffnet, leistete sie aber nichtsdestoweniger jedem unzüchtigen Verlangen in sich Widerstand. Hätte sie sich so ihrer Liebesglut entledigen können, wie sie ernstlich wünschte, der Vernunft die Oberhand zu lassen und ihre eheliche Treue rein zu erhalten, so würde sie nicht nötig gehabt haben, vor dem Anblicke und der Gesellschaft des Jünglings so ängstliche Scheu zu tragen. Inzwischen entbrannte sie von Tag zu Tag mehr, und weil ihr Gatte auf die angegebene Weise dem wilden Feuer in ihr selbst immer neue Nahrung verlieh, so wollte sie doch einmal versuchen, ob sie ihn nicht gegen den Jüngling argwöhnisch machen und ihn vielleicht also dahin bringen könne, ihn aus seinem Hause entfernt zuhalten. »Calisto«, sagte sie eines Tages zu ihm, »ich weiß nicht, wie du es geschehen lassen kannst, daß dein Freund so vertraulich und so frei in deinem Hause aus- und eingeht und allein bei mir bleibt, als ob er mein Bruder wäre? Bedenke doch, daß oft ein weit geringerer Anlaß hinreicht, demjenigen etwas zu denken und zu reden zu geben, der den Lauf der Welt mit scharfen Augen betrachtet und gemeiniglich geneigter ist, was da geschieht, zum Bösen, als zum Guten auszulegen. Ich will dir nicht nur in der Tat treu sein und bleiben, so wie ich es bin, sondern auch durchaus keinen Argwohn veranlassen, der meine Ehre beeinträchtigen könnte, und du selbst solltest es dir angelegen sein lassen, meinen guten Ruf und Namen vor jedem etwaigen schlimmen Verdachte sorgfältig zu bewahren.«

Der Ehemann erwiderte ihr, daß er sich ihrer Ehrbarkeit sehr wohl bewußt sei, die Bescheidenheit und den Wert seines Freundes aber ebenfalls nicht verkenne und eben um der einen wie der anderen willen sie mit so vollem Vertrauen bei einander lasse. »Was die öffentliche Meinung anlangt,« fügte er hinzu, »so spricht man von einer ehrenwerten Frau, wie du bist, auch nicht anders als ehrenvoll.«

»Und wenn ich eine Heilige wäre«, antwortete sie ihm, »wie man ja je zuweilen ehrbare und getreue Frauen nennt, so sage ich dir doch, Calisto, daß die Frauen es nicht besser haben, als ihr Ruf sie macht. Ich habe dir deswegen zu bedenken geben müssen, was ich dir eben gesagt habe, weil ich fürchte, daß der vertrauliche Umgang mit deinem Gefährten meinem Rufe nachteilig sein möge, und damit du mehr darauf achtest, mir auch in dem Namen die Ehre zu bewahren, die ich dir in der Tat erhalte.«

Calisto lachte über ihre Rede, und da er glaubte, daß die Abneigung, die sie von Anbeginn dem Jünglinge dargetan habe, deren Urgrund sei, so ließ er sich in seiner Handlungsweise nicht irremachen. Es boten sich nachgerade der jungen Frau tausend Gelegenheiten dar, vor Sehnsucht nicht umzukommen, und zwar ihr dergestalt zu genügen, daß außer ihr und dem Jünglinge kein Mensch etwas davon erfahren hätte. Sie zögerte aber nicht, einer wie der andern aus dem Wege zu gehen, weil es ihr schien, wie es jeder ehrliebenden Frau desgleichen scheinen sollte, daß sie schon ihre eigene Scham und Schande in sich selbst nicht wohl würde ertragen können. Wie sie nun einsah, daß sie umsonst versucht hatte, ihrem Gatten ihretwegen Besorgnisse einzuflößen, so glaubte sie, ihr Heil darin zu finden, daß sie anfing, den Jüngling scheel anzusehen und ihm Worte anzuhören zu geben, aus denen er abnehmen konnte, ihr mit seiner Gegenwart beschwerlich zu fallen. Es schien jedoch, als ob die Liebe jeden unfreundlichen Blick und jede verdrossene Gebärde dergestalt in ihr gemildert hätte, daß er sich des Mißvergnügens, das sie ihm kundgeben wollte, ganz und gar nicht versah.

