Verschiedene Autoren
Italienische Novellen. Dritter Band
Verschiedene Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Antonio Francesco Grazzini

Der Mützenmacher und der Zauberer

Scheggia und Pilucca waren einst, wie ihr wohl schon vernommen habt, verschmitzte und lustige Kumpane aus der guten alten Zeit und verständige Meister ihres Handwerks, der eine Goldschmied und der andere Bildhauer. Obgleich sie eher arm waren, so waren sie doch aufrichtige Feinde von Mühen und Plagen, ließen es sich so wohl als möglich sein und lebten, ohne sich um irgend etwas Sorge zu machen, fröhlich in den Tag hinein. Zufällig standen sie in freundschaftlichem Verkehr mit einem Mützenmacher Hans Simon, einem Mann von grobem Verstand, der aber recht wohlhabend war und damals seinen Laden am Eck der Pecori hatte. In einem kleinen Lagerraum desselben versammelte man sich, und zwar hauptsächlich im Winter. Scheggia und Pilucca kamen oft dorthin, um sich die Zeit zu vertreiben, manchmal nur Tricktrack oder auch Karten zu spielen, wobei man häufig neben der Unterhaltung manchen Fiasco trank. Da Scheggia ein guter Erzähler war und sehr schöne Geschichten zu erfinden wußte, so sprach er oft von Geistern und Zauberkünsten, was den Zuhörern nicht wenig Vergnügen machte und sie in Erstaunen versetzte.

Zu jener Zeit war dieser Hans Simon in eine Witwe, seine Nachbarin, verliebt, die über die Maßen schön war; doch war sie aus edlem Geschlecht, äußerst züchtig und mit Glücksgütern reichlich gesegnet, worüber er sehr mißvergnügt war, da er nicht wußte, wie er mit dieser seiner Liebe ans Ziel gelangen sollte. Weil er keinen andern Ausweg sah, dachte er, er werde nur durch Zauberkraft und nicht anders die ersehnte Frucht pflücken können. Er rief eines Tages den Scheggia, in den er großes Vertrauen hatte, erzählte und enthüllte ihm sein Begehren und verlangte dann von ihm Rat und Beistand, nachdem er ihn hatte vorher schwören lassen, Stillschweigen darüber zu bewahren. Scheggia sagte ihm, daß sich alles leicht machen ließe, aber daß man sich deswegen an Pilucca wenden müsse, der einen Freund namens Zoroaster habe, welcher die Teufel machen ließe, was er wollte und was ihm gefiel. Hans Simon antwortete, daß er mit allem einverstanden sei, und sie vereinbarten, am andern Abend wieder im Hause Hans Simons zum Nachtmahl zusammenzukommen, um zu beraten und zu beschließen, was man für diese seine Liebe tun könne.

Kaum war Scheggia sehr aufgeräumt von ihm weggegangen, so traf er den Pilucca und erzählte ihm alles der Reihe nach, und sie feierten es ausgiebig zusammen; denn sie gedachten außer dem Spaß keinen kleinen Nutzen davon zu haben. Sie ließen stehen, was sie eigentlich zu tun hatten, um sich dieser Sache zu widmen.

Am andern Abend dann, es war an Allerheiligen, fanden sie sich frühzeitig im Laden des Hans Simon ein, von dem sie bald nach Hause geführt wurden, wo er ein glänzendes Nachtmahl bestellt hatte. Nachdem man das Obst gegessen und die Frauen schlafen geschickt hatte, kamen sie auf Hans Simon und seine Liebe zu sprechen. Darum bat Scheggia den Pilucca, er möchte so freundlich sein, den Zoroaster um die Gefälligkeit zu ersuchen, mit seinen Zauberkünsten zu bewirken, daß sich Hans Simon seiner Angebeteten erfreue und sie besitze, wie er es ja schon für unzählige andere ehrbare Leute ihres Standes getan habe. Pilucca sagte, er würde sich alle Mühe geben und morgen mit der Antwort wiederkommen, wobei er sicher sei, ihm gute Nachrichten bringen zu können. Schließlich verabschiedeten sie sich von ihm, der ganz getröstet und fröhlich zurückblieb, konnte er es doch vor Sehnsucht kaum mehr aushalten, bis er mit seiner Witwe zusammenkäme.

Die zwei Kumpane machten noch verschiedene Pläne und gingen dann zu Bett. Am andern Morgen besuchten sie jenen Zoroaster, der ein Freund von ihnen war, und erzählten ihm alles, was sich angesponnen hatte. Dies gefiel ihm sehr, da er äußerst erpicht auf dergleichen Liebeshändel war. Er macht ihnen viele Vorschläge, und sie fanden zusammen viele Arten, Geld aus ihm zu ziehen und ihn zum Narren zu halten. Man kam überein, Pilucca solle ihn aufsuchen, um ihm zu sagen, der Zauberer sei bereit, ihm jede Gefälligkeit zu erweisen, und hinzuzufügen, daß er fünfundzwanzig Gulden vorausbezahlt haben wollte. Sie verließen Zoroaster, und Pilucca ging in den Laden und unterrichtete Hans Simon ausführlich über alles. Diesem erschien die Sache mit den Gulden sehr sonderbar, und besonders daß er sie vorausbezahlen sollte. Da er sich nicht entschließen konnte, antwortete er dem Pilucca, er müsse erst mit dem Scheggia zusammensein: darum sollten sie beide kommen, er erwarte sie zum Essen, wobei er sich dann entschließen würde, denn er wolle nichts ohne Scheggias Rat unternehmen. Das gefiel dem Pilucca gar wohl; er traf Scheggia, der ihn in der Kirche der heiligen Reparata erwartete, und erzählte ihm alles, worüber dieser sehr zufrieden war. Dann gingen sie ein wenig spazieren, und zur Essenszeit begaben sie sich zu Hans Simon. Als dieser sie sah, ging er ihnen entgegen, faßte sie unter und führte sie zum Essen (denn er wohnte damals in der Fiesolestraße); nachdem sie tüchtig zugegriffen hatten, sprach man geraume Weile von der Angelegenheit der Zauberei und von dem Zauberer. Hans Simon wollte jene fünfundzwanzig Gulden nicht herausrücken, insbesondere da er sie vorher bezahlen sollte; jedoch Scheggia sagte ihm, der Nekromant würde bewirken, daß seine Dame nicht mehr ohne ihn werde leben können, und erreichte, daß er einwilligte – unter der Bedingung jedoch, daß er, bevor er das Geld zahle, eine Probe seiner Kunst sehen wolle, aus der er Hoffnung schöpfen könne, sich mit seiner Geliebten vereinigt zu sehen.

»Ihr wißt wohl«, antwortete Scheggia, »daß er ein ehrbarer Mann ist und Euch etwas sehen lassen wird, worüber Ihr staunen werdet und das Euch von allem überzeugen wird. Aber, sagt mir, habt Ihr schon daran gedacht, auf welche Art und Weise Ihr Euch das erstemal mit ihr treffen wollt?«

»Noch nicht«, antwortete Hans Simon.

