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Thorbjörns Tod

»Zum Seehof« hatte Gisli, als das Haus fertig dastand mit Ställen und Schuppen, ihren Wohnsitz im Habichtstale am Strande der Föhrde genannt. Es war ein stattlicher Bau geworden, in jeder Weise bequem zu benützen, prächtig innen und außen, denn von kleiner Leute Art war Gislis Sinn nicht. Auch der alte Thorbjörn freute sich noch mit seinem Weibe der neuen Heimat seines Geschlechtes, aber lang drin zu leben, war ihm nicht mehr vergönnt: seine alten Wunden waren jetzt alle aufgebrochen und wollten durchaus nicht mehr heilen. Als er merkte, daß es zu Ende ging mit seinen Kräften, rief er Gisli zu sich. »Es fällt mir nicht sehr schwer zu sterben, Sohn,« sagte er, »denn einmal, ein so alter Stamm, wie ich bin, der schlägt doch nicht mehr recht Wurzeln im neuen Boden. Und dann meine ich, ich brauche mir euretwegen keine Sorgen zu machen: so weit erprobt habe ich dich, daß ich glaube, schwerlich wirst du jemals in eine Lage geraten, aus der du den Ausweg nicht findest, wenn's einen gibt. Da vertraue ich nun auf deine Sippentreue, Freund, daß du auch deine Geschwister Vorteil von dir haben läßt, solange es irgend geht, wenn es schon manchmal Geduld brauchen wird mit ihnen, voraus mit dem Thorkel!« »Ja,« sagte Gisli, darauf könnte sich der Vater verlassen. Da nickte Thorbjörn und faßte nach der Hand Thoras. »Was weinst du? Immer gingst du in meiner Spur, Mutter; auch jetzt, ahnt mir, wirst du mir bald dahin folgen, wohin ich fahre!«

Und so ward es. Kaum hatten sie Thorbjörn den Hügel am Strand aufgeworfen, so mußten sie ihn wieder öffnen, um in die Gruft neben ihn Thora zu setzen.

Nun waren die Geschwister allein. Thorkel sagte, sie seien sehr zu bedauern, sie hätten die allerschwerste Einbuße erlitten, solche Eltern zu verlieren, wie die waren! Dann zog er seinen Lieblingshengst, den Apfelschimmel, aus dem Stalle und ritt über Land, die Bauern im Gau zu besuchen: daß man sich richtig kennen lerne, sagte er.

Thordis rote Backen unter den hellen Haaren waren ein wenig blasser und schmäler geworden nach dem Tode ihrer Eltern. Von der Stunde an, da sie die Mutter zu Grabe getragen hatten, ging sie Gisli in allem an die Hand wie eine rechte Hausfrau. Der aber schaffte, als wäre jeder Tag seines Lebens der letzte. Doch saß er des Abends manchmal mit der Schwester am Grabhügel der Eltern, da redeten sie von ihren Kinderzeiten und der alten Heimat, während das stille Wasser der Föhrde unter ihnen durch die Dämmerung blinkte.


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