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Italienische Novellen. Dritter Band
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Ascanio de Mori

1533 – 1591

Ercole Torelli

Das Geschlecht der Torelli ist eines der ältesten und edelsten Mantuas und hat während eines langen Zeitraumes von Jahren eine Reihe außerordentlicher Männer jeder Art erzeugt.

Es ging einst auch ein Jüngling namens Ercole daraus hervor, der durch Tapferkeit und Tüchtigkeit bereits in seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre viele Stufen des Waffenhandwerks erstiegen hatte und zu großen Hoffnungen berechtigte, dessen Tugend und Freundlichkeit ihm zwar in der Stadt so große Achtung und Liebe erworben hatte, daß ihn die kampffähige Jugend bei allen Gelegenheiten zu ihrem Haupt und Führer erkor; dem es aber nichtsdestoweniger geschah, als er eines Tages mit einem vertrauten Freunde über Land ging, wo dieser mit andern Edelleuten verfeindet war und in einem zufalligen, ihrer ganzen Schar das Leben kostenden Zusammentreffen und Handgemenge mit ihnen die meisten eigenhändig tötete, daß er ob dieser Verschuldung aus seinem Vaterlande vertrieben und seines ansehnlichen väterlichen Vermögens verlustig erklärt ward.

Also flüchtig und gezwungen, sein Leben mit dem Verdienste seines Schwertes zu fristen, hatte Ercole indessen kaum das Gebiet von Mantua hinter sich, so bewarben sich viel vornehme Herren um den Vorteil und die Ehre, einen so guten und tapfern Ritter in ihrem Dienste zu haben, und auf das wärmste vor allen andern suchte ihn Giacomo Malatesta von Rimini nach, der so große Stücke auf ihn hielt, nachdem er sich ihm ergeben hatte, daß er ihn stets wie seinesgleichen behandelte.

Es gefiel Malatesta nach Verlauf einiger Zeit, um gewisser Absichten willen einen Sommer in Lugo, einem Schloß im Ferraresischen, zu sein, und er nahm Ercole, den er keinen Tag mehr von sich ließ, mit sich dahin. Wie es nun die Gewohnheit der Edelleute ist, in der schönsten Jahreszeit die Städte zu verlassen und auf ihre Güter zu ziehen, so kam auch ein Ferrarese aus der Familie der Turchi, Poro genannt, mit seiner sehr schönen und sittsamen Gemahlin nach Lugo, wo er gleichfalls angesessen war.

Weil Poro mit einem in der Nähe wohnenden Edlen, Renato mit Namen, der in Lugo Verwandte hatte, in Feindschaft lebte, so schloß er sich eng an Giacomo um dessen Gunst willen an. Aus demselben Grunde pflegte er auch vertrauten Umgang mit Ercole, der ihm noch über den Ruf von seinem großen Werte angenehm erschien, und lud ihn häufig, bald zu Spiel, bald zu Tafel, zu sich ein, gewissermaßen gegen des Jünglings Wunsch, der da bescheidener war, als es sich für einen Krieger und Hofmann vielleicht geziemen will.

Eben diese letztere große Freundschaft mißfiel über die Maßen einem seiner Schlechtigkeit wegen Magagna zubenannten Söldner Poros, dem es vorkam, er selbst stehe nicht mehr in solchem Ansehen und in solcher Gunst bei seinem Herrn, als ehe von Ercole die Rede war. Bösewichter hassen von Natur alle rechtschaffenen wackeren Männer und dulden keinen leicht neben sich. Magagna begann also, aus bloßer Tücke, Ercoles nichtsdestoweniger immer löbliches Tun und Lassen scharf zu beobachten, um womöglich einmal imstande zu sein, ihn auf diese oder auf jene Weise aus dem Wege zu räumen, und ersann einen ihm von der eifersüchtigen und leichtgläubigen Gemütsart seines Herrn an die Hand gegebenen Betrug, der zwar gegen Ercole gerichtet war, doch zu seinem eigenen und zu des unklugen Poro Verderben endete.