Da sagte Pilucca: »Es wäre gut, wenn er sie zum ersten Male so gegen Mitternacht ins Bett kommen ließe und sie Euch nackt zur Seite legte, und daß er sie dann derartig in Euch verliebt machte, daß sie keinen andern Gott mehr sieht und um Euer Tun sich so verzehre und auflöse, wie das Salz im Wasser, und er wird es dahin bringen, daß sie Euch mehr nachläuft als die Lämmer gesalznem Brote.«

»Du hast es erfaßt«, fügte Hans Simon hinzu, »man könnte es nicht besser ausdenken: genau so soll er es machen. Aber bevor ich das Geld aufzähle, will ich irgendeine Probe sehen, nicht weil ich euch und ihm nicht traue, sondern um nicht fahrlässig zu erscheinen, auch um zu zeigen, daß ich ein Mann bin und kein Schatten, und um in allen Angelegenheiten gesichert vorzugehen; darum wird mich der Zauberer nur um so höher schätzen.«

»Er kann nichts dagegen einwenden«, fuhr Scheggia fort, »so gut sprecht Ihr, und darum werden wir ihn übermorgen abend, das ist am Sonntag, in seinem Hause besuchen, wo er in der Gualfondastraße wohnt, und Ihr werdet Wunder sehen.«

Nachdem sie so noch über viele andere Dinge gesprochen hatten, kamen sie überein, sich Sonntagabend in der Kirche Santa Maria Novella einzufinden, verließen das Haus, und Hans Simon ging fröhlich in seinen Laden, während die beiden Kumpane Zoroaster aufsuchten. Das war ein Mann so zwischen sechsunddreißig und vierzig Jahren, groß und gutgewachsen, von olivenfarbner Haut, mit düsterm Antlitz und stechendem Blick und einem langen, schwarzen, zerzausten Bart, der fast bis auf die Brust ging, sehr seltsam und phantastisch. Er hatte Alchimie getrieben, er hatte sich mit dem Unsinn der Zauberkünste beschäftigt und tat es noch, er besaß Siegel, Schriftzeichen, Talismane, Amulette, Glasglocken, Destilliergläser und Öfchen verschiedener Art, um Kräuter, Erden, Metalle, Steine und Holz zu destillieren, Pergament aus der Haut ungeborner Tiere, Luchsaugen, Geifer eines tollen Hundes, Gräten vom Adlerrochen, Totenknochen, Galgenstricke, Dolche und Degen, die Menschen getötet hatten, den Schlüssel und das Messer Salomonis, Kräuter und Samen, die zu verschiedenen Mondzeiten und Sternstellungen gepflückt waren, und tausend andere Fabeln und Geschichten, um den Dummen angst zu machen. Er oblag der Astrologie, der Physiognomik, der Handlesekunst und hundert andern Possen, er glaubte sehr an die Hexen, aber vor allem war er hinter den Geistern her. Und bei alledem hatte er niemals etwas sehen oder tun können, was über die Ordnung der Natur hinausgegangen wäre, obwohl er tausend Blödsinn und Geschichten darüber erzählte und sich bemühte, sie die Leute glauben zu machen. Er hatte weder Vater noch Mutter und war ziemlich wohlhabend, und es behagte ihm die meiste Zeit allein zu Hause zu sein, da vor Furcht weder Magd noch Diener bei ihm bleiben wollten, was ihn innerlich außerordentlich erfreute; er hatte wenig Umgang, ging aus, wie es der Zufall ergab, mit verworrenem Bart, ohne sich zu kämmen, immer schmutzig und schmierig, und wurde so vom Volke für einen großen Philosophen und Nekromanten gehalten.

Scheggia und Pilucca waren seine nächsten Freunde, die auf zwei Unzen genau wußten, was er wog, und die sein Geschäft genau verstanden. Als sie ihn getroffen hatten, erzählten sie ihm, wie sie mit Hans Simon zusammengekommen waren, von den fünfundzwanzig Dukaten, die er vorauszahlen sollte, und daß er vorher eine Probe sehen wolle, um sich von dem Gelingen der Sache überzeugen zu können, und sagten ihm schließlich alles, was sie mit ihm abgemacht hatten. Nichtsdestoweniger war Zoroaster sehr schlau; nachdem sie viele Arten, ihm zuerst eine Probe zu geben und dann seine Liebesangelegenheit zu behandeln, gefunden und noch endlos darüber geredet, hatten sie sich geeinigt und festgesetzt, was sie nun veranstalten wollten. Zoroaster sagte ihnen, daß er sie Sonntagabend hier im Hause in allem vorbereitet erwarte. Sie gingen höchstvergnügt von dannen, weil sie viele Tage und Wochen auf Kosten Hans Simons würden verbringen können, und bis zum gegebenen Zeitpunkt verbrachten sie ihre Tage mit Spaziergängen und anderem Zeitvertreib.

Hans Simon sah jeden Morgen seine rundliche und frische Witwe und verzehrte sich und zerfloß wie der Schnee an der Sonne, und es schien ihm ewig zu dauern, bis er sie an sich ziehen könnte. Oft sprach er dabei mit sich selbst: »O du elende Verführerin, herzlose Ketzerin, du hast mir noch nicht ein einziges Mal gerade ins Gesicht gesehen, obgleich ich mich in dich verliebte; aber die Zeit wird kommen, in der du um mich heiße Tränen weinen wirst! Laß mich nur machen! Wenn ich mal meine Hand auf dich lege, beim Leibe des Antichrist, da wirst du besser reden können!« Häufig sah er jetzt den Scheggia, dann den Pilucca und unterließ nie, sich anzuempfehlen und sie an seine Sache zu erinnern. Schließlich kam der Sonntag; und kaum daß Hans Simon zu Mittag gegessen hatte, ging er schon nach Santa Maria Novella und hörte dort die Vesper, das Abendgebet und den Schlußgesang. Im Herausgehen traf er gerade unter der Tür die beiden Kumpane, als man schon bald daran war, das Ave zu läuten. Er bot ihnen guten Abend und sagte: »Ich begann schon unruhig zu werden, ihr seid so spät gekommen!«

»Es ist nicht spät, nein«, antwortete Pilucca, »wir haben noch eine halbe Stunde, um hinzugehen.«

So begaben sie sich mit ihm auf kleinen Umwegen zu jenem Hause, als eben die Dämmerung herabsank. Sie klopften zweimal, worauf geöffnet wurde. Oben auf der Treppe erschien Zoroaster mit einem Leuchter in der Hand und machte ihnen Licht. Sie erstiegen die Treppe, betraten den Saal und wurden von ihm mit freundlicher Miene empfangen. Man setzte sich und plauderte und sprach über Verschiedenes, doch immer über Teufel und Geister. Schließlich wandte sich Pilucca an Zoroaster und sagte: »Dieser hier ist jener schwerverliebte Mann, von dem ich Euch sprach; er ist gekommen, um eine Probe Eurer Kunst zu sehen, und wird dann tun, was wir wünschen.«