Indem nun in Philotima auf solche Weise ihre Vernunft, ihr Wille und ihre Ehrbarkeit in unablässigem Kampfe mit ihrer Leidenschaft lagen, vermochte am Ende die Unglückliche diese Last nicht länger zu ertragen und erkrankte gefährlich. Calisto fühlte sich durch die Krankheit seiner Gattin ebenso aufrichtig geängstigt, wie er ihr mit Liebe zugetan war. Er ließ Ärzte herbeirufen und bot alle möglichen Mittel auf, ihre verlorene Gesundheit wiederherzustellen. Es verhinderten aber weder Ärzte noch Arzneien, daß das in ihrem Innern entbrannte Feuer immer mehr ihr Mark verzehrte. Den schlechten Erfolg ihrer Heilmittel zuletzt erkennend, erklärten die Ärzte, daß die Kranke schwermütig und der Aufheiterung bedürftig sei, und Calisto versuchte alsobald durch Musik und Gesang, durch Tanz und Spiel und durch alles, was ihm nur in den Sinn kommen wollte, seine geliebte Philotima zu zerstreuen. In dieser Bemühung sang er vor ihr zuweilen allein, zuweilen in Begleitung seines Freundes, und es geschah wohl auch, wenn eine Freundin Philotimas zugegen war, daß Calisto musizierte und der Jüngling mit dem jungen Frauenzimmer zu Philotimas Belustigung einen Tanz aufführte, wobei er dann so anmutige Stellungen anzunehmen und so liebliche Bewegungen auszuführen wußte, daß jedermann die Ausbildung seines Körpers wie ein Wunder anstaunte. Freilich versenkte Calisto also durch das, was er zum Troste und zur Heilung seiner Gattin ausersonnen hatte, die Arme nur in desto tiefere Traurigkeit und bereitete ihr, anstatt der Genesung, nur den Tod zu, den ihr Übel ihr von Stunde zu Stunde näher brachte.

In dieser Zwischenzeit hin und her seine Not erwägend, fiel der Ehemann plötzlich auf den Gedanken, hinter dem Widerwillen, den sie dem Jünglinge kundgegeben und ihm selbst gegen ihn mitzuteilen gestrebt habe, könne wohl gar viel eher eine heftige Leidenschaft zu demselben verborgen gewesen sein, die sie durch Entfernung des Gegenstandes aus ihren Augen habe ersticken wollen, und der sie nunmehr als ein Opfer ihrer ehelichen Treue erliege. Infolge dieses Bedenkens zog er vor, seine Gattin am Leben zu erhalten, indem er seinem Freunde im verborgenen seine ehelichen Rechte abtrete, als sie sonst sterben zu sehen, und so begann er eines Tages, über dies und jenes mit ihr zu sprechen, und ließ endlich unvermerkt und absichtlich das Gespräch auf den Jüngling fallen. Er rühmte und pries dessen Schönheit, die ganz gewiß jedes Weib reizen müsse, fügte dazu, wie verzeihlich es nach seiner Meinung einer jeden sei, die nach ihm Verlangen trage, und sprach endlich aus: wenn er ein Weib wäre und ein solcher Mann sich jemals seinen Augen darböte, so würde er nicht eher ruhen, als bis er sich des Genusses seiner Liebe erfreute. In diesem Sinne redete er auch noch weiter und suchte Philotima durchaus dahin zu bringen, ein Wort über den Jüngling zu äußern, woraus er ihr Gefühl für ihn erkennen möchte.

Mit kluger Vorsicht antwortend, sagte sie zu ihm: »Es könnte sehr wohl geschehen, Calisto, daß dieser Jüngling die Liebe eines Weibes fesselte; denn ich halte dafür, daß es nicht in unserer Willkür steht, ihren Flammen zu entfliehen oder sie durch keusche, frostige Gedanken in uns zu löschen. Wenn aber ein solches Weib etwa schon einem Gatten vermählt wäre und die Achtung vor ihrer Ehre hätte, die sie notwendigerweise haben müßte, wenn sie für achtungswert gelten wollte, so würde sie weit lieber wie ein braves Weib sterben, als ihre Ehre durch Verrat an ihrer ehelichen Treue beflecken und beschimpfen. Was mich betrifft, so weiß ich wenigstens für gewiß, daß ich so handeln würde, wofern mein Mißgeschick es mit sich gebracht hätte, mich für jenes Jünglings Schönheit, die du eine so seltene nennst, in Liebe zu entzünden.«

Calisto sagte darauf: »Ich liebe dich so sehr, Philotima, daß ich beklagen würde, geboren zu sein, wenn du jemals daran dächtest, sterben zu wollen, um etwa deine Liebe zu einem Jünglinge, dessen Reize dein Verlangen erregt hätten, mit deinem Tode zu büßen.«

»Und ich würde es bejammern, zu leben«, fiel sie ihm in das Wort, »wofern eine törichte Sehnsucht mich jemals zu dem Gedanken verleiten könnte, durch einen Treubruch an dir meine Ehre zu beeinträchtigen: denn in meinen Augen ist ein Leben voll Schande nichts als Tod, ein ehrenwerter Tod hingegen für den Eingang in das ewige Leben anzusehen.«

