Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Thorkel und Gisli verschwägern sich mit Thorgrim und Vestein

Da gab es auf dem Seehof alle Hände voll zu tun, bis das Bier gebraut, das Vieh geschlachtet und das Fleisch hergerichtet war für die vielen Gäste, denn auch die Gaugenossen hatten sie von nah und fern geladen, um sie unterm eigenen Dach zum erstenmal zu bewirten. Mit kostbaren Teppichen, die noch der alte Thorbjörn von seinen Beutezügen im Frankenlande heimgebracht hatte, wurden die Wände der Halle verhängt, die Bänke mit Bärenfellen belegt und der Boden mit Binsen bestreut. Vom frühen Morgen an bis in die Nacht tummelten sich Gisli und Thordis, und als alles fertig war, besah es sich Thorkel und war recht befriedigt. »Wir können uns sehen lassen, wir!«

Die ersten Gäste, die eintrafen, waren die von der Bartenföhrde, Olaf mit Weib und Tochter. Da glitt alsbald Asgerds Lachen und helles Rufen durch alle Kammern. »Ei, die kostbaren Borten, wo habt ihr die her? Wieviel mag wohl der prächtige Teppich da wert sein, was, Thorkel?« Und ehe er antworten konnte, war sie schon wieder an etwas anderem.

Schlittengeläute klang, Hufe stampften, Kufen knirschten heran über den frostharten Schnee, und Vesteins Stimme erschallte. Gisli ging schnell hinaus. Neben ihren Eltern saß Aud im Schlitten; vor lauter Pelzwerk sah er nichts von ihr als die dunkelblauen Augen, die grüßten ihn stumm und froh. Er hob sie sorgsam unter den Decken hervor und geleitete sie mit den Ihren hinein. Nachdem sie ein wenig aufgetaut war drinnen, führte er sie, während die andern beim Trunke saßen, durchs ganze Haus, zeigte ihr alles und wies ihr, warum er dies und jenes so erbaut habe und nicht anders. Sie hörte ihm aufmerksam zu und fragte nur wenig. Dann gingen sie miteinander durch die Ställe, und Gisli nannte ihr jedes Roß mit Namen und jedes Stück Vieh. Behaglich schnaubend kauten die glatten und glänzenden Tiere im dunstwarmen Raume an ihren Krippen. Sie kraute einer Kälberkuh die krause Stirne: so stattlich gerichtet und so sauber gehalten hätte sie einen Stall selten gesehen. »Ja, Aud,« sprach er, »es wird sich schon hausen lassen hier bei uns, meinst du nicht auch?« Sie legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Mit dir,« sagte sie, »überall, Gisli!«

Im Hausflur stampfte sich Börk, der Dicke, den Schnee von den Schuhen, daß die Wand zitterte. Thorkel sprang hin. »Ha, da sind sie ja endlich, die Thorolfsenkel! Willkommen alle beide!« Thorgrim warf den Pelz ab und trat in die Halle; er hatte einen Purpurrock an mit goldenen Borten und einen Ledergurt mit breiter Silberspange, die blitzte. Thorgrim war ein schöner Mann, seine blauen Augen konnten strahlen wie im Sonnenglanz blankes Eis, sein helles Haar trug er in langen Wellen zurückgekämmt, von einem goldenen Bande zusammengehalten, und sein rötlicher Bart war kurz und ebenmäßig geschnitten. Nachdem er eine Weile mit den Männern an den Langfeuern gezecht hatte, ging er zur Querbank hinüber, hinten im Saal auf der Bühne, wo die Frauen saßen. Vor Aud blieb er stehen und sprach sie an; sie antwortete ihm freundlich, und er legte die Hand auf die Lehne der Bank und bückte sich zu ihr nieder. Den Nachbarinnen fing es schon an vorzukommen, als wenn er sich etwas lange mit ihr unterhielte. Da kam Thordis aus der Gesindestube zurück und setzte sich schweigend unter die Mädchen: sie sah stolz aus und nicht sehr froh. Thorgrim wandte sich zu ihr, und von dem Augenblick an hatte er keine Augen mehr für eine andere. Thordis aber wurde nun sichtlich heiterer.