Darauf wandte sich Zoroaster mit weitaufgerissenen Augen gegen Hans Simon und mit einem so wilden Blick, daß dieser durch und durch erschauerte, und sagte zu ihnen: »Es sei, Glück auf denn! Ich bin gerüstet auszuführen, was er wünscht, euch zuliebe, und ich weiß nicht, ob andere außer euch mich dazu bringen würden, dies zu tun; aber ihr seid mir so befreundet, daß ich euch nichts, was man überhaupt machen kann, abschlagen könnte oder dürfte.« Er ließ sie in den Saal, sagte, er käme gleich wieder, und begab sich in eine Kammer, zog ein schneeweißes Hemd an, das bis zur Erde reichte, und gürtete sich mit einem roten Strick. Auf den Kopf stülpte er sich einen Helm mit einer Girlande von künstlichen Schlangen, die aber so kunstvoll gemacht waren, daß sie zu leben schienen; in die linke Hand nahm er ein Marmorgefäß und in die rechte einen Schwamm, der an ein Totenbein gebunden war. So aufgeputzt begab er sich in den Saal.

Soviel Vergnügen und Spaß nun jene an diesem Aufzug hatten, so viel Angst und Furcht hatte Hans Simon, und fast reute es ihn schon, gekommen zu sein. Zoroaster legte den Schwamm und das Gefäß auf den Boden und sagte ihnen, sie sollten keine Angst haben, was auch immer sie hören und sehen würden, und sie sollten sich ja nicht weder Gottes noch der Heiligen erinnern. Dann zog er ein kleines Buch aus dem Busen und tat so, während er leise, leise murmelte, als ob er hohe und tiefsinnige Sachen lese; er kniete nieder, küßte jetzt die Erde, betrachtete dann mehrere Male den Himmel und trieb eine Viertelstunde lang den sonderbarsten Hokuspokus. Als ihm das genug schien, öffnete er das Gefäß, das voll von roter Tinte war, tauchte den Schwamm darein und rief mit etwas erhobener Stimme: »Durch dieses Drachenblut entstehe Plutos Kreis!« Dann machte er einen großen Bogen, der zwei Drittel des Saales umschloß, kniete darin in der Mitte nieder, küßte dreimal die Erde und sprach zu ihnen, sie möchten sagen, welche Probe sie wollten.

Darauf wandte sich Pilucca an Hans Simon, der wie Espenlaub zitterte, und fragte ihn, welche Probe er am liebsten sehen möchte. Hans Simon sagte, indem er sich an Scheggia wandte, er möchte sich mit dem Pilucca ein wenig darum kümmern. Da sie ihm eine ganze Menge vorgeschlagen hatten, aber ihm nichts gefiel, weil das eine zu kurz und das andere zu lange dauerte, dieses gefährlich war und jenes gegen den Glauben verstieß, so wußte er sich nicht mehr zu helfen, als Zoroaster fast lachend zu ihm sagte: »Ich habe nachgedacht und will euch eine vergnügliche und heitere Sache sehen lassen und trotzdem nicht von geringem Wert; es besteht darin, daß ich Monaco sehe, unser aller Freund, der eben am Eck des alten Marktes steht, noch in Pantoffeln, mit Mantel und Kapuze: ihn will ich kraft und vermöge meiner Kunst unaufhaltsam in diesen Kreis hier kommen machen.« Das wurde von Scheggia und Pilucca gelobt und gefiel Hans Simon sehr, der sagte, er würde das zu gerne haben, denn der gerade sei ein lieber Freund von ihm. Dieser Monaco war ein bei der Seidenzunft eingetragener Makler; aber er beschäftigte sich mit vielen Sachen: er vermittelte Heiraten, vermietete Häuser, kuppelte zwischen Männern und Frauen und hätte, wenn nötig, auch eine kleine Gaunerei gemacht; er war ein Mann von fröhlicher Lebensart, Tänzer, Sänger und ausgezeichneter Harfenspieler, ein Kerl, der euch von Wald und Wasser reden kann, und, wie ich schon sagte, intimster Freund von Zoroaster, Scheggia und Pilucca. Von denen hatte er alles über den Fall des Hans Simon vernommen, und auf Verabredung mit ihnen war er in Zoroasters Haus gekommen, gekleidet, wie ihr gehört habt, und dazu noch mit zwei Körben Salat und einem Bund Radieschen am Arm; und während jene anklopften und hereingekommen waren, hatte er sich auf das äußere Fensterbrett gegen die Straße zu gesetzt, und wenn er da auch unbequem saß, so doch der Art, daß er nicht fallen konnte. Zoroaster hatte das Fenster so zurechtgemacht und die Klinke so gestellt, daß es aussah, als ob es verschlossen sei, es aber nicht war und sich auf den leichtesten Druck geöffnet hätte. Monaco stand also in dieser Weise bereit und sah und hörte durch ein kleines Loch, das man dazu gemacht hatte, alles, was man im Saale tat und sprach, wobei er mit größter Heiterkeit den gegebenen Augenblick erwartete.

Indes nahm Zoroaster wieder das Wort und sagte: »Jetzt ist es Zeit, daß ich euch aufkläre«, und fügte hinzu: »Unser Monaco steht neben einem Salatverkäufer, – da, er fragt ihn, um zu kaufen.« Nach einer Weile sagte er: »Er hat zwei Körbe Salat und ein Bund Radieschen genommen –, oh, oh, er hängt sie ihm an den Arm, – jetzt wechselt er ihm einen Groschen, um ihm den Rest zu geben, denn der Salat und die Radieschen kosten sechs Pfennige.«

Nachdem er dies gesagt, warf er sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte, ich weiß nicht welche Worte, stand dann wieder auf, machte zwei Purzelbäume, warf sich auf der einen Seite des Kreises in die Knie, sah scharf in das Gefäß und sagte, nachdem er dies getan: »Unser Monaco hat den Rest schon herausbekommen und geht mit dem Salat gegen die Straße der Pelzhändler, um nach Hause zu gehen. Aber in diesem Augenblick habe ich ihn von den Teufeln unsichtbar von der Erde erheben lassen – oh, da ist er schon über dem Bischofspalast! Oh, er kommt gut daher! – Jetzt ist er über dem Platz der Madonna. – Oh! Jetzt ist er über dem alten Platz von Santa Maria Novella, – eben kommt er in die Gualfondastraße, – oh, da ist er schon halb durch die Straße, – oh, jetzt ist er keine fünfzig Ellen mehr entfernt, – oh, jetzt streift er schon das Fenster! Sofort wird er im Kreise sein!«