Magagna hatte wahrgenommen, daß Ercole, wenn er in Poros Hause war, und wenn Poro sich mit seinen Freunden beim Spiel beschäftigte, oft abseits in einem grünen Laubengange allein zu lustwandeln pflegte, um über seine Angelegenheiten nachzudenken, wie eben kluge und verständige Menschen tun. Ercole unbewußt, befand sich ein Fenster in dem Laubengange, das nach dem Zimmer der Gemahlin Poros ging. Magagna hatte ferner ausgeforscht, daß Ercole die Gewohnheit angenommen hatte, in seinen einsamen Selbstgesprächen gewisse Bewegungen mit den Händen zu machen, die dem, der sie übel auslegen wollte, scheinen konnten, andern erteilte Winke zu sein. Auf diesen Umstand gründete er den schmählichen Verrat, den er in Gedanken trug. Er ging drum eines Tages, während der gute Jüngling nach seiner gewohnten Weise sorglos auf und nieder schritt, zu seinem Herrn, der eben wie fast alle Eifersüchtigen kein großer Prophet zu nennen war, und ließ ihn mit vieler Hinterlist geheimnisvoll von weitem schauen, wie Ercole zufälligerweise eben in seinen tiefen Gedanken einige Handbewegungen machte, die auf ein Haar nach jenem Fenster gerichteten Winken glichen.

Der törichte Poro verlangte keine gültigeren Beweise und keine größere Augenscheinlichkeit. Er hielt sich für überzeugt, daß Ercole mit seiner Gattin in heimlichem Einverständnisse begriffen sei, und daß sie den schönen Jüngling nicht weniger liebe als er sie. Er versetzte sich darob in solche Wut, daß er sich gern auf Ercole losgestürzt und ihm das Schwert durch den Leib gerannt hätte. Abgesehen aber auch davon, daß er es bei der weit berühmten Tapferkeit desselben nicht für so leicht halten mochte, eine offenbare Rache zu bewerkstelligen, hielt ihn Magagna mit guten Gründen, nicht sowohl aus Menschlichkeit, als um sicherer zu gehen, zurück, machte ihn auf die Gefahren aufmerksam, die seine Ehre und sein Recht bei einem solchen Mord bedrohten, ließ ihn ferner die notwendige Achtung vor Giacomo bedenken, der also liebreich gegen Ercole gesinnt und also für ihn eingenommen sei, und forderte ihn schließlich auf, ihm allein die Sorge zu überlassen, seinen Feind in kurzem und geräuschlos zu beseitigen.

Blutdürstig und entschlossen, es nicht lange dabei bewenden zu lassen, fügte sich der verblendete Ferrarese in diese Anordnung und übertrug dem boshaften und treulosen Magagna, wie er sich dazu erboten hatte, die Sorge, Mittel und Wege auszufinden, um den vermeintlichen Ehebruch und die Unkeuschheit seines Weibes ungeschehen zu machen, unterließ aber bei seiner Rückkehr zum Spiele auf den Rat des falschen Anklägers nicht, dem wieder eintretenden Ercole ebenso freundlich wie zuvor zu begegnen und ihn wie andere Male bei sich zu behalten.

Ähnlicher Verrätereien gewohnt und erfreut über den glücklichen Anfang seines Verbrechens, überlegte Magagna, wie es auch zu einem erwünschten Ausgange zu bringen sei. Sein in der Kürze geschmiedeter Plan ward folgender: Er verabredete mit seinem unbedachten, von ihm wie ein Büffel bei der Nase herumgeführten Herrn, das Gerücht verlauten und zu Giacomos, Ercoles und einiger seiner Anhänger Ohren gelangen zu lassen, man habe sichere Kunde erspäht, jener genannte Feind Renato gedenke in der nächstfolgenden Nacht auf Poros Haus einen Angriff zu tun, riet Poro sodann, sich mit wohl in den Waffen geübten Männern, lauter Genossen Magagnas, zu versehen, die dieser vorher aus Friaul, wo er selbst zu Hause war, heimlicherweise hatte kommen lassen, und zwei arme ihm verhaßte Bergamasker Jünglinge, ebenfalls in der Stille, zu bewaffnen, die man, um zwei Fliegen mit einem Schlage zu treffen, in der anzustellenden Verwirrung niederstoßen und deren Leichen man nachher als angeblich feindliche öffentlich aufweisen möge, und er veranlaßte ihn endhch, sowohl an Giacomo die Bitte zu richten, ihm Ercole, der gewiß gern kommen werde, auf eine Nacht zum Beistande zu leihen, als auch selbst mit ungewöhnlicher Fürsorge und Obhut allerwärts im Hause beschäftigt zu tun: was der Ferrarese alles mit blinder Hingebung in Magagnas Willen verwirklichte.