Einmal, als er von ihr weg zum Saale hinausging, kam Thorkel ihm nach auf den Flur. »Nun, du scheinst dich ja gut zu unterhalten mit unserer Schwester!« Thorgrim blieb stehen und fuhr sich mit der Hand heftig durchs Haar. »Wie Grieß am Strande gegen eine Perle sind die andern Mädchen alle vor ihr!« Thorkel lachte. »Laß das Auds Bruder ja nicht hören und Gisli!« »Was kümmern mich die? Meinen Augen und meiner Zunge haben nicht sie zu gebieten!«

Vestein saß neben Börk auf der Bank. Anfangs war er ziemlich schweigsam gewesen und hatte verkehrte Antworten gegeben, wenn ihn einer fragte; auf den Ellbogen gestützt, das Kinn in der Hand, sah er Aud an und dann Gisli, und immer wieder gingen seine Blicke von einem zum andern. Aber allmählich wurde er fröhlicher, trank den Vettern und Nachbarn zu, leerte immer schneller den Becher, und schließlich wurde er so lustig, daß die Leute meinten: da ist ja der junge Vestein wieder, wie er als Lediger leibte und lebte! Von ihren Knabenstreichen im Gau erzählte er, tolle Stücke, daß die Halle vom Gelächter donnerte; ihre alten Trutzlieder sang er, bis sie alle mit einstimmten an den Tischen. Dann fuhr er von der Bank auf, und seine Scherzverse schnellten zu den Mädchen hinten hinüber, die lachten und schrien und schalten auf ihn ein durcheinander. Dabei zeigte es sich, daß Gisli unrecht gehabt hatte, als er meinte, Asgerds Blicke könnten an einer Stelle nicht haften; den Kopf vorgestreckt, ohne die blitzenden Augen von ihm zu wenden, schaute sie Vestein an, wie er seine Schnurren tanzen ließ, und vor lauter Vergnügen zitterten und zuckten ihre Lippen und Wangen. »Wart, Schelm!« rief sie, »uns zu höhnen, warte, ich komm dir!« Von der Bank sprang sie auf ihn zu, wollte etwas sagen und brachte kein Wörtlein heraus, riß ihren hellen Zopf vor, steckte ihn geschwind zwischen die Zähne, das Lachen zu verbeißen, und lief wieder zurück. Weit bis nach Mitternacht dauerte das Gelage.

Thorgrim war früh auf am nächsten Tage. Die Stimme der Thordis hatte ihn geweckt, die wies den Mägden im Oberstock ihre Arbeit an. Er hörte ihre Schritte über sich und stieg zu ihr hinauf. Sie war auf die Altane hinausgetreten und schüttelte grade ein Tuch aus; über der vereisten Föhrde graute der Morgen, es taute, und die Berge lagen in dichtem Nebel. Er ging auf sie zu. Sie sah ihn an, als hätte sie ihn erwartet, daß es ihm warm in der Brust davon wurde. »Thordis,« sagte er, »ich habe ein Anliegen an deine Brüder, aber ehe ich mit ihnen spreche, wollte ich dich darüber hören, denn dich betrifft es zumeist. Ich weiß nicht, ob du dir denken kannst, was es ist?« Sie nickte. »Werben um dich will ich, Thordis!« »Ja,« sprach sie und schaute auf ihre Schuhe nieder, »ich habe schon die ganze Nacht darüber nachgedacht, und ich glaube, Thorgrim, daß du mir lieb werden könntest. Auch hat es den Anschein, als sollte ich zwei Schwägerinnen auf einmal bekommen, und da wäre ich froh, wenn ich nicht allein unter ihnen zu hausen brauchte als ledig. Aber betrügen will ich dich deshalb doch nicht. Es war schon einmal einer, den ich von Herzen lieb hatte wider den Willen der Meinen, den hat mir mein Bruder Gisli erschlagen, und ganz vergessen habe ich ihn immer noch nicht, daß du es weißt!« – Von der Sache habe er schon reden gehört mit dem Bard in Surendal, sagte Thorgrim, er fürchte sich nicht vor Gespenstern und traue sich wohl, den Kampf mit dem Toten aufzunehmen in ihrem Herzen. »Aber davon bist du mir noch einmal so lieb geworden, daß du es mir selber bekannt hast!«