Wie er das letzte Wort gesprochen, gab Monaco, der auf dem Posten stand, dem Fenster einen Stoß und sprang gleichsam fliegend in die Mitte des Kreises, in Pantoffeln, im Mantel, mit Kapuze und mit dem Salat und den Radieschen in der Hand. Er stieß sofort einen gellenden Schrei aus und begann zu brüllen, was die Kehle hergab. Hans Simon, als er das sah, war mit einem Schlage so von Staunen und Furcht überwältigt, daß er nahe daran war, tot umzusinken; er wollte noch reden, war aber der Worte nicht mehr mächtig, und wegen der schlotternden und ungewöhnlichen Angst rührte sich ihm der Leib auf eine Weise, daß er sich die Hosen ganz vollmachte. Scheggia sagte gleichwohl zu ihm: »Was sagt Ihr, Hans Simon, ist das nicht ein sonnenklarer Beweis dafür, daß er mit der Zauberei vermag, was er will?« Monaco schrie mit lauter Stimme: »Ach, ihr Verräter! Was soll das bedeuten? Geht man so mit anständigen Leuten um?« Und Pilucca bemühte sich, ihn zu trösten. Aber Scheggia und Zoroaster standen um Hans Simon, sahen, daß er nicht sprach und im Gesicht aschfahl geworden war, wurden sehr besorgt um ihn und nahmen ihn, da er saß, unter die Arme und begannen mit ihm im Saale auf und ab zu gehen. Doch bald kam er wieder zu sich und fand Worte und begann zitternd zu sagen: »Gehen wir weg, gehen wir weg, denn ich kann es nicht mehr erwarten, zu Hause zu sein!« Und er klapperte zitternd derart mit den Zähnen, daß man es mehrere Wochen später noch hörte. Darauf nahm ihn Scheggia an der Hand, und ohne weiter etwas zu sagen, wandte er sich der Treppe zu; aber er war noch keine zwei Schritte gegangen, als er gewahr wurde, da es bei Hans Simon immer noch durchsickerte, daß er die Hosen voll haben müsse. Darum wandte er sich um und sagte: »Hans Simon, ich würde meinen, daß Ihr Euch bekackt habt.« Da antwortete Pilucca: »Das würde selbst Cimabue sehen, der blind geboren wurde: riechst du denn nicht, wie er stinkt?«

Dazu sagte Hans Simon: »Ich wundere mich, daß mir nicht die Seele aus dem Leibe gefallen ist, um nicht zu sagen das Herz! 0 weh! Ich habe mit den Geistern verkehrt!«

»Es wäre jedoch gut, wenn Ihr Euch umkleiden ginget«, erwiderte Zoroaster, »damit Ihr mir so triefend nicht dies Haus verpestet; später können wir uns dann in aller Behaglichkeit wiedersehen.«

So ging Scheggia mit ihm weg und ließ Monaco, der sich noch immer beklagte, und bei ihm Pilucca, der so tat, als ob er ihn besänftige. Er ließ ihn zu Hause, da er ihm nicht hatte antworten wollen, sondern den ganzen Weg nur geächzt und gestöhnt hatte. Schließlich kehrte Scheggia, nachdem er für ihn geklopft und die Tür hinter ihm geschlossen hatte, in das Haus Zoroasters zu den Kumpanen zurück, die den ganzen Abend lachten; und nachdem sie dort lachend zu Nacht gegessen hatte, begab sich ein jeder nach Hause.

Sobald Hans Simon zu Hause war, begann er gleich aus dem Erdgeschoß seine Frau und die Magd zu rufen, sie sollten schnell Wasser aufs Feuer setzen, da er sich dringend waschen müsse. Seine Frau roch, wie er stank, sah sein völlig farbloses Gesicht und sagte betrübt: »Mein lieber Mann, was ist Euch Seltsames zugestoßen? Ihr seht aus, als ob Ihr aus dem Grabe kämt! Was soll das heißen?«

Worauf Hans Simon antwortete: »Bestimmte Leibschmerzen sind zusammen mit einem heftigen Durchfall so plötzlich über mich gekommen, daß ich zu sterben glaubte, und als ich nun schnell nach Hause eilte, verstärkte sich unterwegs der Schmerz, und da ich mir nicht anders helfen konnte, mußte ich es in die Hosen gehen lassen.«

Die Gattin, die eine richtige Frau war, zog sie ihm aus, und mit Hilfe der Magd wusch sie ihn sehr gründlich und brachte ihn, wie er wünschte, ins Bett, ohne daß er zu Nacht gegessen hätte; dort jammerte er die ganze Nacht, ohne ein Auge zu schließen; aber gegen Morgen wurde ihm kalt, und er bekam hohes Fieber. Scheggia erhob sich anderntags beizeiten, traf den Pilucca, und sie gingen dann gegen neun Uhr nach dem Laden Hans Simons, wo sie hörten, er fühle sich unwohl. Das tat ihnen leid, und Scheggia, der ihm näherstand, ging ihn besuchen und fand ihn wie tot im Bett; worauf er zu ihm sagte, damit die Sache nicht in Florenz bekannt würde, wolle er, daß er sich von einem Arzt behandeln ließe, und er wolle ihm einen Arzt verschaffen. »Und wen würdest du finden?« sagte Hans Simon. »Meister Samuel Ebreo«, antwortete Scheggia, – der war in jener Zeit der beste Arzt in ganz Italien. Und damit sich die Sache nicht hinzöge, machte er sich sogleich auf den Weg und fand den Arzt, mit dem er sehr befreundet war, und erzählte ihm von Anfang bis zum Schluß die ganze Krankheit Hans Simons. Er hörte sich das an, nicht ohne schallend zu lachen, und ging bald mit Scheggia, um den Kranken zu besuchen, dem er sofort acht oder zehn Unzen des gequältesten und erschrockensten Blutes abließ, das man je gesehen hat. Dann sagte er ihm: »Hans Simon, zweifle nicht! Du bist geheilt.« Und um es in wenigen Worten zu sagen, er ließ ihn ein erlesenes und gutes Leben führen und nach acht oder zehn Tagen aufstehen, mit einem Schlage vom Fieber und von der Liebe geheilt.