Die ganze bewaffnete Schar, mit Ausnahme Ercoles und einiger andern vom Lande unter demselben Vorwande herbeigerufener Männer, die man nach dem Abendessen zu verabschieden gedachte, wurde außer dem Hause in einige unbewohnte verfallene Gebäude abseits der Straße in den Hinterhalt gelegt und Magagnas Leitung anvertraut, der da die Veranstaltung getroffen hatte, wenige Stunden vor Tagesanbruch in das Schlafgemach seines Herrn zu dringen, wohin der von ihm zu tötende Ercole unter dem Vorwande, ihn zu ehren, zur Ruhe geführt werden sollte, um nach vollzogener Schandtat unter dem allergrößten Aufruhre zu den Waffen zu rufen und die beiden Bergamasker gleichsam im Kampfe mit den vermeintlichen Feinden zu töten, die den Anschein haben sollten, nach gewähnter glücklicher Beendigung ihrer Absicht, Poro in seinem Bette zu ermorden, geflohen zu sein.

Wie nun, nach allen diesen Vorbereitungen, der gottvergessene Poro wenige Stunden vor dem verhängnisvollen Augenblicke der Ausführung mit Ercole zu Abend gegessen hatte, der als ein wahrer und getreuer Freund bereitwillig zu seiner Hilfe gekommen war und lieber sein Leben daransetzen als ihn beleidigen lassen wollte, so blieben beide noch eine lange Weile beisammen wach, indem der Ferrarese angeblich in Erwartung des Feindes stand. Tief in der Nacht kam dann endlich verabredetermaßen eine Botschaft Magagnas an, daß nichts mehr von dem Feinde zu befürchten scheine, weil er von den gegen ihn getroffenen Empfangsanstalten unterrichtet worden sei. Hierauf entließ der Eifersüchtige, scheinbar beruhigt, die Bewaffneten des Landes, welche er im Hause hatte, und sagte, zu Ercole gewendet, es möge nun wohl geraten sein, schlafen zu gehen, da Renato es bereut habe, diese Nacht ein Ruhestörer zu werden, nahm den Freund bei der Hand und führte ihn, als ob es um ihn zu ehren geschehe, in sein eigenes Schlafgemach, wo er ihn sich auskleiden ließ und sich von ihm verabschiedete. Poro war jedoch so tief in der Sehnsucht nach Rache befangen, daß er nicht nur seiner Gemahlin zu sagen vergaß, er werde diese Nacht in einem andern Zimmer ruhen, sondern daß er auch manche andre Dinge und Geschäfte, die er zu besorgen pflegte, ehe er zu Bette ging, unterließ und auf der Stelle sich zu Magagna und zu dessen Bande begab, der nicht eher losbrechen wollte, als bis er glaubte, sicher sein zu können, daß alles in festem Schlaf begraben liege, und der deswegen noch eine geraume Weile vergehen ließ.

In der Zwischenzeit hatte das schöne Weib des Ferraresers, unbekannt mit allem, was sich ereignete, lange vergeblich geharrt, daß ihr anderwärts beschäftigter und ihrer uneingedenk bleibender Mann seiner Gewohnheit gemäß ihr es sagen lassen werde, wenn er zu Bett gegangen sei. Da sie niemand deshalb zu sich kommen sah und doch auch niemand mehr im ganzen Hause sich regen hörte, so bildete sie sich ein, er möge auch schon schlafen gegangen sein und nur vergessen haben, sie davon zu benachrichtigen. Sie entkleidete sich also mit Hilfe ihrer Frauen, die sie dann entließ, und ging ohne Licht behutsam nach ihres Mannes Schlafgemache, worin der zu ermordende Ercole, nachdem er lange Zeit wach gewesen, fest eingeschlafen war.

