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Erstes Kapitel. Der Verfasser stellt sich vor

Wenn ich mich heute hinsetze, um einen Bericht niederzuschreiben über die Vorgänge, die den Herren von der Polizei und von der Presse unter dem Namen des »Schwarzen Koffermords« bekannt sind, so geschieht es, weil ich mir nach reiflicher Ueberlegung sagen muß, daß hierzu niemand besser angethan ist als ich. Dies Bewußtsein erstreckt sich durchaus nicht auf den litterarischen Teil meiner Aufgabe, denn schriftstellerisches Talent habe ich nie besessen und werde mich weislich hüten, danach zu streben. Das Leben, das ich in den letzten dreißig Jahren geführt, hatte nichts gemein mit solchen Gaben, höchstens daß ich darin von allem etwas und von nichts zu viel haben mußte, und so wird es gut sein, wenn ich den Leser gleich auf der ersten Seite warne, daß er sich bei einer trockenen Aufzählung trockener Thatsachen keiner künstlerischen Schönheit zu versehen habe. Mein Buch wird kein Kunstwerk werden und maßt sich nicht an, für ein solches zu gelten; es ist die Geschichte einer bösen That, die klug vollführt und, wie manche Leute damals meinten, klug aufgedeckt worden ist.

Ich habe über mich selbst eben eine große Wahrheit gesagt: »von allem etwas und von nichts zu viel«, und jedes Ding nur für eine Weile – das war der Grundzug meines Lebens und ist ein herzlich schlechter. In ein dutzend Geldsäcke habe ich die Hand eingetaucht und sie immer wieder herausgezogen, ehe ich Zeit gehabt, den Schatz zwischen die Finger zu fassen, und manch ein gut gekleideter, glattzüngiger Schurke hat undankbarerweise vergessen, daß er es mir zu danken hat, wenn er allzu rasch aus einem wohnlichen Quartier, das er für lange hätte bewohnen können, heraus kam.

Vor etlichen zehn Jahren stand ich achtzehn Monate lang in Diensten eines »Privatnachfragebüreaus«. Wie ich dazu gekommen bin, hat nichts mit der Sache zu thun, ich habe nachher und vorher den verschiedensten andern Berufsarten angehört, damals war ich aber also ein Privatfahnder. Ich war zu jener Zeit ein angehender Vierziger und hatte unter dem Druck ungünstiger Verhältnisse dies Gewerbe ergriffen, das mir wenigstens die Möglichkeit bot, einen sehr unentbehrlichen Gegenstand, nämlich mein tägliches Brot ehrlich zu verdienen. So vielerlei Taschen die Pfennige dazu auch entstammt sein mögen, ehrlich verdient waren sie gottlob allzeit, reichten aber auch in der Regel nur für Brot im buchstäblichen Sinne des Worts und selten genug für Leckerbissen.

Die Thätigkeit eines Privatfahnders sagte mir sehr zu, und ich glaube, ich hatte Talent dafür. Um so mehr ist es zu beklagen, daß ich sie wieder aufgeben mußte, ehe ich sie zur Genüge erschöpft hatte, aber selbst während meiner kurzen Anstellung bei dem Büreau bekam ich – oder vielmehr stolperte ich über – einen großen Fall, den ich zu befriedigender Lösung bringen konnte.

Ueber diesen Fall zu berichten, drängt es mich, denn außer mir weiß niemand viel davon; er ist vor keinen Gerichtshof gelangt und ist in der Presse nur stückweise dargestellt worden, denn die einzelnen Tatsachen wurden den gierigen Berichterstattern nicht eine um die andre mitgeteilt, wie es unfehlbar geschehen wäre, wenn die Polizei die Sache in Händen gehabt hätte.

Ich werde also erzählen, was ich von dem »Schwarzen Koffermord« weiß. Seit er begangen worden ist, sind Jahre dahingegangen, und die beteiligten Personen, um derentwillen ich bisher geschwiegen habe, sind tot oder der Welt sonstwie abhanden gekommen. Ich selber bin ein kranker Mann und ein bitterlich enttäuschter, der vor der Zeit aus dem Glied treten mußte, ein Mann, dem die Welt arg mitgespielt hat, und der sich vielleicht auch selbst übel mitspielte, und es macht mir jetzt Freude, mir jene Episode zurückzurufen, macht mir Freude, von alten Zeiten und besonders von jener zu plaudern.

Noch eines – es hat mit der Geschichte nichts zu thun, möglicherweise aber mit meiner Art zu erzählen. Ich gehörte vor dreißig, vierzig Jahren – in der Schule und nachher – zu den Gebildeten; ich weiß nicht, ob davon nicht noch etwas hängen bleibt, auch wenn der Rock schäbig wird.


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