Um dieser Liebe willen war Scheggia ihn eines Tages besuchen gekommen, als er noch nicht aus dem Hause gegangen war; da es ihm befremdend schien, die fünfundzwanzig Dukaten zu verlieren, kam er gesprächsweise auf seine Liebe und sagte folgendes: »O Hans Simon, jetzt, da Ihr Gott sei Dank geheilt seid und die Probe gesehen habt, so daß Ihr getrost glauben könnt, daß Zoroaster Euch zu helfen vermag, jetzt fehlt nur noch das Geld, um die Sache zum Abschluß zu bringen, und wann es Euch gefällt, könnte Ihr Eure kleine Witwe nackt in den Armen halten, die bei den heiligen Evangelisten ein leckerer Bissen ist, den Ihr ungeschmälert und sorgenlos haben sollt.«

Ihm erwiderte Hans Simon kopfschüttelnd: »Kamerad, ich danke dir und auch dem Nekromanten; um dir's kurz zu sagen, ich will mich weder mit Teufeln noch mit Geistern einlassen. O weh! Ich zittere noch, wenn ich an Monaco denke, wie er da erschien, halbtot durch die Luft getragen und man sah nicht von wem. Ich schwöre dir bei meiner Seligkeit, daß alle Liebe aus meinem Leib restlos verschwunden ist, und um die Witwe kümmere ich mich nicht im geringsten mehr; ja, wenn ich an sie denke, die beinahe schuld an meinem Tode war, wird mir elend zumute. Oh, welch schreckliche Furcht hatte ich auf einmal! Die Haare stehen mir zu Berg, wenn ich nur daran denke, so daß ich darum Zoroaster absage und danke.«

Als Scheggia diese seine Worte gehört hatte, wurde er ganz, ganz klein, denn es schien ihm alles umsonst gewesen zu sein, und er sprach zu sich selbst: »Sieh, das geht nicht so glatt, wie wir dachten!« Und da er sich genasführt fühlte, antwortete er folgendermaßen: »0 weh, Hans Simon, was sagt Ihr mir da? Gebt acht, daß der Nekromant nicht in Zorn gerät! Zum Teufel, was für Einfälle habt Ihr? Ihr treibt sehr gefährliche Sachen für Euch! Ich bin sehr besorgt, wie wohl Zoroaster das von Euch aufnehmen wird: daß er sich nur nicht erzürnt und sich für gefoppt hält und Euch dann einen schlimmen Streich spielt! Schöne Sache das, unter anständigen Leuten sein Wort nicht zu halten! Wozu müßt Ihr ihn eine Probe geben lassen, wenn Ihr im Sinne habt, nicht weiter fortzufahren? Es ist so, Hans Simon, man darf ihn nicht in Wut geraten lassen; denn wenn er Euch etwa in irgendein übles Tier verwandelt, so habt Ihr Euch eine schöne Suppe eingebrockt!«

Jener war vor Furcht kreideweiß geworden und antwortete dem Scheggia: »Beim Blute aller Märtyrer werde ich beschwören, daß er mir nach dem Leben trachtet, und als erstes will ich morgen zum Rate der Acht gehen, den Fall erzählen und mich gegen jeden Angriff sicherstellen; ich weiß nicht, wer mich abhält, daß ich nicht sofort gehe.«

Sobald Scheggia die Acht erwähnen hörte, verfärbte er sich und sagte zu sich: »Da ist keine Zeit zu verlieren: sorgen wir dafür, daß der Teufel nicht herumgeht!« Er wandte sich an jenen und begann sanft folgendermaßen zu sprechen: »Jetzt, Hans Simon, geht Ihr direkt in den Abgrund, und wenn Ihr tausend Gulden damit gewönnet, möchte ich nicht, daß Zoroaster erführe, was Ihr eben gesagt habt! Oh, wißt Ihr denn nicht, daß die Behörde der Acht Macht über Menschen hat und nicht über die Dämonen? Er hat tausend Mittel, wenn ihn der Wunsch ankommen sollte, Euch Böses anzutun, was man niemals erfahren würde. Ich dachte, da er freundlich, höflich und freimütig ist, würdet Ihr ihm ein Geschenk von nicht zu großen Kosten machen: vier Paar Kapaune, acht Paar fette Tauben, zehn Fiaschi eines guten Weines, wie ihn Giugni oder Macinghi verkaufen, sechs Ziegenkäse und sechzig Spätbirnen, und daß Ihr ihm das durch zwei Träger als Geschenk überreichen lasset. Es wird ihm lieber sein, und er wird diese Eure Liebenswürdigkeit und Freigebigkeit mehr schätzen als hundert Dukaten, und Ihr werdet sehen, daß er Euch danken lassen wird, und auf solche Weise werdet Ihr ihn Euch als Freund erhalten; macht Ihr es aber anders, so ist das verlorne Liebesmüh', und Ihr schlagt Euch mit der Axt ins Bein.«

Dieser Vorschlag gefiel Hans Simon sehr, und er sagte: »Ich möchte, daß du ihm diese Sachen in meinem Auftrag überreichst und mich entschuldigst, denn du weißt alles, und empfiehl mich ihm, indem du ihm unendlichen Dank bestellst!«

»Mir ist es recht«, antwortete Scheggia, »und ich bin sicher, daß ich ihn zufriedenstellen und zu Eurem Freunde machen werde.«

»Daß er zufriedengestellt wird, ist mir sehr lieb«, antwortete Hans Simon, »aber auf seine Freundschaft lege ich keinerlei Wert.«

Nachdem sie berechnet hatten, wieviel die Sachen kosten würden, die Scheggia angegeben hatte, gab er ihm das Geld. Darum ging nun Scheggia auf den alten Markt und nahm zwei erfahrene Speisenträger und Zubereiter in Dienst, schickte einen den Wein zu kaufen und belud den andern beim Geflügelhändler, der fette, schöne Kapaune hatte und ebensolche Tauben; sobald der Träger mit dem Wein zurückgekommen war und das Obst gekauft war, ging man zum Hause Simons. Er rief ihn und ließ ihn vom Fenster aus einen Blick darauf werfen und sagte: »Ich gehe dorthin!«

»Geh«, sagte Hans Simon, »und gebe Gott, daß du etwas Gutes ausrichtest!«

So ging denn Scheggia weg und begab sich mit den Speiseträgern hinter sich zu Zoroaster, dem er lachend alles erzählte, was Hans Simon gesagt hatte. Hierüber war Zoroaster sehr vergnügt, ließ die Träger absetzen und auspacken, ordnete an, daß man rupfe und zur Abendmahlzeit alles vorbereite, und wollte nicht mehr von Hause weggehen, um auf die Köche aufzupassen, damit das Essen gut gerate. Aber Scheggia ging weg, um Pilucca und Monaco zu suchen, und als er sie schließlich gefunden hatte, erzählte er ihnen alles, womit sie sehr zufrieden waren, obgleich es ihnen sehr schmerzlich schien, die fünfundzwanzig Gulden gegen eine schäbige Mahlzeit zu tauschen. Vor allem hätte Pilucca auf keinen Fall nachgegeben, wenn er nicht von der Drohung mit den Acht gehört hätte. Schließlich vereinbarten sie, sich abends in Zoroasters Haus einzufinden, um gemeinsam kostenlos zu nachtmahlen. Scheggia verließ sie und besuchte Hans Simon, dem er von Seiten Zoroasters tausend Dank, tausend Anerbieten und tausend Angebote überbrachte. Dann kehrte er in Zoroasters Haus zurück, um aufzupassen, wie man die Braten zubereite, und sie nach seinem Geschmack braten zu lassen, denn er war den Gaumenreizen mehr ergeben als der heilige Franz den Bußübungen.