Die schöne Frau legte sich an dessen Seite, den sie für ihren Mann hielt, in das Bett nieder und gab sich, da sie ihn schlafend fand, so viele Mühe, ihn zu erwecken, um ihn zur Rede zu stellen, weshalb er sie nicht habe rufen lassen, daß ihre Absicht ihr zuletzt gelang. Wie sie nun dem Erwachenden freundliche und bescheidene Vorwürfe über seine Vergeßlichkeit machte, und wie Ercole ihren Irrtum erkannte, wagte er ihr aus Ehrerbietung nichts zu antworten und geriet, als sie gar nicht aufhören wollte, sich gegen ihn zu beklagen, in die größte Verlegenheit. Er war zwar in den Waffen und in deren Gebrauche genugsam unerschrocken und erfahren; bei dem weiblichen Geschlechte aber schon von Natur verzagt, um wieviel mehr also nicht in einer solchen Lage wie seiner gegenwärtigen, die diese Schüchternheit auf den höchsten Grad steigen ließ und überdies die Pflicht der Beobachtung seiner Freundschaft hinzugesellte, die er um nichts in der Welt hätte beflecken mögen. Er wußte so wenig, was er zu tun oder was er zu lassen habe, daß er weder zu bleiben noch zu gehen verstand. Seine gänzliche Unkenntnis der Liebe und ihrer Freuden steigerte seine Verwirrung und Ratlosigkeit mit jedem Augenblicke. Ärgerlich über sein beharrliches Schweigen, verfolgte ihn Poros Gattin mit ihren Vorwürfen einerseits immer eifriger. Andrerseits drang sich ihm nun auch die Besorgnis, Poro selbst, den er im Hause und in seiner Nähe wähnte, möge sie hören, so drohend auf, daß er lieber mitten im Gewühl des gräßlichsten Kampfes als in dieser Not hätte sein mögen. Entschlossen, das Bett zu verlassen, erhob er sich, um fortzugehen; seine Absicht wahrnehmend, umfaßte sie aber mit beiden Armen seinen Körper und hielt ihn fest an sich gedrückt, indem sie sprach: »Du hast gewiß wieder einmal einer anderen dein Verlangen zugewendet, weil du mich verschmähst und nicht bei mir bleiben willst. Ich weiß nicht, woher dir wieder die Grillen gekommen sind.«

Der brave Mantuaner war am Ende weder leblos geschaffen noch aus Gips oder Marmor zusammengefügt. Wie er sich also mit so liebender Gewalt zurückgehalten fühlte und, bei einem dennoch wiederholten Versuche, sich der Umarmung des Weibes zu entwinden, wie es nicht anders sein konnte, mit ihrem Busen und mit andern Teilen ihres glühenden zarten Körpers in die nächste Berührung kam, so entschwand ihm zu gleicher Zeit der Wille wie die Kraft des Widerstandes, und er ergab sich, unwiderstehlich zu jeder Kühnheit hingerissen, ohne ein Wort zu sprechen oder gesprochen zu haben, dem Genusse, zu dem sie ihn in aller Keuschheit und Ehrbarkeit selbst zu veranlassen schien.

Kaum hatte sich Ercole auf diese Weise einer so gewaltigen Verlegenheit enthoben, als ihm eine weit ernstere andrer Art bereitet ward. Es hatte nämlich dem eifersüchtigen Ehemann und seinem Magagna geschienen, daß die rechte Stunde nunmehr gekommen sei. Sie drangen in das Haus hinein, dessen Tür ihre Fahrlässigkeit nicht wieder hinter sich schloß, und geradesweges auf die Kammer zu, wo sie der Meinung waren, Ercole arglos und wehrlos schlafend anzutreffen. Da sie aber in dieser allzu gewissen Voraussetzung sogar der anfänglich unter sich verabredeten Vorsicht ermangelten, bis zu vollbrachter Tat sich still und geräuschlos zu verhalten, so vernahm der keineswegs dem Schlaf ergebene Ercole den heranbrechenden Lärm, sprang, in der allerdings richtigen Voraussetzung, die Feinde auf dem Halse zu haben, mit gleichen Füßen aus dem Bette, ergriff mit der rechten Hand sein gutes Schwert, mit der linken einen runden Schild, den er vorher zufälligerweise an das Bett gelehnt hatte stehen sehen, und stellte sich, ohne weitere Zeit zu haben, sich den übrigen Körper zu wappnen, an den von Magagnas Leuten schon aufgerissenen Eingang des Zimmers zur Verteidigung.