Calisto wollte nach dieser Verständigung den letzten Versuch wagen, sie am Leben zu erhalten, und redete sie also an: »Philotima, ich weiß es, um von nun an unverhohlen mit dir zu sprechen, daß du diesen Jüngling liebst, und daß dich diese Liebe allmählich nur um deswillen zu einem schlimmen Ausgange führt, weil du mir deine Treue und dir deine Ehrbarkeit erhalten willst. Den unzweideutigsten Beweis dieser Wahrheit finde ich darin, daß ich sehen muß, wie es leider so weit mit dir kommen konnte. Da du denn aber keinen Vorschub hast benutzen wollen, den ich, schon lange Zeit im Geheimnisse deiner Leidenschaft, derselben gern zu deiner Heilung geleistet hätte, und da du dich im Gegenteile von der Sehnsucht immer mehr verzehren läßt, so fordere ich dich hiermit auf, gleichwie du mir deine Ehrbarkeit zur Genüge bewiesen hast, mir nunmehr auch die Liebe darzutun, von der ich dich immer zu mir durchdrungen glaubte. Du kannst dies auf keine bestimmtere Weise tun, als indem du dich am Leben zu erhalten suchst, und wie ich denn wohl weiß, daß dir dies nicht ohne den Genuß deiner Liebe gelingen wird, so bitte ich dich, ihr zu leben, weil ich dich mir lieber dadurch erhalten, als dich sterben sehen will. Tröste und stärke dich, wenn die äußerste Hinfälligkeit, in der du dich befindest, dich für den Augenblick diesen Genuß nicht wünschen läßt, damit du dich ihm nach deiner völligen Genesung überlassen kannst! Und wofern ich also, Philotima, dir mein Mitleiden zu erkennen gebe, so sei auch du, ich bitte dich, nicht grausam gegen dich, oder trage wenigstens, wo nicht mit dir selbst, so doch mit deinem Calisto Erbarmen, den du gewiß nicht infolge deiner Beharrlichkeit auf deinem Entschlüsse wirst absichtlich töten wollen, und der dir mit so großer Liebe zugetan ist, daß er dir, wenn du dich sterben ließest, alsbald folgen und dich so zur Mörderin an dir selbst wie desgleichen an ihm machen würde. Bedenke, was ohne Vater und Mutter aus unseren kleinen Kindern werden sollte, die so leicht auf Irrwege geraten könnten, und tue danach, was deine Pflicht von dir als gehorsamer Gattin und als liebevoller Mutter erheischt!«

Sowie er dies gesagt hatte, schwieg er fast weinend still, und das schon am Rande des Grabes stehende Weib antwortete: »Nachdem ich dir, Calisto, jederzeit so innig zugetan war, daß mein Herz von keinem anderen Manne als von dir wußte, bin ich allerdings, ich will dir in diesen letzten Stunden meines Lebens die Wahrheit nicht verleugnen, in so glühender Liebe zu diesem Jünglinge entbrannt, daß es nicht mehr in meinem Vermögen steht, der mich vernichtenden Allgewalt dieser Flammen mich zu entziehen. Ich hätte wohl gern gewünscht, du möchtest mich vor diesem Geständnisse, aus dem du erkennen wirst, wie gefährlich es für dich war, einen solchen Jüngling in dein Haus einzuführen, ebensowohl und zwar als so schwach gekannt haben, wie du mich jetzt kennst, weil du mich alsdann vor der schweren Versuchung würdest behütet haben, der du mich durch seinen mir alltäglich gegenwärtigen Anblick preisgabst. Da es denn nun aber, dem Willen meines widerwärtigen Schicksals zufolge, also mit nur gekommen ist, so will ich dir, Calisto, ebenso getreu sterben, als ich dir im Leben getreu war. Des Mittels, welches du mir jetzt zu meiner Rettung anbietest, kann ich mich ebensowenig bedienen, als ich mich der Gelegenheiten bedienen konnte, die du mir vordem dazu bereitet hast, wie du sagst. Denn wiewohl du mir in beiderlei Weise aufs neue die große Liebe zu erkennen gegeben hast, mit der du schon unser ganzes früheres Leben bereichertest, so bin ich doch nicht fähig, dir meine gegenseitige Liebe und meine Dankbarkeit dadurch zu betätigen, daß ich mein dem Tode einmal verfallenes Dasein mit Aufopferung meines reinen Bewußtseins und meiner Selbstachtung rettete. Nein! Ich will mich viel lieber durch meinen Tod deiner und deiner Liebe würdig machen, als durch ein verdammliches Mitleiden mit dir und unseren Kindern auch noch die Schuld der Schwäche und damit eine ewige Schande auf mich laden. Lebe du also, mein teuerster Calisto, und halte das Angedenken deiner gestorbenen Philotima wert, indem du dir in Gedanken vorstellst, wie sehr sie dich in jenem anderen Leben lieben wird, wofern es wahr ist, daß sich auch jenseit die Seelen lieben, die sich einander in diesem Leben angehörten! In unseren lieben Kindern, die ich dir eng an dein Herz lege, erhalte dir das Angedenken unserer einstigen Liebe und Zärtlichkeit!«

Das junge Weib vermochte hier nicht weiterzureden und verstummte. Wenige Tage darauf starb sie und hinterließ ihren Gatten in so schwerem Herzeleid, daß er, solange er lebte, keinen anderen Trost mehr als in der Erinnerung an die Treue und Keuschheit seiner innig geliebten Philotima finden wollte.


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