Zur verabredeten Stunde kamen dann auch Pilucca und Monaco; sie bereiteten sich gegenseitig einen festlichen Empfang, lachten viel über Hans Simons Begebenheiten und setzten sich endlich zu Tisch, wo sie von einem Diener Zoroasters und den Speisenträgern bedient wurden. Bei dem Essen, von dem ihr wißt und das gut zubereitet und hergerichtet war, ließen sie es sich Wohlsein und machten eine Zeche wie Prälaten mit jenem Wein, der funkelte. Als sie dann an den Punkt gekommen waren, wo man mehr Freude und Vergnügen an der Unterhaltung als an den Speisen hat, begann Pilucca, dem jene fünfundzwanzig Dukaten das Herz bedrückten und der nicht darüber hinwegkommen konnte, plötzlich zu sagen: »Bei Gott, diese Kapaune und Tauben sind wohlschmeckend und delikat gewesen, und ich habe, glaub' ich, nie besseren Ziegenkäse gegessen noch köstlicheren Wein getrunken.«

Worauf Zoroaster erwiderte: »Für morgen abend habe ich die Hälfte von allem aufheben lassen, so daß wir ebensogut wie heute essen können; und wenn Ihr etwas Geduld gehabt hättet, so hätte ich Euch auf jeden Fall eingeladen.«

»Davon bin ich fest überzeugt«, fuhr Pilucca fort, »und ich sagte es nicht deshalb, sondern weil Essen ohne Kosten mir immer doppelt so gut schmeckt; und darum möchte ich, daß wir eine Verwicklung herbeiführen, einen Anschlag, durch den wir Hans Simon ins Netz bekommen, um ihm jene fünfundzwanzig Gulden abzunehmen. Überlegt bei eurer Seligkeit, wie viele Nachtmähler solcher Art das wären! Ich kann euch sagen, daß ich ungemein fett davon würde.«

»Ans Werk denn!« sagte Monaco.

»Und was denkt ihr, daß man mit ihm anstellen könnte?« fragte Scheggia.

So wurden denn von Zoroaster und den andern viele Arten vorgeschlagen, Geld aus ihm herauszuziehen; darunter war eine von Pilucca erfundene, für die sie sich als aussichtsvoll und wenig gefährlich entschieden, und die ihnen dann auch glücklich gelang, wie ihr gleich hören werdet; nachdem sie schließlich verabredet, was sie zu tun hatten, verabschiedeten sie sich von Zoroaster und gingen schlafen.

Zeitig am andern Morgen begann Pilucca mit der Ausführung des gefundenen Planes, schrieb und imitierte eine Vorladung und nahm einen der Arbeiter von der Bauhütte von Santa Maria del Fiore, da wo er Meister war, mit sich; es war ein Steinmetz, der vor kurzem aus Rom gekommen war, mit einem dünnen, kurzen, schwarzen Bart, der ganz wie ein Scherge aussah. Dem gab er einen alten Degen an die Seite und sandte ihn in Hans Simons Haus, nachdem er ihm gesagt und beigebracht hatte, was er zu tun und zu sprechen habe. Dieser pochte ans Tor, betrat das Haus und ging, von der Magd geführt, ins Zimmer, wo er das Papier Hans Simon persönlich übergab. Als dieser fragte, von wem er käme, wurde ihm erwidert: »Lies, und du wirst es sehen!«

Kaum gesagt, drehte er sich ohne weiteres um und ging weg, wobei er sich mit dem Degen zu schaffen machte, damit Hans Simon ihn sehe. Dieser hörte diese schroffe Antwort, sah an jenem die Waffe und erriet sofort, daß er ein Gerichtsbote sei. Schmerzlich berührt, beschloß er aufzustehen und las so im Bett bei geöffnetem Fenster jene Vorladung, die also lautete: »Von seiten und auf Anordnung des ehrwürdigen Vikars des Erzbischofs von Florenz wird dir Hans Simon, Mützenmacher, befohlen, daß du innerhalb von drei Stunden, nachdem du gegenwärtige Vorladung gesehen, dich auf der Kanzlei des Bischofspalastes einzufinden hast bei Strafe der Exkommunikation und von hundert Goldgulden.« Als Unterschrift hatte Pilucca den Namen des Kanzlers gesetzt, den er wußte, und hatte ein halbverwischtes Siegel beigefügt, bei dem man die Prägung nicht erkennen konnte, wie wenn es in Eile gemacht worden wäre, wie es bisweilen vorkommt.

Hans Simon war voll Staunen und Sorgen und überlegte bei sich, was das wohl bedeuten könne. Inzwischen ließ er sich von der Magd seine Kleider bringen und zog sich an, entschlossen, am Morgen auf jeden Fall auszugehen, und sagte: »Sieh, ich werde wegen etwas aus dem Hause gehn! Was zum Teufel hab' ich mit dem Vikar zu tun? Ich weiß doch, daß ich nichts mit Priestern oder Mönchen oder Nonnen zu teilen habe. Ich kann das nicht verstehen!« Indem pochte Scheggia ans Tor, der auf Posten stand in der Sorge, jener könnte ausgehen, und man öffnete ihm. Er war noch kaum im Zimmer, als er fast weinend zu sagen begann: »Nun sind wir wahrhaftig schön zugrunde gerichtet! Da gibt es keinen Ausweg mehr! Oh, wir Unglücklichen! Oh, wir Elenden! Wer hätte das je gedacht ? Schließlich, wenn ich je da herauskomme, nie wieder lasse ich mich weder mit Zauberern noch mit Hexern ein! Verflucht seien die Nekromanten und die Zauberei!«

Mehrmals hatte ihn Hans Simon gebeten, er möchte ihm den Grund seines Kummers sagen, aber Scheggia fuhr in seinem Reden fort und antwortete ihm nicht. Nun, als er die Nekromanten nennen hörte, schrie er: »Scheggia, um Gottes willen, sag mir, was dir Übles begegnet ist und was dich jammern macht!«

»Eine Sache«, antwortete Scheggia sogleich, »die nicht schlimmer sein könnte für Euch als für mich.« »O weh! Was gibt es da Neues?« sagte Hans Simon und wollte ihm die Vorladung zeigen, als Scheggia sagte: »Seht Ihr hier? Das ist eine Zitierung zum Vikar!« »0 weh«, antwortete Hans Simon, »und hier ist eine andere!«

»Daraus entspringt nun«, fuhr Scheggia fort, »mein und Euer Ruin.«

»Und wieso?« fragte Hans Simon; »erzähl' mir schnell, wie sich die Sache verhält!«

