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Die Schwäger fahren außer Landes

Im Sommer, nachdem es mit ihrer Blutsbrüderschaft in die Brüche gegangen war, fuhren Thorgrim und Thorkel außer Landes auf einem stattlichen Schiffe, das hatten zwei Kaufleute aus Norwegen dem Freysgoden lassen müssen samt ihrem Leben. Sie waren vorm Jahre in Sandgemünde an der Dyriföhrde eingelaufen, etwas östlich vom Habichtstal, und hatten einen Teil ihrer Fracht, einige hundert Stämme Bauholz, dem Goden verkauft. Am andern Tage sandte Thorgrim seinen Oberknecht, die Kaufleute zu bezahlen. Der besah sich die Stämme genau und fand, es seien weniger als ausgemacht, auch fehle es an der Güte. Sie gerieten in Streit miteinander, und es endete so, daß die Norweger ihn mit ihren Äxten erschlugen. Sie setzten nun schleunig im Boot über die Föhrde, kauften sich Gäule bei einem Bauern am andern Ufer und wollten zu einem alten Bekannten im Norden fliehen, an der Schüsselbucht, die in die große Eisföhrde einmündet. Aber so weit kamen sie nicht, wie sehr sie ihre Mähren mit Peitschen und Stacheln auch trieben.

Thorgrim war in den größten Zorn geraten, als er den Totschlag erfuhr. Stracks stieg er zu Roß und jagte, ohne auf Thordis Bitten zu hören, ganz allein ihnen nach. Am zweiten Tage holte er sie ein. Sie lagen an einer Berghalde im Sonnenschein und schliefen, ganz ermattet. Er sprang aus dem Sattel und stieß den Vordern heftig mit dem Fuß an. »He, ihr Schandkerle, wehrt euch! es geht euch ans Leben!« Sie fuhren auf und stürzten mit den Äxten über ihn her, aber es dauerte nicht lange, da lagen sie beide tot vor ihm am Boden mit zerschmetterten Schädeln. Und der Gode nahm all ihre Habe, die sie in Sandgemünde zurückgelassen hatten, an sich. Auf dem Schiff dieser beiden segelte er mit seinem Schwager nach Norwegen. Der Thordis zur Stütze aber hatte er derweil seine Neffen kommen lassen, den Stein und Thorodd, Söhne seiner frühverstorbenen Schwester, die wohnten für gewöhnlich bei Börk in Heiligenberg.

Kurze Zeit darauf stachen auch Gisli und Vestein miteinander in See, und Önund aus Mittental, ein Nachbar, zog den Frauen zum Schutze nach Wang. Da saßen die drei Schwägerinnen ohne ihre Männer auf den beiden Gehöften, und man kann nicht sagen, daß das Verhältnis zwischen ihnen davon herzlicher wurde.

Thorgrim und Thorkel hatten eine gute Überfahrt und landeten im nördlichen Norwegen, in Nidaros, jetzt heißt man es Drontheim. Dort saß damals auf dem Thronsessel in der Königsburg Harald Schönhaars Enkel, Harald Graupelz, ein leutseliger Fürst. Die beiden Isländer gingen zu Hof, wurden gut aufgenommen vom König und traten binnen kurzem in sein Gefolge ein. Da hatten sie Gelegenheit genug, wie ihre Absicht war, Gold und Ruhm zu erbeuten. Weniger gut ging es Gisli und Vestein. Nahe der norwegischen Küste warf der Sturm ihr Schiff auf eine öde Schäre, sie scheiterten und konnten mit genauer Not ihr Hab und Gut auf der Felseninsel bergen. Am nächsten Tage gelang es ihnen, ein Fahrzeug herbeizuwinken, das von Norden her segelte. Da war es ein Landsmann, ein Isländer, der zu den Dänen wollte, nach Jütland, Bjalfi, der Bärtige, ein rechtlicher Gesell. Er nahm sie mit sich und verkaufte ihnen einen Anteil an seinem Schiff gegen Waren. Sie liefen in den Hafen von Veborg ein, einem ansehnlichen Städtchen. Dort blieben sie den Winter über und handelten. Die Leute im Dänenreiche waren schon seit geraumer Zeit Christen, auch die Geschäftsfreunde Bjalfis, bei denen die drei Isländer wohnten. Bjalfi und Vestein hatten sich, wie viele Nordmänner taten, vom Priester das Kreuzeszeichen über Stirne und Brust schlagen lassen, ohne darum aber den neuen Glauben anzunehmen, damit sie, in gleicher Weise ungehindert, mit Heiden sowohl wie mit Christen Handel treiben könnten. Nun redeten sie Gisli zu, er solle es ebenso machen, und der fand nicht viel einzuwenden dagegen. Manches, was er von der Lehre des Christ gehört, hatte ihm gefallen, denn auch ihm schien es wie der alten Thorgerd, Gests Mutter, daß es mit der Gerechtigkeit der Menschen nicht weit her sei; am alten Götterglauben aber war ihm doch schon manches absonderlich vorgekommen, wie es zu gehen pflegt, wenn eine neue Zeit anbricht, vertrauten doch viele schon nur noch auf ihre eigene Kraft. So ließ er denn das Zeichen des Kreuzes über sich schlagen und versprach auch, von nun an nicht mehr zu opfern.

Damit war es wieder Sommer geworden und Zeit zur Rückfahrt nach Island. Da bekam Vestein Nachricht aus England von Sigurd, dem Bruder seines Weibes Gunnhild, er solle sofort hinüberkommen, ihm zu helfen, ihr gemeinsames Gut zu bergen: es sei gefährdet. So mußte denn Gisli den Schwager allein ziehen lassen, wenn er nicht ein weiteres Jahr von daheim wegbleiben wollte. Aber bevor sie schieden, verfertigte er in der Schmiede der Jütländer – er war nämlich überaus geschickt in jeder Art Handfertigkeit – eine Erzscheibe aus zwei gleichen Teilen, die konnte man mit ihren Stiften so ineinanderfügen, daß es ein Stück gab, eine schöne Münze von nicht geringem Werte. Die eine Hälfte gab er Vestein und sagte, sie wollten es so damit halten: zur Warnung solle jeder seinen Teil dem anderen schicken, wenn er etwa erfahre, der sei in Lebensgefahr, sonst nicht! Vestein glaubte zu verstehen, daß Gisli da mehr an ihn gedacht habe als an sich und dankte ihm herzlich. Dann kaufte er sich einen Platz auf einem Handelsschiffe nach England und fuhr ab. Zu gleicher Zeit segelten Bjalfi, der Bärtige, und Gisli über Norwegen heimwärts und landeten nach einer schnellen Fahrt im Habichtstale. Dort waren einige Tage vorher Thorgrim und Thorkel angekommen, und die Freude war nun wirklich groß unter ihnen, als sie sich nach so langer Zeit und so manchen Abenteuern alle heil wiedersahen.


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