Während er also, ein wahrer Herkules, den wütenden Angriffen der Bösewichter begegnete, die wie Drachen auf ihn losstürmten, geschah es, daß Renato von ungefähr diesen Abend, wie er häufig zu tun pflegte, in dem Hause seiner Verwandten war, um das Tun und Lassen des Ferraresers in der Nähe zu beobachten, nach dessen Blute er dürstete, weil Poro den Anlaß zu ihrem gegenseitigen Hasse dadurch gegeben hatte, daß er seinen Sohn hatte töten lassen. Es geschah ferner, daß Renato von einem seiner Aufpasser, deren er mit großen Kosten viele gegen ihn besoldete, gemeldet ward: er sei eben um Poros Haus geschlichen und habe den Eingang offen und unbewacht gesehen. Hatte nun Renato gerade eine ansehnliche Menge Leute in der Nähe seiner Person, so überlegte er zuvörderst wohl, wie es mit diesem Umstände beschaffen sein möge, glaubte aber doch annehmen zu dürfen, daß eher der Wille des Himmels und eine Fahrlässigkeit als eine List seines Gegners dabei im Spiele sei, den er immerdar, wie er es in der Tat auch war, für mächtiger und reicher als für verschlagen und vorsichtig gehalten hatte. Er faßte sich also das Herz, sein gutes Glück auf die Probe zu stellen und zu versuchen, ob und wie weit es ihm diesmal gestatten werde, seinen Feind in die Enge zu treiben, wofern die Aussage des Kundschafters auf sicherem Grund ruhte, versammelte die Seinigen wohlbewaffnet um sich herum, begab sich an ihrer Spitze ungesäumt in Poros Haus und gelangte ohne das geringste Hindernis bis dahin, wo er den Kampf anfänglich nur vernahm und alsdann bei dem Scheine der brennenden Fackeln, die er selbst mitgebracht hatte, und einiger anderen, die Magagna hatte anzünden lassen, sah. Ohne dann an etwas andres zu denken, ließ er sein Auge über das Getümmel hinrollen und suchte seinen Todfeind, den Ferraresen, auf, über den er sich, als er ihn unterschieden und erkannt hatte, mit so wild entlodertem Grolle stürzte, daß er ihn mit zwei Streichen tötete. Zu gleicher Zeit machten sich seine Begleiter mit den Genossen des Gefallenen handgemein, die sich nicht so bald mit solchem Ungestüme und so ungelegen im Rücken angegriffen sahen, als sie von Ercole abließen, um sich selbst zu verteidigen. Ercole wußte zwar in der Tat nicht, wie ihm geschehen war, und was er von dem überseltsamen Ereignis halten sollte, wonach er sich von Freunden angegriffen sah; er stürzte sich aber nichtsdestoweniger von neuem in den Kampf, griff Renato, den Mörder seines falschen Freundes, an, rächte dessen Tod, indem er ihn mit wenigen Schwerthieben zu Boden streckte, und machte sich sodann, wie ein grimmiger Löwe, mit der ganzen Länge seines Schwertes durch das Getümmel Raum.

Das Lärmen und Toben hatte eine solche Höhe erreicht, daß es auch zu Giacomos Ohren drang, der, wie schon gesagt, durch des Ferraresers erheuchelten Argwohn darauf vorbereitet, sofort mit allen seinen Leuten auf den Kampfplatz eilte und Ercole zu gelegener Zeit zu Hilfe kam. Denn eine wie große Niederlage der mutvolle, gewaltige Jüngling auch unter den Haufen seiner Feinde angerichtet hatte, so würde es ihm am Ende doch eine Unmöglichkeit geworden sein, der allzu großen Überlegenheit ihrer Menge mit dem Leben zu entgehen, weil er ohnedies schon mit Wunden bedeckt, unbewappnet, allein unter so vielen stahlbekleideten Männern stand, die da alle, Freund wie Feind, in dem alleinigen Kampfe gegen ihn sich vereinigten. Der erlittene bedeutende Blutverlust hatte ihn bei Giacomos Ankunft überdies schon dergestalt ermattet und geschwächt, daß er kaum imstande war, sich aufrecht zu erhalten.

Bei diesem seinem jammervollen Anblicke – denn die Liebe, die er zu ihm trug, ließ ihn seine Gestalt vor allen andern sehen – tobte nun Giacomo, in seinem Innersten von Schmerz und Wut empört, an der Spitze der Seinigen sturmwindschnell, wie ein gereizter Eber, unter die ihm zunächst erreichbaren und wenn auch meistenteils von dem tapfern Ercole schon schwer verwundeten, doch immer noch zahlreich genug vorhandnen Söldlinge und richtete unter ihnen ein so furchtbares Gemetzel an, daß in kurzem alles zusammen in Stücke gehauen war.