Darauf begann Scheggia in sehr traurigem Ton zu sprechen: »Euer lieber Freund Monaco, der, wie Ihr wißt, von den Teufeln durch die Luft getragen wurde, hat sich nie darüber beruhigt, weil ihn die Sache über alle Maßen bedrückt. So hat er nach und nach vom Pilucca die Sache erfahren und wie Ihr und ich die Hauptursache sind, und daß alles nur gemacht wurde, damit Ihr eine Probe sähet. Darüber geriet Monaco in Zorn, und voller Wut ging er gestern abend zum Vikar, erzählte ihm die Sache, und Pilucca bestätigte und bezeugte die Wahrheit zu seinen Gunsten. Darum wollte der Vikar, da ihm die Sache übel erschien, die Vorladungen sofort ausfertigen lassen; aber da es schon spät war und der Kanzler nicht da war, verschob er es auf heute morgen. So habe ich es eben von einem Priester gehört, der beim Vikar wohnt und sehr mit mir befreundet ist. Da seht Ihr, wo wir nun sind!« »Scheint dir das nun eine so große Angelegenheit«, antwortete Hans Simon, »daß sie dir so Kummer macht und du so Furcht hast? Was haben wir denn schon gemacht?«

»Was wir gemacht haben?« versetzte Scheggia, »Ihr sollt es hören! Wir haben gegen den Glauben gehandelt, der erste Punkt, an Zauberei glauben und mit Hilfe der Teufel einer edlen und gesitteten Frau Schimpf und Schande antun; sodann haben wir den Monaco in Lebensgefahr gebracht, da er einen solchen Weg durch die Luft gekommen ist; ein andrer Punkt, daß er vor Furcht besessen würde oder der Teufel ihm in den Leib fahre: alles Dinge, die den Kopf kosten. Ihr könnt sicher sein, wenn wir vor dem Vikar erscheinen, werden wir sofort ins Gefängnis geworfen. Wenn wir die Sache bekennen, laufen wir Gefahr verbrannt zu werden; aber da der Beweis erbracht ist, können wir nicht leugnen, und das wenigste, was uns begegnen kann, ist am Pranger zu stehen oder mit einem Urteil um den Hals auf einem Esel zu reiten; und vielleicht wird unsere ganze Habe eingezogen, und wir werden lebenslänglich in ein Turmverließ gesteckt oder noch schlimmer! 0 weh! Euch scheint das wenig?« Und bei diesen letzten Worten vergoß er künstlich so viele Tränen, daß es erstaunlich war, und weinend sagte er: »0 weh, armer Scheggia, geh jetzt das Haus zu kaufen; wenn du jetzt das Geld zur Hand hättest, könntest du fliehen, so wie es der Nekromant machen wird, sobald er die Sache hört; denn ich bin sicher, daß er nicht abwarten wird, bis er drin steckt.«

Hans Simon überdachte diese Worte, sah sein Verhalten und seine Tränen und glaubte fest, daß es wahrhaftig so sei. Er bekam mehr Angst, als er jemals hatte, und sah sich schon in der Hand der Schergen, und so begann er weinend seine Liebe, die Witwe, die Zauberer und die Zauberei zu beschimpfen und zu verfluchen und sagte, zu Scheggia gewandt: »Wie werden es Pilucca und Zoroaster machen?«

»Pilucca«, antwortete Scheggia, »ist einig mit Monaco und wird sich als Angeber herausziehen. Zoroaster wird sich bei einem Zipfel nehmen und anderswohin gehen, und außerdem hat er tausend Möglichkeiten, dem Tode zu entgehen und auch uns heil herauszubringen.« »Warum gehst du nicht, um ihn zu bitten, dir zu helfen«, sagte Hans Simon, »und dich aus diesem Unheil zu retten? O weh! Mir scheint, es geht uns schlechter als zuvor.«

»Gut«, antwortete Scheggia, »ich weiß, daß man von Euch sagen kann: Ihr seid vom Regen in die Traufe gekommen. Aber mit welchem Gesicht soll ich vor ihn hintreten, nachdem ich ihn um die fünfundzwanzig Gulden geprellt habe, die gewonnen zu haben er so fest überzeugt war, nachdem er dich das Probestück sehen ließ? Und wenn er auch das Geschenk gehabt hat, so bedenkt doch, daß er sich daran erinnert, und daß sie ihm sehr am Herzen liegen müssen.«

Darauf sagte Hans Simon: »0 Gott! Wenn er uns irgendwie aus dieser Verstrickung befreit, geben wir sie ihm jetzt: Wird es möglich sein?«

»Ich gehöre nicht zu denen, die gleich verzweifeln. Möge es dir gefallen, Gott, mein Herr, daß er zufrieden ist«, antwortete Scheggia, während er die Hände zum Himmel erhob. »Sofort, sofort will ich ihn aufsuchen, – aber mit diesem Geld, damit Ihr Euer Wort nicht zurücknehmt, denn dann kämen wir in große Gefahr.«

»Nein, denkt das nicht«, versetzte jener, »o weh, dem Belieben der Priester ausgeliefert zu sein! Sie würden mich wirklich für einen Ketzer erklären und mich zum Feuertode verurteilen. Und wenn ich mein gesamtes Hab und Gut daran setzen würde, so würden sie glauben, mir eine Gefälligkeit zu erweisen. Geh denn, und möge Gott mit dir sein!«

Scheggia brach denn sofort auf, vergnügter als er je gewesen. Er entfernte sich nicht weit vom Haus, und es dauerte nicht lange, bis er zurückkam und so tat, als ob er mit dem Zauberer gesprochen habe. Er sagte zu Hans Simon, wie gerne jener bereit wäre, alles für ihn zu tun; aber er wolle zuerst das Geld, und er wisse tausend Arten, ihn zu befreien. Hans Simon tat es sehr leid, das Geld auszugeben; aber er wollte nicht vor dem Vikar erscheinen und seine Existenz aufs Spiel setzen müssen, und außer dem Schaden, der ihm daraus erwachsen konnte, peinigte ihn sehr, daß diese Geschichte sich in der Stadt verbreiten möchte. Darum sagte er, zu Scheggia gewandt: »Das Geld ist in jenem Kasten, den du da siehst, zu deiner Verfügung, um es dorthin zu tragen. Aber bevor er es in die Hände bekommt, möchte ich wissen, auf welche Art und Weise und auf welchem Wege er uns da herausziehen will, denn ich will nicht in einen noch tieferen Abgrund geraten.«

»Ihr sprecht gut und weise«, antwortete Scheggia, »ich werde laufen, um ihn aufzusuchen, und sowie er mir erzählt hat, wie er es anstellen will, um uns zu retten, komme ich sofort zu Euch mit der Antwort zurück; inzwischen legt das Geld zurecht, daß ich nicht warten muß!«

»Mach es so«, sagte Hans Simon, »gerade jetzt ist meine Frau zur Messe gegangen; und sieh zu, daß du rasch zurückkommst: denn ich kann es nicht mehr erwarten, bis ich aus dieser Sache heraus bin.«