Acht Tage währte das Fest auf Seehof, und ehe die Gäste wegführen, verkündete Thorkel seine Verlobung mit Asgerd Olafstochter und Gisli die seine mit Aud. Darauf trat Thorgrim mit Börk vor die Surssöhne, warb um Thordis bei ihnen und erhielt ihre Zusage. Da sprach Gisli zu Thorkel: »Was hältst du davon, Bruder? Ich meine, wir lassen der Thordis den Hof als ihr Erbteil und bauen uns nebenan einen neuen zu zweit!« Thorkel sagte, seinem Schwager Thorgrim zulieb und seiner Schwester würde er noch größere Mühsale gern auf sich nehmen.

So ließ sich denn Thorgrim im Frühling von Börk seinen Anteil an Heiligenberg auszahlen, zog nach Seehof hinüber und fing dort an, mit Thordis zu hausen. Er erbaute seinem Gotte Frey, dem Segenspender, eine prächtige Halle, darin ragte zu hinterst mit der Strahlenkrone um den Kopf sein Standbild aus Holz, das war vergoldet. Und es dauerte nicht lange, da war Thorgrim Gode, das ist Tempelvorsteher und zugleich ein Häuptling im Gau, denn er war beliebt unter den Leuten geworden, und sie fanden, es sei vorteilhaft, unter seinem Schutze zu stehen, unter dem des Freysgoden, wie sie ihn hießen. Mit seinen Schwägern vertrug er sich gut, vornehmlich mit Thorkel, aber auch mit Vestein, der kam oft vom Norden zu ihnen hinübergeritten. Mittlerweile war es Herbst geworden, und die Brüder hatten ihren Neubau fertig. Auf einem Wiesenhang unter dem Birkenwalde am Berge lag das Gehöft, »Wang« hieß es Gisli. Da wurde die Doppelhochzeit mit großem Gepränge gefeiert, denn billiger wollten es Thorkel und Asgerd nicht geben. Diesmal hatte Vestein auch seine Frau mitgebracht, die Gunnhild, aber die Gäste bekamen sie wenig zu sehen: sie hatte Zahnweh und saß mit verbundener Backe in der Frauenstube zumeist. Asgerd trug jetzt ihre Flechten unter der Haube, da erinnerte Vestein sie daran, wie sie beim Julfest in ihren Zopf gebissen hatte vor ihm, und sie lachten alle beide darüber. Das hatte Gunhild gehört, und darauf fing sie ihren Mann an zu drängen, daß sie heimfahren sollten. Da mußten Gisli und Aud sie vor der Zeit ziehen lassen, so leid es ihnen um Vesteins willen auch war. Der sagte beim Abschied zur Schwester, allzugut schiene es ihm Asgerd mit der Wahl ihres Mannes nicht getroffen zu haben! Aber Aud schüttelte den Kopf; rußig seien beide, der Topf und der Deckel, und ihr käme es vor, als paßten sie wohl zueinander.

Von dieser Hochzeit wurde noch lange im Gau geredet: wie der Lauch im Lenz, hieß es, schieße das Glück der Habichtstaler in die Höhe! Mit ihren Schwägern seien sie nun die stärkste Sippe im Lande. Aber da sehe man's wieder einmal, was es bedeute, wenn die Leute statt einander um jeden Besenstiel neidisch zu sein und zu streiten, so fest in gutem Einvernehmen zusammenhielten wie diese vier.


 << zurück weiter >>