Nur der boshafte Magagna, der, sobald er gesehen hatte, daß sein Anschlag eine schlimme Wendung nahm, sich nach seinesgleichen Art feige verkroch, war als einziger seiner ganzen Schar dem entsetzlichen Blutbad mit heiler Haut entschlüpft. Nächst ihm hatten zwei von Renatos Leuten und auch die beiden Bergamasker ihr Leben auf gleiche Weise gerettet und unter ihren Betten Schutz gesucht. Alle fünf wurden nach gestilltem Aufruhr in ihren Verstecken aufgesucht und gefunden und von den Bewohnern des Ortes, die auf das Sturmläuten der nach Landesgebrauch angeschlagnen Glocken nach geschlichteter Sache herbeigeeilt waren, auf mannigfache Weisen ausgeforscht.

In das Gefängnis geworfen und in das Verhör genommen, sagten alle der Wahrheit getreu aus, was sie mit angehört und mit angesehen hatten. Der einzige Magagna versuchte zwar auf seine gewohnten Sprünge zu kommen und hätte gar zu gern seine Niederträchtigkeit bemäntelt oder verheimlicht. Er verwickelte sich aber so tief in seine eignen Reden und lud so großen Verdacht auf sich, daß er sich auf der Folter gezwungen sah, nicht nur das Böse, was er bei dieser Gelegenheit begangen hatte, sondern auch das volle Maß seiner frühern Schuld zu bekennen. Er erhielt dafür an dem Galgen den verdienten Lohn; die beiden Begleiter Renatos wurden auf die Galeeren geschickt und die Bergamasker Jünglinge verbannt.

Giacomo Malatesta ließ, nachdem er am Ende des furchtbaren Kampfes mit seinen Leuten allein in dem Hause lebendig geblieben war, den in seinem eignen wie in der Feinde Blut gebadeten Ercole zurück nach seiner Wohnung bringen, und weit und breit die geschicktesten Ärzte zu seiner Heilung entbieten, die der gnadenvolle Wille des die Unschuldigen immerdar beschützenden Gottes durch die angewendeten wirksamen Arzneien, vor allem jedoch durch die seltene Geschicklichkeit eines Wundarztes mit der Rettung seines Lebens und mit der völligen Wiederherstellung seiner Gesundheit vollendete.

Hiergegen wütete zwar die in ihrem Gemüt immerdar ehrbare und keusche Witwe Poros, Ersliia genannt, nach dem schmählichen Ende ihres Gatten und nach der Kenntnis dessen, was ihr unverschuldeter Irrtum in jener Nacht zwischen ihr und Ercole herbeigeführt hatte, nicht mit ihren eigenen Händen gegen sich, um nach einer vollbrachten eitlen und grausamen Tat eine Lucrezia gewesen zu sein; sie empfand aber wohl so großes Leidwesen darüber, als sich nur irgend sagen läßt. War auch ihr eigenes Gewissen rein und unbefleckt, so fand sie doch um des Geschehenen willen, das sie nimmermehr hatte vorausahnen können, keine Ruhe in ihrer Brust, weil sie sich gegen die stets über alles heilig gehaltene Reinheit ihrer Ehre allzu schwer versündigt zu haben und sich nicht zugestehen zu dürfen meinte, daß doch alle Schuld nur auf dem Ungeschicke und auf der Verblendung ihres sinnlosen Gatten lag. Nachdem sie zuletzt in vielen Unterredungen und Zusammenkünften mit Ercole seinen großen Wert anzuerkennen sich gedrungen fühlte, und nachdem sie reifliche und klügliebe Überlegung deshalb mit sich gepflogen hatte, ergab sie sich in die unabweisliche Notwendigkeit und willigte darein, durch die besondere Vermittlung Giacomos, der seinem Freunde und dessen Wohlfahrt mit ganzer Seele ergeben und förderlich war, Ercoles Gattin zu werden.

Ercole hatte Ersilias große Schönheit und große Ehrbarkeit vordem erkannt und fühlte sich in ihrem Besitze hochbeglückt. Sie selber brachte ihm eine Mitgift von vielen tausend Scudi ein und lebte ungleich zufriedener in ihrer zweiten Ehe mit Ercole, als in der mit ihrem ersten, rohen und eifersüchtigen Mann.

Nach nicht allzulanger Zeit bewirkte Giacomos Einfluß in Mantua die Begnadigung seines Freundes, und Ercole kehrte mit seiner geliebten Gattin in sein Vaterland und in den völligen Genuß seines väterlichen Erbes zurück, und er lebte bis an seinen Tod in ungestörtem Glück und in dauernder Zufriedenheit.


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