Darum ging Scheggia sogleich weg und ging höchst vergnügt und wie im Flug zu Zoroasters Haus, fand ihn dort mit Pilucca zusammen ihn erwartend und begierig, zu hören, wie die Dinge liefen, wobei sie fürchteten, der Hase möchte entschlüpfen. Da sie aber alles von ihm gehört hatten, waren sie bis zum Bersten von Heiterkeit erfüllt. Nachdem schließlich Scheggia einen guten Schluck des guten Weines vom andern Abend getrunken und einen Bissen gegessen hatte, kehrte er fast laufend in das Haus Hans Simons zurück, den er im Zimmer traf, wo er ihn erwartete und das Geld zurechtgelegt hatte, grüßte ihn und sagte: »Die Art und Weise, die Zoroaster anwenden will, um Euch zu befreien, unter den vielen, die er hätte ins Werk setzen können, Hans Simon, ist folgende: Er sprach mit seinem dienstbaren Geist, den er in ein Glas gebannt hält, und erfuhr von ihm, daß nur Pilucca, Monaco, der Vikar und der Kanzler von der Sache wissen und niemand sonst. Obwohl der Kanzler die Vorladung ausgestellt, hat er sie doch nicht ins Buch eingetragen; denn sie pflegen das nur einzuschreiben, wenn die Leute erscheinen oder wenn die Zeit verstrichen ist, in der sie erscheinen sollten. Darum hat er vier Figuren aus grünem Wachs gemacht, eine für jeden von ihnen, und hat eben jetzt einen dienstbaren Dämon in die Hölle zum Fluß Lethe gesandt um eine Flasche jenes verzauberten Wassers. Wenn die Figuren darin dreimal gebadet und dann zerschmolzen und verbrannt werden, werden jene sofort alles über unsern Fall vergessen, noch sich jemals in ihrem Leben daran erinnern, auch wenn sie tausend Jahre lebten; ja wenn Ihr oder ich darüber sprächen, würden Pilucca und Monaco uns für Narren halten. Der Vikar und der Kanzler werden die Sache nicht weiter verfolgen, da keiner da ist, der sie erinnert noch der die Sache antriebe; und da sie es vollständig vergessen und ins Klagebuch nicht einschrieben, so wird es sein, als ob es nie gewesen sei, – und das heißt man den Vergessenheitszauber.«

Große, wunderbare Dinge schienen das dem Hans Simon zu sein; aber viel höher noch schätzte er es ein, daß Monaco durch die Luft fliegend in Zoroasters Haus gekommen war, woran er fest glaubte. So sagte er denn, Scheggias geheuchelten Worten Glauben schenkend: »Das Geld liegt dort auf der Truhe in dem Kissenüberzug; nimm es zu dir! Aber wie machen wir es, denn es sind nur zweiundzwanzig Gulden, da ich von den fünfundzwanzig, die es waren, drei um mich zu kurieren und für das Geschenk verbraucht habe?«

»In Gottes Namen«, antwortete Scheggia, »damit die Verzögerung kein Unheil bringe, denn es scheint mir sonst alles gut zu gehen, werde ich von einem mir befreundeten Bankier sie mir erbitten und sie vom Meinigen dazutun. Was zum Teufel kann man wissen? Deswegen kann man nicht stehenbleiben.«

»Du tust recht«, sagte Hans Simon, »und wenn du ihm das Geld gegeben hast und der Zauber beendet ist, komme zu mir und erzähl' es mir!«

So nahm Scheggia jenen Kissenüberzug, in dem das Geld war, alles in Gold und Silber, und ging sehr fröhlich von ihm fort, um die zwei Kumpane zu treffen, die auf ihn warteten. Diese sahen das Geld und hörten über die drei Gulden, die fehlten, das, was Scheggia gesagt hatte, und beschlossen lachend und voll Freude sich, solange sie ausreichten, damit Wohlsein zu lassen. Nachdem man abgemacht hatte, daß Pilucca zu Monaco ginge, um ihn zum Mittagessen herzubringen, wo sich alle wiedersehen sollten, kehrte Scheggia zu Hans Simon zurück und sagte zu ihm: »Alles ist in Ordnung!« und fuhr fort: »Ich borgte mir die fehlenden drei Gulden und ging flugs zu dem Zauberer und traf gerade den Teufel, der das Wasser herbeigebracht hatte; sowie er das Geld gesehen, badete er die Figuren, und dann tat er alle vier über ein Feuer, das er aus Zypressenkohlen entfacht, und augenblicklich zerschmolzen sie und verzehrten sich. Zoroaster ließ sich darauf eine große Schüssel von dem Zauberwasser bringen, sagte ich weiß nicht mehr welche Worte und verlöschte alles. Zu mir sagte er: ›Geh auf deinen Platz und fürchte weiter nichts!‹ Ich dankte ihm und ging sogleich weg. Und während ich auf Euer Haus zuging, traf ich am Pazzieck ausgerechnet den Monaco, der mir das freundlichste Gesicht der Welt machte und mich grüßte, während er vorher mit mir nicht zu sprechen pflegte, sondern mir immer ein Gesicht wie eine Stiefmutter machte.«

Wie zufrieden Hans Simon darüber war, braucht man nicht zu fragen. Er sagte zu Scheggia: »Glaubst du, wenn Zoroaster auch für mich eine Figur gemacht hätte, daß auch ich es vergessen hätte?«

»Ja, Ihr hättet es«, antwortete Scheggia, »zweifelt Ihr etwa daran?«

»Ich möchte denn«, fuhr Hans Simon fort, »daß du zu ihm zurückkehrst und es machen läßt; denn das ist eben das, was ich will: wenn ich diese Sache vergessen könnte, wäre ich der zufriedenste Mensch, der lebt.«

Worauf Scheggia folgendermaßen antwortete: »Verflucht sei diese Saumseligkeit! Ihr hättet mir das vorher sagen können! Jetzt ist es eine zu große Zumutung, den Teufel noch einmal zurückzuschicken und wiederum zu nötigen. Genügt es Euch nicht frei zu sein? Und dann will ich ihm auch nicht lästig werden, daß er mir dann sagen müßte, er wäre meiner überdrüssig; außerdem will ich das Glück nicht mehr versuchen weder mit Geistern noch Zaubereien, noch mich je wieder mit Zauberern einlassen; drum laßt mich damit in Frieden!«

»Du hast durchaus recht«, antwortete Hans Simon, »die Sache ist gut genug abgelaufen.« Und so, nachdem sie noch andere ähnliche Unterhaltungen gepflogen hatten, ließ er Scheggia in Frieden. Dieser ging in Zoroasters Haus, wo ihn die Kumpane erwarteten, und nachdem er ihnen berichtet hatte, speiste er vergnügt mit ihnen.

Anderntags, als Hans Simon ausging, traf er Monaco und Pilucca und wurde ganz sicher, daß sie alles vergessen hatten. Aber dann nach einiger Zeit wollte er sie einige Male ausforschen und etwas aus ihnen herauslocken; aber sie taten, als ob ihnen alles völlig neu und wunderlich sei, und lachten sich den Bauch voll: ließen ihn doch die vier Kumpane mit Spott und Schaden und schwelgten lange Zeit auf seine Kosten.


 << zurück weiter >>